Hauptverdächtiger des Ruanda-Völkermords in Südafrika gefasst
Südafrikas Polizei hat nach einer mehr als 20 Jahre langen Suche einen der mutmaßlichen Haupttäter des Völkermords in Ruanda festgenommen. Wie das Tribunal für Kriegsverbrechen der Vereinten Nationen (UN) mitteilte, wurde der frühere ruandische Polizeichef Fulgence Kayishema am Mittwoch in Paarl in der Weinregion nordöstlich von Kapstadt verhaftet. Der 62 Jahre alte Kayishema habe dort unter falschem Namen gelebt. Ihm wird vorgeworfen, während des Genozids an den Tutsi und gemäßigten Hutu in Ruanda ein Massaker mitgeplant und mitorganisiert zu haben. Im April 1994 wurden dabei in einer katholischen Kirche fast 2000 Flüchtlinge getötet. Südafrikas Polizei hatte mit einem Ermittlungsteam des UN-Tribunals zusammengearbeitet. Am Freitag soll Kayishema vor einem Gericht in Kapstadt erscheinen.
„Fulgence Kayishema war mehr als 20 Jahre lang auf der Flucht. Seine Verhaftung stellt sicher, dass er für seine mutmaßlichen Verbrechen endlich vor Gericht gestellt wird“, sagte Serge Brammertz, der Chefankläger des Tribunals. Völkermord sei das schwerste Verbrechen, das die Menschheit kenne. Die internationale Gemeinschaft habe sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Täter verfolgt und bestraft werden. „Diese Verhaftung ist ein greifbarer Beweis dafür, dass dieses Engagement nicht nachlässt und dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, egal wie lange es dauert.“
In der katholischen Kirche in Nyange im Westen Ruandas hatten 1994 bis zu 2000 Tutsi vor Angriffen Zuflucht gesucht. Die Kirche wurde daraufhin von der ruandischen Polizei und Mitgliedern der Hutu-Miliz Interahamwe umstellt. Am 13. April gingen diese mit Macheten und Granaten auf die Geflüchteten los. Die Belagerung dauerte drei Tage. Schließlich wies der Priester, Athanase Seromba, einen Baggerfahrer an, die Kirche niederzureißen. Das Dach stürzte ein, und jeder, der lebend in den Trümmern gefunden wurde, wurde getötet.
Anklage gegen 96 Hauptverdächtige
Seromba wurde vom Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda im März 2008 wegen Beteiligung am Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war zuvor nach Europa geflüchtet und tauchte 1997 in Florenz auf. Vor etwas mehr als einem Jahr fand das UN-Ermittlerteam die Leiche eines weiteren Verdächtigten, des früheren Chefs der Präsidentengarde. Sie befand sich in einem Grab mit falschem Namen in Zimbabwe.
Das Tribunal hat insgesamt 96 Hauptverdächtige angeklagt. Kayishema war den Angaben zufolge einer von vier, die bisher nicht gefasst wurden, und womöglich der letzte noch lebende. Ihm wird vorgeworfen, direkt an der Planung und Ausführung des Massakers beteiligt gewesen zu sein. Laut Anklage hat er Benzin um die Kirche verteilt, um das Gebäude anzuzünden, während sich die Flüchtlinge im Inneren befanden.
Der Genozid in Ruanda dauerte vom 7. April bis zum 15. Juli 1994. Schätzungen nach töteten extremistische Hutu in dieser Zeit 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu. Die Massaker endeten, als Kämpfer der Rebellengruppe Ruandische Patriotische Front unter der Führung des heutigen Staatspräsidenten Paul Kagame die Regierungstruppen besiegten und den Staat übernahmen.
Source: faz.net