Gescheitertes Start-up: Von Lilium bleiben nur noch die Patente

1,5 Milliarden Euro hat das bayrische Start-up Lilium einst für die Entwicklung eines elektrisch betriebenen Flugzeugs ausgegeben. Für die in dieser Zeit entwickelten rund 300 Patente des inzwischen insolventen Unternehmens erhalten die Gläubiger nun noch 18 Millionen Euro. Für diesen Preis hat der amerikanische Konkurrent Archer Aviation unter anderem das Design der Flugzeuge, Konzepte zur Batteriesteuerung und den Elektromotoren sowie vor allem zum Mantelpropeller des elektrischen Senkrechtstarters von Lilium erworben. Die Technik will Archer in seinen eigenen Maschinen einsetzen.

Damit sind sämtliche Spekulationen vom Tisch, dass die Lilium-Senkrecht­starter unter einem neuen Investor doch noch bis zur Serienreife fertig entwickelt werden könnten. Die Prototypen sind nie komplett fertig geworden, zu einem bemannten Erstflug ist es nicht gekommen. Trotzdem hieß es von den zwei anderen Mitbietern im laufenden Insolvenzverfahren, dass sie den Lilium-Jet bis zur Zulassungsreife bringen wollten.

Ambitionierte Pläne einer Investorengruppe

Darunter befanden sich der ebenfalls amerikanische Wettbewerber Joby Aviation und die bis dato eher unbekannte deutsch-niederländische Investorengruppe Ambitious Air Mobility Group ( AAMG ). Letztere hatte sich in den vergangenen Wochen öffentlich immer wieder sehr offensiv geäußert. Der elektrische Senkrechtstarter solle in Richtung autonomes Fluggerät weiterentwickelt werden, sagten AAMG-Chef Robert Kamp und sein Managementkollege Daniel Hayes dem „Handelsblatt“ im August. Wie realistisch solche ambitionierten Pläne gewesen wären, ist schwer einzuschätzen: Ein Großteil der Lilium-Ingenieure hat inzwischen neue Arbeitgeber, das alte Betriebsgelände in Oberpfaffenhofen ist neu vermietet. Und wie komplex das Geschäft ist, zeigt auch der badische Flugtaxi-Entwickler Volocopter, der nach Geldsorgen an ein chinesisch kontrolliertes Unternehmen verkauft wurde.

AAMG kritisierte auch immer wieder Lilium-Insolvenzverwalter Ivo-Meinert Willrodt von der Kanzlei Pluta scharf. Vom Zuschlag für Archer sei man „zutiefst enttäuscht“, teilte AAMG nun mit. Obwohl der Vermögensverwalter schriftlich bestätigt habe, dass die Vermögenswerte an den Meistbietenden gehen würden, sei dies nun „eindeutig nicht der Fall“. AAMG sagt, es habe 30 Millionen für die gesamten Vermögenswerte zahlen wollen.

Streit um Finanzierungsnachweis

Ein Sprecher des Insolvenzverwalters erklärte hingegen, man habe ein ordnungsgemäßes Bieterverfahren in Abstimmung mit beiden Gläubigerausschüssen organisiert. „Im Bieterverfahren war für uns sehr wichtig, dass wir die höchste Transaktions- und Umsetzungssicherheit sowie Finanzierungssicherheit gewährleisten.“ Offenbar konnte AAMG bis zuletzt keinen Finanzierungsnachweis vorlegen.

Es ist ein weiteres Kapitel des dramatischen Zerfalls des selbst ernannten Pioniers im elektrischen Fliegen. Lilium wurde 2015 von Ingenieuren der TU München gegründet, gewann schnell prominente Investoren wie Frank Thelen oder Skype-Gründer Niklas Zennström und wurde immer wieder von hochrangigen Politikern besucht. Es gab und gibt unter Investoren durchaus Stimmen, die hervorheben, dass Liliums Technik visionär gewesen sei. Doch es gab auch immer wieder Probleme und gebrochene Versprechen: Als das Unternehmen 2021 über einen Börsenmantel in New York an die Börse ging, hieß es von Lilium, man könne innerhalb von drei Jahren 90 Flugzeuge bauen und einen Umsatz von 250 Millionen Dollar erwirtschaften – dazu kam es nie.

Rettungsversuche gescheitert

Stattdessen ging dem Unternehmen das Geld aus. Einige kritische Beobachter sagen, Liliums Management habe das Start-up zu sehr wie einen großen Flugzeugkonzern geführt: Man habe nur auf Zeit optimiert, dabei aber viel Geld verbrannt – bei Problemen seien einfach wieder Dutzende Millionen angefordert worden. Dies habe Investoren irgendwann verschreckt.

Danach scheiterten mehrere Rettungsversuche: Erst blieb eine erhoffte Bürgschaft des Bundes aus. Das Unternehmen stellte daraufhin im Oktober 2024 einen Insolvenzantrag. Im Dezember schien es dann ein Weihnachtswunder für Lilium zu geben: Ein Investorenkonsortium gab seinen Einstieg bekannt und sagte eine Geldspritze von 200 Millionen Euro zu. Doch das Geld des slowakischen Hauptinvestors Marian Bocek landete nie in Bayern, sodass Lilium im Februar abermals Insolvenz anmeldete. Nachdem nun die geistigen Vermögenswerte veräußert sind, plant der Insolvenzverwalter noch den Verkauf der beiden Prototypen sowie einiger Maschinen. Danach ist Lilium endgültig Geschichte.