Freie Demokratische Partei-Politiker: Früherer Innenminister Gerhart Baum gestorben

Der FDP-Politiker und ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum ist tot. Das bestätigte die Bundestagsfraktion seiner Partei. Er wurde 92 Jahre alt.

Aus Dresden nach Köln

Baum kam 1932 in Dresden zur Welt. Nach der Dresdner Bombennacht im Februar 1945 floh Baum mit seiner Mutter und seinen Geschwistern an den Tegernsee. Baums Vater starb im Krieg als Soldat auf einem Kriegsgefangenentransport. Später zog seine Familie nach Köln, wo Baum auch sein Jura-Studium aufnahm. 1954 tat er in die FDP ein. 

Nach einem ersten, gescheiterten Versuch, in den Bundestag einzuziehen, kam Baum bei der Bundestagswahl 1972 über die FDP-Landesliste ins Bonner Parlament. Im gehörte er 22 Jahre lang an. In den 1970er-Jahren war er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, bis er 1978 selbst unter dem Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) Bundesinnenminister wurde. Dieses Amt hatte er bis 1982 inne. Seine Amtszeit im Bundesinnenministerium fiel in die Zeit des RAF-Terrors.

Als Innenminister setzte Baum unter anderem eine Liberalisierung des sogenannten Radikalenerlasses durch: Nach diesem Bund-Länder-Beschluss von 1972 mussten Bewerberinnen und Bewerber für den Öffentlichen Dienst auf Verfassungstreue geprüft werden. Baum war auch einer der ersten prominenten Politiker, die öffentlich die Unabdingbarkeit der Kernenergie infrage stellten. 

Unter Kohl wollte er nicht Justizminister sein

Nach Helmut Schmidts Kanzlerschaft mit einem Misstrauensvotum endete, lehnte Baum das Angebot ab, Justizminister in der Regierung von Helmut Kohl zu werden.

Zwischen den Jahren 1992 und 1998 war er als Chef der deutschen Delegation in der Genfer UN-Menschenrechtskommission tätig. Nach
seinem Ausscheiden aus dem Bundestag arbeitete er wieder als
Rechtsanwalt. 

Nach der Jahrtausendwende führte Baum als Mitinitiator erfolgreiche Verfassungsbeschwerden
gegen staatliche Überwachung: gegen den Großen Lauschangriff, die
Vorratsdatenspeicherung oder das Luftsicherheitsgesetz der Rot-Grünen Koalition zum
Abschuss entführter Passagiermaschinen.

„Gedächtnis und Gewissen Deutschlands“

Er galt als wichtige sozialliberale Stimme. Er war Mitglied der Gruppe
Freiburger Kreis, die in der FDP sozial- und linksliberale Themen
vertritt und der zum Beispiel auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
angehört. Bis zuletzt äußerte sich Baum auch zur aktuellen Politik.

FDP-Chef Christian Lindner würdigte Baum nach dessen Tod als einen großen Verfechter von Freiheit und Bürgerrechten: „Mit Gerhart Baum
haben unser Land und die Freien Demokraten eine der kräftigsten Stimmen
für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie verloren“, teilte Lindner
mit. „Er war eine unabhängige Persönlichkeit mit kritischem Urteil, die
unsere liberale Familie gestärkt hat.“ 

Die Journalistin und Moderatorin Sandra Maischberger sagte: „Deutschland verliert eine seiner relevantesten Stimmen, einen unermüdlichen Kämpfer für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Mit Gerhart Baum geht uns auch ein wichtiger Zeitzeuge verloren.
Seine Erfahrungen mit der Nazidiktatur wurden zum Leitfaden seiner politischen Arbeit. Er war Gedächtnis und Gewissen Deutschlands gleichermaßen.“

Für seine Verdienste wurde Baum vielfach ausgezeichnet, 2023 erhielt das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.