Goethe-Institut: Finstre Wolken überall

Da steht Gesche Joost, seit Kurzem Präsidentin des Goethe-Instituts, bei der
Jahrespressekonferenz in Berlin vor einer riesigen Weltkarte und hat ein Shakespeare-Zitat
plakatgroß über dem Kopf kleben: „Macht Platz, finstre Wolken.“ Plakat und
Zitat fassen die Gesamtsituation des gemeinnützigen Vereins zur Förderung der
deutschen Kultur und Sprache im Ausland, dem die 50-jährige Digitalisierungsexpertin
und Designforscherin seit etwas mehr als einer Woche vorsteht, gut zusammen. 

Dem Goethe-Institut ging es schon einmal besser. Nur hat das weniger
mit der neuen Präsidentin als mit den Sparzwängen zu tun, die das Institut seit einiger Zeit bewältigen muss. Schließlich wird es mit seinen 151
Niederlassungen weltweit aus dem Bundeshaushalt finanziert und ist formal dem Außenministerium
zugeordnet. Bereits 2023 wurden zehn Prozent der Fördermittel gestrichen. Die
Schließung von neun Instituten folgte daraus.

Der
Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sieht weitere Einsparungen vor. So soll die
Fördersumme durch das Auswärtige Amt noch einmal von 233,9 Millionen Euro in diesem
Jahr auf 226,1 Millionen Euro für 2025 sinken. Dass sich die Ampelkoalition vor
wenigen Wochen zerlegt hat und der Bundeshaushalt deshalb bisher nicht verabschiedet werden konnte, ist da kein Trost für Joost.

Dass es mit einer neuen Regierung mehr Geld geben könnte, ist angesichts
der Finanznot auf Bundes- und Länderebene unwahrscheinlich. Überall
wird der Gürtel absehbar enger geschnallt, und mit als Erstes trifft es dabei:
die Kultur. Etwa in Berlin, wo der Senat den Kulturinstitutionen jüngst
130 Millionen Euro gestrichen hat, um ein Milliardenhaushaltsloch zumindest
teilweise zu stopfen. „Es ist bitter“, sagt Joost nach der
Pressekonferenz zu ZEIT ONLINE. „Gerade in diesen Zeiten, in denen es
aufgrund des zunehmenden Rechtspopulismus auf zivilgesellschaftliche
Diskursräume ankommt, werden Kulturetats zusammengestrichen. Kultur ist kein
nice to have, das man sich als Staat gönnt und beliebig einsparen kann, wenn
die Zeiten finanzpolitisch härter werden. Leider hat das noch nicht jeder gemerkt.“

Vor diesem düsteren
Hintergrund geben sich Joost und ihr Generalsekretär Johannes Ebert bei
der Jahrespressekonferenz alle Mühe, das Goethe-Institut groß, mächtig und
erfolgreich dastehen zu lassen. Kein Kulturverächter mit Haushaltsverantwortung
soll auf die Idee kommen, es mit einem Subventionsbetrieb, einem nice to have, zu verwechseln. Joost lobt ihr Institut als „wesentliche Säule der Außenpolitik“, Ebert
betont seine Bedeutung für „die integrative
Willkommenskultur“. Diese brauche es heutzutage, um die dringend benötigten
Fachkräfte aus dem Ausland in den deutschen
Arbeitsmarkt zu locken und zu integrieren. 

„Unsere Vorintegrationsprojekte“,
sagt Ebert, „bereiten Menschen in ihren Herkunftsländern umfassend auf das Leben
und Arbeiten in Deutschland vor.“ Dazu bedürfe es Deutschkurse sowie interkultureller Trainingsangebote. Tatsächlich konnte das Goethe-Institut allen Einsparungen zum Trotz die zusätzlichen Umsatzerlöse
aus seiner Spracharbeit im In- und Ausland steigern, von insgesamt 137,6
Millionen Euro im Jahr 2019 auf voraussichtlich 162 Millionen Euro im Jahr 2025. Das ist beachtlich, aber längst nicht genug.

Mehr als ein Sprachlabor

Das
Goethe-Institut ist schließlich mehr als ein globales Deutsch-Sprachlabor und mehr
auch als eine Fachkräftebeschaffungsagentur im Auftrag des Bundes. Es will und muss so etwas wie die deutsche Kulturbotschaft im Ausland sein. Im
Umkehrschluss heißt das, internationale Künstler und Kulturbotschafter nach Deutschland
einzuladen. Das bringt das Goethe-Institut jedoch zunehmend in eine prekäre Lage: Vor
allem in der arabischen Welt und im Globalen Süden stößt die Zurückhaltung
deutscher Politiker, das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza und im Libanon
zu kritisieren, auf Unverständnis. 

Schließlich verabschiedete der Deutsche
Bundestag vor wenigen Wochen auch noch eine Resolution zum Schutz
jüdischen Lebens
, die die Fördermittelvergabe im Kultur- und
Wissenschaftsbetrieb mit einer strengen Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance, kurz IHRA, verknüpft. Diese schließe Kritik am Handeln Israels mit ein, behaupten
Kritiker seit Jahren. Carola Lentz, die Amtsvorgängerin Gesche Joosts beim
Goethe-Institut, warnte deshalb bereits im Juli im Gespräch mit ZEIT ONLINE: „Schon jetzt weigern sich immer mehr
internationale Partner, mit deutschen Institutionen zusammenzuarbeiten, weil
sie hierzulande die Meinungs-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt
sehen.“

Ein halbes Jahr später ist die Resolution da, und Joost muss sie als neue Präsidentin umsetzen. Wie das genau gehen soll, wisse sie auch noch nicht, gesteht sie nach der Jahrespressekonferenz. „Als Institution“, sagt Joost, „haben wir bereits eigenverantwortlich einige wichtige Schritte eines umfassenden Prozesses in die Wege geleitet: Wir entwickeln beispielsweise aktuell einen code of conduct.“ Die nun verabschiedete Antisemitismusresolution stelle in der praktischen Arbeit jedoch eine enorme Herausforderung bei der Fördermittelvergabe dar. Denn die Israelkritik, die im Ausland sehr oft zu hören ist, müsse auch in Deutschland zugelassen und ausgehalten werden, wenn man sich von der Welt nicht isolieren wolle, erklärt Joost. Die einzige Einschränkung der Präsidentin: Das Existenzrecht Israels dürfe nicht angezweifelt werden. „Hier hätten wir uns eine größere Offenheit des Bundestags für weitere Antisemitismusdefinitionen gewünscht.“

Und was heißt
das jetzt? Muss das Goethe-Institut für ausländische Künstler, die auf deutsche Förderung hoffen, schnell einen Antisemitismus-Frühwarntest entwickeln?
Gesche Joost winkt ab: Natürlich würde stets abgewogen, wen man aus welchem
Grund fördere. „Aber wir können beispielsweise nicht rückwirkend jeden
Social-Media-Post eines Künstlers oder einer Künstlerin auf antisemitische
Narrative kontrollieren.“ Die konkreten Auswirkungen der Resolution seien
deshalb noch völlig unklar. Im Moment herrsche große Verunsicherung bei
allen Kulturinstitutionen. „Die Gefahr einer prophylaktischen Selbstzensur ist groß.“