Fox News: Kann der Sender noch Präsidenten machen?
Kann der Sender noch Präsidenten machen? – Seite 1
Steve Bannon hatte dem „alten Mann“, der den USA „nichts gegeben hat“, einiges zu sagen auf der diesjährigen CPAC, dem Treffpunkt der Rechtsaußenmilieus der Republikaner. Anfang März ist der CPAC-Zirkus – Eintrittsvoraussetzung: absolute Loyalität zum Ex-Präsidenten Donald Trump – in die Nähe von Washington, D. C., gekommen und Bannon, Ex-Berater von Trump, der heute in seinem erfolgreichen Podcast War Room alles Mögliche verbreitet, nur nicht unbedingt Fakten, sprach entsprechend vor Trump-Anhängern. Bannon ist stets bei der CPAC, nicht nur als Redner, sondern auch, um im Vorraum des Hauptsaals seinen Podcast live aufzunehmen. Umringt von Fans stand Bannon nun also da und schimpfte nicht etwa gegen den alten Mann Joe Biden – das natürlich auch, aber das ist keine Überraschung mehr.
Nein, mit dem „alten Mann“ meinte Bannon in diesem Fall Rupert Murdoch, den 91-jährigen Patriarchen von News Corp, dem konservativen Medienunternehmen, das mit Fox News den erfolgreichsten Kabelsender der Vereinigten Staaten betreibt. „Murdoch, Sie sind der Meinung, dass Trump nicht Präsident werden wird“, rief Bannon in den Saal. „Nun, wir sind der Meinung, dass Sie keinen Sender mehr haben werden. Denn wir werden Sie mit allen Mitteln bekämpfen!“ Da jubelten die Make-America-Great-Again-Anhänger und sprangen von ihren Sitzen hoch. Wer braucht schon Fox News, wenn man Bannon direkt zuhören, Trump auf seiner eigenen Plattform Truth Social folgen und Nachrichten auch bei Sendern wie Newsmax oder One America News Network (OAN) bekommen kann, die sich in einer Nische rechts vom rechten Fox News etabliert haben.
Trump und sein einstiger Lieblingssender, das ist eine komplizierte Sache geworden. Und das nicht erst, seit durch die Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten publik geworden ist, was nicht nur Murdoch selbst, sondern auch einige der großen Stars seines Senders wirklich über Trump und seine Lüge von der gestohlenen Präsidentschaftswahl 2020 denken. Hintergrund ist eine Verleumdungsklage des Wahlcomputer-Herstellers Dominion gegen Fox News. Dominion fordert rund 1,6 Milliarden US-Dollar (1,5 Milliarden Euro) Schadensersatz, weil Fox News aus Sicht des Unternehmens falsche Berichte über eine angebliche Manipulation der Wahlcomputer bewusst und wider besseres Wissen verbreitet haben soll. Schon eine Nachricht Murdochs an den Chefredakteur des ebenfalls ihm gehörenden Boulevardblatts New York Post, die nun ebenfalls im Vorfeld des im April startenden Prozesses bekannt wurde, scheint die Position von Dominion eindrucksvoll zu bestätigen: Darin nennt Murdoch Trumps Lügenkonstrukt schlicht „Bullshit“.
Dies eine Wort allein markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Entfremdung in der Beziehung zwischen dem Ex-Präsidenten und dem Sender Fox News, die für beide Seiten lange äußerst lukrativ war. Seit Donald Trump im Jahr 2015 eine Rolltreppe hinunterfuhr in seinem Trump Tower, seine erste Präsidentschaftskandidatur erklärte und so endgültig auf der politischen Bühne der USA ernsthaft erschien, hat Fox News ihn unterstützt und wurde dafür mit hohen Einschaltquoten belohnt. Und fast immer, wenn Trump danach etwas glaubte, sagen zu müssen, tat er das (wenn nicht auf dem Rasen des Weißen Hauses) bei Fox News. Oft auch nur, indem er sein Telefon in die Hand nahm und sich in eine laufende Sendung schalten ließ, etwa bei seiner Lieblingsshow Fox & Friends. Ja, man war wirklich sehr gut befreundet. Um Journalismus, das Berichten von Fakten, ging es dabei nie.
