G20-Gipfel: Der Rückhalt für Russland schwindet
Beim G20-Gipfel haben sich die Teilnehmer offenbar auf den Entwurf einer Abschluss-Erklärung geeinigt, dem auch Russland zustimmen will – obwohl darin der Krieg in der Ukraine „scharf verurteilt“ wird. Putins Rückhalt in China scheint zu schwinden.
Die USA rechnen mit einer scharfen Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beim G20-Gipfel in Indonesien. Ein Vertreter der US-Regierung sagte am Dienstag auf Bali, er gehe davon aus, dass die meisten Mitglieder der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in der Abschlusserklärung des Treffens deutlich machen werden, „dass sie Russlands Krieg in der Ukraine verurteilen und dass sie Russlands Krieg in der Ukraine als die Ursache für immenses wirtschaftliches und humanitäres Leid in der Welt betrachten“.
Krieg statt Spezialoperation: Russland soll Passage akzeptieren
Nach Angaben von EU-Ratspräsident Charles Michel hatten sich die Chefunterhändler der G20-Mitglieder am Montagabend auf den Entwurf für eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Von den meisten G20-Mitgliedern werde der Krieg in der Ukraine „scharf verurteilt“, heißt es laut der Nachrichtenagentur AFP in dem Entwurf. Informationen der Deutschen Presse-Agentur zufolge setzten die EU und die westlichen Staaten den Text gegen den anfänglichen Widerstand Moskaus durch.
Schon am Vorabend hatten Diplomaten erklärt, dass Russland bereit sei, eine solche Passage zu akzeptieren. Nach Angaben eines westlichen Diplomaten sollte der russische Angriff klar als Krieg bezeichnet werden – und nicht wie von Kremlchef Wladimir Putin als militärische Spezialoperation. Der Text müsse auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs noch bestätigt werden.
Der Gipfel auf Bali müsse dazu genutzt werden, „alle Parteien davon zu überzeugen, den Druck auf Russland zu erhöhen“, fügte Michel kurz vor Beginn der zweitägigen Beratungen hinzu. Kreml-Chef Wladimir Putin selbst nimmt an dem Gipfeltreffen aber nicht teil. Er lässt sich vom russischen Außenminister Sergej Lawrow vertreten.
Beobachter: Chinas Unterstützung für Russland schwindet
Vor Ort sind in Bali dagegen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping. Die beiden waren am Montag auf der indonesischen Insel zu ihrem ersten persönlichen Gespräch in ihren Ämtern als Staatschefs zusammengekommen. Dabei bemühten sich beide Politiker sichtbar um Entspannung. Beide hatten zuvor Russlands Drohung mit Atomwaffen verurteilt.
Russlands Zustimmung zu dem Textentwurf gilt als Zeichen dafür, dass Moskau beim Thema Ukraine in der G20-Gruppe nicht einmal mehr auf die Unterstützung des mächtigen Partners China zählen kann. Demnach akzeptierte Russland auch, dass in der Abschlusserklärung aus einer Resolution der Vereinten Nationen zu dem Krieg zitiert wird. In dieser wird der Krieg scharf verurteilt und Russland zum Rückzug seiner Truppen aufgefordert. Auch soll Putins Chefunterhändlerin zugestimmt haben, dass der Einsatz von Atomwaffen in der Abschlusserklärung als unzulässig bezeichnet werden soll.
Selenskyi fordert Beendigung des russischen Angriffskriegs
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj richtete sich mit einer Videobotschaft an die Teilnehmer des Gipfeltreffens. „Ich bin überzeugt, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, an dem der zerstörerische russische Krieg gestoppt werden muss und kann“, sagte er laut einer englischen Übersetzung seiner Rede. „Das wird Tausende von Leben retten.“ Der Krieg müsse „gerecht und auf der Grundlage der UN-Charta und des Völkerrechts“ beendet werden. „Bitte wählen Sie Ihren Weg zur politischen Verantwortung – und gemeinsam werden wir die Friedenslösung sicher umsetzen“, sagte Selenskyj, der seine Botschaft an die „G19“ richtete und Russland damit offenbar ausschloss.
Auch der Präsident des Gastgeberlandes Indonesien, Joko Widodo, hat ein Ende des Ukraine-Kriegs gefordert. Er rief die Staats- und Regierungschefs vor Beginn ihrer Beratungen dazu auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich für ein Ende des Kriegs einzusetzen. Widodo warnte zudem vor einem „neuen Kalten Krieg“. „Heute sind die Augen der Welt auf uns gerichtet“, sagte der indonesische Präsident. Der G20-Gipfel dürfe nicht „scheitern“.
G20 stehen für vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft
Beim zweitägigen G20-Gipfel sind neben der EU die Länder Deutschland, Argentinien, Australien, Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA vertreten. Für Deutschland ist Kanzler Olaf Scholz (SPD) dabei.
Die „Gruppe der 20“ steht zusammen für knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung, drei Viertel des Welthandels und vier Fünftel der weltweiten Wirtschaftskraft. Die alljährlichen Gipfel gibt es seit 2008. Inzwischen beschäftigt sich die G20 neben Fragen von Wirtschaft und Finanzen auch mit vielen anderen globalen Themen.