Gaza | Friedrich Merz kritisiert Israels Vorgehen in Gaza: Für jedes mehr fehlt dem Kanzler jener Mut

Die Kehrtwende von Merz im Nahostkonflikt geht über Rhetorik nicht hinaus. Dabei wäre eine andere Politik gegenüber Benjamin Netanjahu überlebenswichtig für das palästinensische Volk


Ein Junge läuft mit einer palästinensischen Flagge auf einem Schutthügel in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen

Foto: Eyad Baba/Getty Images


Es ist ein Vierteljahrhundert her, dass die EU und Israel ein Assoziierungsabkommen beschlossen, das ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen wachsen und gedeihen lassen sollte. Kurz vor dem 25. Jahrestag des Inkrafttretens im Juni 2000 haben sich die beiden Partner so weit voneinander entfremdet wie noch nie. Die israelische Kriegsführung in Gaza, der Druck der öffentlichen Meinung machen es wenig wahrscheinlich, dass sich diese Dynamik alsbald ändern wird.

Anstatt dass man gemeinsame Feierlichkeiten mit Israel plant, will einer der politisch wichtigsten Akteure in der EU, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, am 18. Juni in New York eine mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman ausgerichtete internationale Konferenz stattfinden lassen. Deren Ziel ist es, die Durchsetzung der am 10. Juni 2024 vom Sicherheitsrat beschlossenen „Resolution 2735“ voranzubringen. Diese hatte einen vollständigen Gefangenenaustausch, eine dauerhafte Waffenruhe und die Perspektive einer Zwei-Staaten-Lösung gefordert.

Bekannt gegeben wurde die für den Juni einberufene Konferenz schon am 13. Februar, als sich Gremien der arabischen Gruppe und Vertreter der Europäischen Union in der UNO getroffen hatten und über eine Reaktion auf Donald Trumps Plan einer Riviera im Gazastreifen ohne Palästinenser berieten. Auf dem Konferenzprogramm steht auch der arabische Friedensplan. Er sieht den Wiederaufbau des Gazastreifens vor und enthält auch Vorschläge, wie ein Frieden durch arabische und andere internationale Truppen gesichert und die Verwaltung schrittweise an zivile palästinensische Behörden übergeben werden kann. Bei Durchsetzung dieser Perspektive soll sich die Hamas bereit erklärt haben, die Waffen niederzulegen.

Nach der letzten Aufkündigung des Waffenstillstands durch Israel und dessen brutalem Umgang mit der Bevölkerung des Gazastreifens haben sich Frankreich und Großbritannien noch entschiedener öffentlich positioniert. Macron hatte bereits am 9. April in einem Fernsehinterview erklärt, Frankreich „in Richtung einer Anerkennung“ des palästinensischen Staates zu führen. Er wolle „an einer kollektiven Dynamik teilnehmen, die es auch allen, die Palästina verteidigen, ermöglichen muss, ihrerseits Israel anzuerkennen.“

Damit stellte er sich klar hinter den seit 2002 vorliegenden Beschluss der Mitglieder der Arabischen Liga, Israel anzuerkennen, sobald es seinerseits das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat in den Grenzen von 1967 anerkenne. Macron folgt damit jenen europäischen Staaten wie Norwegen, Spanien, Irland und Slowenien, die den Staat Palästina bereits anerkannt haben.

Auch Kanada hat sich Macrons Position mittlerweile angeschlossen, und sogar Großbritannien. Die ehemalige Mandatsmacht Palästinas gehört zu den verlässlichsten Partnern Israels. Vor dessen Staatsgründung hatte es allerdings die Erfahrung gemacht, dass es die Interessen der arabischen Seite nicht außer Acht lassen konnte. Mittlerweile hat Frankreich, das Israel bereits keine Waffen mehr liefert, sogar die Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel ins Gespräch gebracht. Es gewährt dem Land Handelsvorteile, deren Verlust seine ohnehin angeschlagene Wirtschaft schwer treffen würde.

Auch die deutsche Bundesregierung und die hiesigen Medien haben in letzter Minute einen verbalen Richtungswechsel vollzogen. Doch es ist wenig wahrscheinlich, dass man sich den französischen und britischen Positionen schon bald voll anschließt, obwohl sie wohl die beste Garantie für die dauerhafte Existenzsicherung Israels wären.