Der kompliziert gewordene Beziehungsstatus zwischen Fox News und Trump wirft nun viele Fragen auf, die den beginnenden Wahlkampf in den USA für die Präsidentschaftswahl 2024 mitbestimmen könnten. Wie zum Beispiel wirkt sich der nun so öffentlich werdende Skandal bei Fox News aus – werden sich die Trump-Anhänger von dem Sender abwenden, registrieren sie den Skandal wirklich, wie reagiert Trump darauf, reagiert er überhaupt, und wie der Sender selbst? Wird Fox News Donald Trump auch bei dessen Versuch unterstützen, sich die Nominierung bei den Republikanern für 2024 zu sichern? Oder wird sich der Sender etwa auf die Seite des aussichtsreichen Trump-Konkurrenten Ron DeSantis stellen, dem republikanischen Gouverneur von Florida (der seine Kandidatur allerdings noch nicht erklärt hat)? Ist Fox News überhaupt noch ein wesentlicher Faktor in der Entscheidung, wer 2024 für die Republikaner antreten wird? Braucht Trump den Multiplikator des immer noch mächtigen Senders und seiner Stars wie Tucker Carlson? Oder braucht der Sender am Ende doch den Ex-Präsidenten, sollten sich die Wählerinnen und Wähler der Republikanischen Partei wieder ihm zuwenden?
Die Quoten sind weiter gut – noch jedenfalls
Zunächst einmal: Von einer Krise bei Fox News ist derzeit (noch) nichts zu sehen. Die Zahlen des Marktforschungsunternehmens Nielsen, das in den USA die Fernsehquoten erhebt, weisen für Februar 2023 aus, dass die zehn meistgeschauten Sendungen aller Nachrichtensender im Land alle bei Fox News liefen. The Five, eine Show mit einem aus fünf Moderatoren und Moderatorinnen bestehenden Team, das Nachrichten kommentiert, erreichte im Spätnachmittagsprogramm 3,31 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, Tucker Carlson in der Primetime abends 3,3 Millionen. Im Vergleich: Anderson Cooper, einer der bekanntesten Stars des klassischen Nachrichtensenders CNN, hatte im direkten Vergleich mit Carlson um 20 Uhr im Schnitt lediglich 673.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Fox News dominiert den TV-Nachrichtenmarkt also nach wie vor, im Februar hatte der Sender zur Hauptsendezeit im Schnitt 2,26 Millionen Zuschauer, der linke Konkurrent MSNBC kam auf 1,16 Millionen, CNN auf 587.000.
Doch das Geschäft mit Nachrichten ist noch härter geworden in den USA, wie alle Kabelsender verliert auch Fox News kontinuierlich Zuschauer, laut Nielsen waren es im Februar im Vergleich zum Vorjahr 14 Prozent weniger. Gerade viele junge Menschen wollen sich die oft teuren Kabel-TV-Gebühren nicht mehr leisten, cord-cutting, also der Abschied vom linearen Fernsehen, ist weit verbreitet. Und Fernsehen ist in den Vereinigten Staaten ein umkämpfter Markt, vor allem, wenn man wie Fox News eher mit Meinungsmache als mit Journalismus Quote macht. Als der Sender 1996 gegründet wurde, war sein Slogan „Fair and Balanced„, fair und ausgewogen, 2017 wurde daraus „Most Watched, Most Trusted„: der Sender, den man schaut und dem man vertraut. Das Vertrauen der Zuschauerinnen gründet sich bei Fox News heute aber nicht mehr auf dem faktengestützten Reportieren des Nachrichtengeschehens. Die Zuschauer können darauf vertrauen, dass die Sendungen bei Fox News eine konsequent konservative Ausrichtung haben.
Wenn die Welt anders ist, als die Zuseher sie sich wünschen
Ein Blick zurück lohnt sich, um zu zeigen, was passiert, wenn dieses Vertrauen erschüttert wird; wenn die Welt nicht mehr die ist, wie sie sich Fox-News-Zuseher augenscheinlich erhoffen, und der Sender sie auch nicht entsprechend diesen Vorstellungen präsentieren kann oder will.
In den Wochen nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 fielen die Quoten bei Fox News laut Nielsen zwischen der von Trump verlorenen Wahl am 3. November 2020 und Joe Bidens Amtseinführung am 20. Januar 2021 deutlich. Fox News war plötzlich nur noch die Nummer drei der Nachrichtensender in den USA. Viele Zuschauer wanderten zum noch konservativeren Konkurrenten Newsmax ab, wo die Quoten zur Hauptsendezeit von 58.000 (in der Woche vor der Wahl) auf mehr als eine halbe Million Zuschauer (in der Woche danach) sprangen.
Der offensichtlichste Grund dafür: Fox News hatte als erster Sender berichtet, dass der für den Wahlausgang so wichtige Bundesstaat Arizona an Biden gehen würde, ein Fakt, den viele Fox-News-Zuschauerinnen offensichtlich nicht hören wollten. Trumps Umfeld und Anhängerschaft schäumte, von Verrat war die Rede – das offizielle Wahlergebnis aber bestätigte Fox News, der Sender hatte sich angesichts des knappen Ausgangs in dem Bundesstaat nur als Erster getraut, ihn Biden zuzuschlagen. Im Lichte dessen erscheint die durch den anstehenden Prozess Dominion v. Fox News jetzt öffentlich gewordene Entscheidung von Fox News, danach umzuschwenken und konsequent auf Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl zu setzen, wie eine bewusst strategische: Fox News wollte seine Zuschauer zurückbekommen.
