Gopi Hinduja: Der reichste Mann Großbritanniens ist tot

Der Unternehmer Gopichand Hinduja, der im Alter von 85 Jahren nach längerer Krankheit in London verstorben ist, war Oberhaupt der reichsten Familie des Vereinigten Königreichs. Obwohl eher öffentlichkeitsscheu, kam die auch politisch bestens vernetzte Hinduja-Familie immer wieder ins grelle Scheinwerferlicht – teils auch sehr unschön. Mit einem Vermögen von mehr als 35 Milliarden Pfund (40 Milliarden Euro) liegt die britisch-indische Dynastie seit Jahren mit weitem Abstand auf Platz 1 der Reichsten-Liste der „Sunday Times“. Der 1940 geborene Gopi oder GP, wie er kurz hieß, stieg nach dem Tod seines älteren Bruders Srichand zum Oberhaupt des Clans auf.
„Er war ein bescheidener und fröhlicher Mensch und ein Freund für jeden, dem er begegnete“, schrieb die Familie in einer Nachricht nach seinem Tod am Dienstag. „Er wird auch für seine beeindruckende Arbeit beim Aufbau der Hinduja Group in den letzten 70 Jahren in Erinnerung bleiben.“ Sein Freund Lakshmi Mittal, der Stahlmagnat, pries in einem persönlichen Nachruf Hindujas Verdienste als „Titan der Wirtschaft“ – ein „echter Gentleman“, der stets freundlich, zugewandt und aufmunternd gewesen sei.
150.000 Mitarbeiter in 40 Ländern
Vier Brüder waren es – Sri, Gopi, Prakash und Ashok –, die das vom Vater gegründete Familienunternehmen zu einem globalen Megakonglomerat ausbauten: Dazu gehören Ölunternehmen und Banken, Immobilienunternehmen, der indische Bushersteller Ashok Leyland, Kabelfernsehen und Bollywood-Filmfirmen. Das Familienbusiness beschäftigt geschätzt 150.000 Mitarbeiter in 40 Ländern. I
hr Vater hatte als Jugendlicher 1914 in Britisch-Indien mit einem kleinen Handel für Teppiche und getrocknete Früchte angefangen und ab den 1920ern erfolgreich in Iran investiert, zunehmend ins Ölgeschäft. Gopi Hinduja studierte am Jai Hind College in Bombay und trat 1959 ins indische Familiengeschäft ein, das er in den Nahen Osten und nach Europa erweiterte. Die Brüder, die nach der islamischen Revolution von Ayatollah Khomeini 1979 den Firmensitz nach London verlegten, wurden zu Multimilliardären.
Politisch gute Beziehungen
Nicht nur wirtschaftlich ist die Familie extrem erfolgreich, auch politisch haben sie ihre Fühler ausgestreckt. Ihre Beziehungen reichten zu allen britischen Premierministern, von Thatcher bis Sunak und Starmer, die zu den jährlichen Diwali-Lichterfesten kamen; sie schrieben Memoranden an Bill Clinton ins Weiße Haus und waren tief in die indische Politik hinein vernetzt. Gopi setzte auf Ministerpräsident Narendra Modi und investierte Milliarden in Indien. Noch diese Woche besuchte der Regierungschef von Andhra Pradesh sie in London und verkündete mehr als zwei Milliarden Dollar Investitionszusagen der Hindujas in seinem Bundesstaat.
In London kam es 2001 zu einem Skandal, als die Presse herausfand, dass eine Millionenspende der Hindujas für Tony Blairs „Millennium Dome“ offenbar mit dem Wunsch nach einem britischen Pass für Prakash verbunden war. Der zuständige Minister Peter Mandelson musste zurücktreten. Als ihr Motto wählten die vier Brüder „Alles gehört allen, und nichts gehört irgendjemandem“ – ein Spruch aus einer alten vedischen Schrift. Sie wollten alles teilen. Ihre Häuser in London, Genf und Mumbai (Bombay), ihre Autos, ihre Unternehmen. Und doch kam es zu erbitterten Konflikten, etwa um die Kontrolle einer Schweizer Privatbank und andere Vermögenswerte. Als Srichand mit Demenz im Krankenhaus lag, klagten dessen Kinder, dass der Clan ihn finanziell so kurz halte, dass sie die Arztrechnungen kaum bezahlen konnten. Der Streit landete vor einem Londoner Gericht und endete in einem Vergleich.
Prozess um Misshandlung von Hausangestellten
Verheerend für die Reputation der Hindujas war der Gerichtsprozess im vergangenen Jahr um Misshandlung und Hungerlöhne von Hausangestellten in ihren Luxusanwesen in Cologny am Genfer See. Dienstpersonal hatte sich beklagt, die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen vier Hindujas. Was die Schweizer Ermittler herausbrachten, war ungeheuerlich. Die Milliardäre hatten ihr aus Indien stammendes Personal mit Monatslöhnen von nur 100 bis 400 Franken abgespeist. Die Hausangestellten mussten sieben Tage die Woche von früh bis spät arbeiten, wurden in fensterlosen Kellerräumen auf Stockbetten untergebracht und fast wie Sklaven behandelt. Ein Richter verurteilte den 79-jährigen Prakash, dessen Frau, seinen Sohn und die Schwiegertochter zu vier Jahren Gefängnis. Sie kämpfen bis heute in einer Berufung gegen das Hafturteil.
Der Schatten dieses Prozesses lastet auf der Familie. Gopi Hinduja hatte es stets verstanden, das Bild eines sanften Patriarchen von sich zu zeichnen, der Geld in Wohltätigkeitseinrichtungen steckt, seien es Krankenhäuser, Schulen, Universitäten oder Museen. Der gläubige Hindu, Abstinenzler und Vegetarier sorgte sich um die Zukunft des Planeten. Legendär waren die üppigen Familien- und Hochzeitsfeste des Clans. Bei der Hochzeit seines Sohnes trat Jennifer Lopez auf. Zur Eheschließung der Tochter des jüngsten Bruders in Indien kamen 6000 Gäste für eine mehrtägige Feier.
Vor zwei Jahren hat die Familie in London das ehemalige Old War Office (OWO) in Whitehall, nahe Downing Street und Trafalgar Square, wo einst Churchill während des Krieges saß, für mehr als eine Milliarde Pfund als Luxushotel umbauen lassen. Gopi Hinduja sagte dazu: „Das OWO wird mein größtes Vermächtnis für London sein, das künftige Generationen genießen können.“ Ebenfalls wichtig, wie Lakshmi Mittal hervorhob, war seine Rolle als „Brücke zwischen den Kulturen“, zwischen Großbritannien und Indien, die erst jüngst ein Freihandelsabkommen geschlossen haben.