„Fritz Litzmann, mein Vater und ich“: Der ständig abwesende Vater
„So ein Film ist ein Wagnis“, sagt eine Stimme aus
dem Off zu Beginn. Die Stimme gehört zu Filmemacher Aljoscha Pause, der sich
einen Namen gemacht hat mit dokumentarischen Arbeiten vor allem über Fußball: Tom
meets Zizou (2011), Trainer!
(2013), Being
Mario Götze (2018). Zuletzt veröffentlichte er eine Langzeitbeobachtung
des CDU-Politikers
Jens Spahn.
Sein neuer Kinodokumentarfilm heißt nun Fritz Litzmann,
mein Vater und ich, und das mit dem Wagnis betrifft den Teil vor dem Und.
Aljoscha Pause dreht einen Film über seinen Vater
Rainer Pause – und dessen Bühnen-Alter-Ego Fritz Litzmann. Rainer Pause
ist Ende 70 und eine Bonner Kabarettlegende, Gründer des dortigen Pantheon-Theaters,
ein Mann, über den Helge Schneider, Gerhard Polt, Bastian Pastewka, Oliver
Masucci und weitere – vor allem – Männer Schönes sagen können. Ebenso über
seine in einen Frack gewandete Kunstfigur Fritz Litzmann. Vielleicht wäre die
Aufzählung mit „Mein Vater, Fritz Litzmann und ich“ triftiger
gewesen, weil die Bühnennummer als Synonym für den workaholism des
Vaters steht und für den Abstand, die sie für den
Sohn bedeutete.
Der Film will also zweierlei: Biografie von Rainer Pause
sein und zugleich den komplizierten Bildungsroman des wenig geliebten Sohnes
erzählen. Die durch Inserts angekündigte Struktur mit Prolog, drei Akten und
Epilog wirkt dafür eher zufällig; eigentlich besteht Fritz Litzmann, mein
Vater und ich aus zwei Hälften.
In der ersten geht es um den Lebensweg des interessierten Rainer,
der durch das Schweigen und die Kälte einer von Krieg und NS-Diktatur
verhärteten Elterngeneration führt, Kinderkur-Verschickung
zum „Aufpäppeln“ während der Sommerferien inklusive. Animierte
Szenen (Alireza Darvish) illustrieren dabei, was durch Ortsbegehungen und Fotos
nicht visualisiert werden kann. Aus der Rebellion von 1968 zieht Rainer Pause die
Konsequenz, das eigene Leben in Wohngemeinschaften und K-Gruppen als
politischen Kampf zu führen.
Auch wenn die absurden Fraktionierungen der westdeutschen
Linken in den 1970er-Jahren heute zu kaum mehr taugen als zum Gag – der
Exkurs in diese Lagerbildungen beschreibt den Boden einer alternativen Kultur,
auf dem später Institutionen wie das Pantheon entstehen konnten. Ebenso wie die
Prägung Pauses durch Hoffmanns Comic Teater-Kollektiv
um Rio Reiser und seine Brüder, eine Gruppe, die eine offenbar
beeindruckende Form von Entgrenzung des Spiels betrieb und nicht zu den
Standarderzählungen des zeitgeschichtlichen Memorys zählt, das 1968 erinnern
will.
Leben, das exemplarisch für die linke Bundesrepublik stehen kann
In diesen Momenten ist Fritz Litzmann, mein Vater und ich
ein durchaus instruktiver Film über ein westdeutsches Leben, das
exemplarisch für die linke Bundesrepublik stehen kann – den Schock über das
Mitmachen der Eltern in der Nazizeit, der in eine Politisierung führt und sich
schließlich kulturell institutionalisiert. Dass Rainer Pause bis zum Ende des
Films jeden Abend in „seinem“ Pantheon steht und in Sachen Nachfolge
nichts geregelt hat, dürfte ihn mit zahlreichen anderen Gründerfiguren aus
seiner Generation verbinden.
In diese Kulturgeschichte hinein kommt durch den Sohn als
Filmemacher dann aber auch noch die persönliche, familiäre Bilanz. Und dass das
schon künstlerisch ein Problem ist, zeigt das Insert an, das den Interviewpartner namens Alexander Schmitt als
„Jugendfreund“ ausweist – von Regisseur Aljoscha Pause. Bis dahin waren alle Erklärungen zu den Befragten in Richtung des Vaters gedacht.
So unbedeutend dieses Detail scheinen mag, es steht für eine
Unwucht, die den Film prägt und die man in Seminaren über dokumentarische
Ästhetik lange diskutieren kann – dass Aljoscha Pause dann selbst durch Bilder
seines Films laufen muss wie ein Protagonist, wo er zugleich der Autor dieses
Films ist. Ist das konventionelle Porträt des Vaters nicht die geeignete Form,
um von der Zurücksetzung des Sohnes zu erzählen?