Gewerkschaften Verdi und EVG bereiten für Montag einen Streik vor
Der Montag wird hart. Wer durch Deutschland reisen will, ob zu Wasser, in der Luft, auf der Straße oder auf der Schiene, wird es schwer haben. Denn die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG rufen gemeinsam zu bundesweiten Arbeitsniederlegungen auf. Sie wollen damit ihren Forderungen nach deutlichen Lohnerhöhungen Nachdruck verleihen.
Der Streik beginnt in der Nacht um 0 Uhr. Bahn-Personalvorstand Martin Seiler bezeichnete die Aktionen als „völlig überzogen, unnötig und unverhältnismäßig“. Diese geballte Streikmacht ist – laut dem IW-Tarifexperten Hagen Lesch – ein „neues Phänomen“.
„Für deutsche Verhältnisse ist der Doppelstreik ungewöhnlich, weil die Verkehrsinfrastruktur weitgehend lahmgelegt wird. Das erinnert schon an Verhältnisse, wie wir sie aus Frankreich kennen“, Hagen Lesch, Institut der deutschen Wirtschaft.
Was bringt der große Streik?
Neu ist auch der vereinte Ruf der zwei Gewerkschaften: Die EVG und Verdi führen zwar getrennte Tarifgespräche, doch mobilisieren sie alle Kräfte gemeinsam. An eine so umfassende Absprache zwischen Gewerkschaften für einen Warnstreik könne er sich nicht erinnern, sagt Tarifpolitik-Experte Lesch dem ZDF.
[Anm. der Red.: Eine so konzertierte Aktion gab es allerdings schon einmal im Jahr 1992, als bundesweit Nah- und Fernverkehr sowie Flughäfen für mehrere Wochen bestreikt wurden. Allerdings war es damals ein normaler Arbeitskampf und kein Warnstreik.]
Die EVG kämpft für mehr Geld, vor allem für Bahnmitarbeiter. Pünktlich zur dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst lässt Verdi die Muskeln spielen. Doch was bringt diese Deutschland-Bremse den 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen?
„Die Streiks treffen vor allem Dritte, hier Fahrgäste. Auch die Fluggesellschaften und die Bahn werden getroffen, da Reisen oder Geschäftstermine entfallen und nicht alle nachgeholt werden. Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst trifft das weniger. Insofern werden sie auch nicht in den kommenden Verhandlungen einknicken“, Hagen Lesch, Institut der deutschen Wirtschaft.
Megastreik: Wachstum vor Maß und Mitte?
Die Tarifverhandlungen sind noch nicht hoffnungslos festgefahren und die Positionen liegen – wie üblich – zunächst weit auseinander, erscheinen aber nicht unvereinbar. Vor diesem Hintergrund ist der angekündigte Mega-Streik nicht zu erklären. Was steckt dahinter?
Viele Beobachter sind sich einig: Für die Gewerkschaften gehe es darum, Mitglieder zu gewinnen und den Schrumpfungsprozess zu stoppen. Die Strategie „Organisieren im Konflikt“ von Verdi scheint sich auszuzahlen. Laut IW Köln verzeichnete Verdi in Bereichen mit Arbeitskämpfen deutlich höhere Eintritte. Verdi-Chef Frank Werneke selbst verkündete bereits stolz, dass dies in diesem Jahr bisher gut gelungen sei.
Für problematisch hält Experte Lesch, dass „die Mitgliedergewinnung mehr und mehr die Streiktaktik zu bestimmen“ scheine. Auch die Grenze zum „Erzwingungsstreik“ werde erreicht, meint der IW-Forscher. Ein „Erzwingungsstreik“ wird grundsätzlich nur dann eingeleitet, wenn Tarifverhandlungen gescheitert sind – was nicht der Fall ist.
Angst vor Wohlstandsverlust
Die Gewerkschaften sind selbstbewusst, denn sie haben einen Trumpf in der Hand. Dass die Fronten verhärtet sind zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, liegt auch an der Inflation und insbesondere an den hohen Energiepreisen.
In ganz Europa geht die Angst vor Wohlstandsverlust um. In Frankreich protestieren wieder landesweit Gewerkschaften gegen die geplante Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron. Hunderttausende gehen auf die Straße. Jetzt wohl auch in Deutschland. Ob es der größte Streik der Geschichte wird, ist ungewiss.