Ein „soft ban“ gegen Donald Trump

Und die Lüge von Trumps Sieg hat bei Fox News seither und bis heute on air weiter Bestand, trotz der Interna, die im Vorfeld der Prozesseröffnung bereits herausgekommen sind in Gestalt nicht nur von Kommunikation zwischen Moderatorinnen und Moderatoren, der Senderleitung, dem Besitzer Rupert Murdoch, sondern auch von dessen Aussage, die er für den Prozess bereits gemacht hat. Über all das berichtet Fox News jedoch nicht. Der Sender blendet den eigenen Skandal durchweg aus.
Stattdessen verändert er derzeit rückwirkend geradezu die Geschichte. Tucker Carlson hat von den Republikanern im Repräsentantenhaus, die dort nach den Midterms 2022 nun die Mehrheit haben, kürzlich exklusiv eine riesige Menge an Überwachungsvideos vom Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zur Verfügung gestellt bekommen. In seiner Sendung am 6. März präsentierte Carlson dann seinen Umschnitt der Ereignisse knapp zwei Jahre zuvor, die die Demokratie in den USA an den Rand eines Staatsstreichs brachten, mit den Worten: „Die Demonstranten waren wütend. Sie glaubten, dass die Wahl, an der sie gerade teilgenommen hatten, unfair durchgeführt worden war. Und sie hatten recht. Rückblickend ist es klar, dass die Wahl 2020 ein schwerer Verrat an der amerikanischen Demokratie war. Angesichts der Fakten, die seither über diese Wahl ans Licht gekommen sind, kann kein ehrlicher Mensch dies leugnen.“
Nun soll nicht mehr Fox News Verrat geübt haben (an der Trump-Bewegung) – nein, das von unzähligen Gerichtsentscheidungen, die das Trump-Lager verloren hat bei dem Versuch des Nachweises von angeblichen Wahlunregelmäßigkeiten, bestätigte offizielle Abstimmungsergebnis der Präsidentschaftswahlen soll Verrat sein.
Laut den vorab öffentlich gewordenen Gerichtsakten zur Klage von Dominion hat eben jener Tucker Carlson in einer Textnachricht an einen seiner Mitarbeiter nach der Wahl 2020 geschrieben, dass er Trump „leidenschaftlich hasse“. Ablehnung, Lügen, Quotendruck, Machtgier – das alles spielt in dem komplexen Beziehungsgeflecht zwischen Fox News, den Stars wie Carlson, die noch das Geld für den Sender verdienen, und Trump, der ihnen lange Zeit die Zuschauer garantiert hat, offenbar eine Rolle.
Und so muss das, was sich seit einiger Zeit auch beobachten lässt, noch nicht die endgültige Trennung zwischen dem Sender und der republikanischen MAGA-Blase sein: Trump selbst kommt kaum noch vor bei Fox News, seine Wahlkampfauftritte etwa, die früher dort live übertragen wurden, sind kaum noch Gesprächsthema. So spiegeln sich die nun öffentlich gewordenen Aussagen der Fox-Macher über den Ex-Präsidenten auch live on air wider. Die Website Semafor berichtet, der Sender habe einen „soft ban“ gegen Trump verhängt, einen weichen Bann. Demnach bekommt Trump im Vergleich zu anderen konservativen Politikern und möglichen Präsidentschaftskandidaten nicht mehr Sendezeit. Murdoch habe intern deutlich gemacht, dass man sich von Trump wegbewegen wolle.
„Trumpty Dumpty“
Schon bei der Verkündung von Trumps erneuter Kandidatur kurz nach den Zwischenwahlen im November 2022 hat Fox News nicht die gesamte Rede live übertragen. Murdochs Boulevardblatt New York Post, früher auch ein dankbarer Gesprächspartner Trumps, verhöhnte ihn gar: Die Zeitung vermeldete am nächsten Tag auf der Titelseite „Florida Man Makes Announcement“ („Ein Mann aus Florida macht eine Ankündigung“) und verwies auf einen Bericht auf Seite 26. Ein paar Tage zuvor hatte das Blatt ihm noch die Titelseite richtig gegönnt – um sich über ihn lustig zu machen. „TRUMPTY DUMPTY“ hieß es über einer Karikatur von Trump: eine Anspielung auf die Kinderreimfigur Humpty Dumpty, die, wie es im Gedicht heißt, „einen großen Absturz hatte“. Der Reim der Post: „Don (der keine große Mauer bauen konnte) hatte einen großen Absturz – können alle Männer der GOP die Partei wieder zusammenführen?“
Maggie Haberman, New-York-Times-Journalistin und die führende Chronistin der Trump-Präsidentschaft, sagte im Podcast Pro Politics in Bezug auf Trump und Fox News bereits vor den Midterms: „Die Rahmenbedingungen haben sich verändert.“
Trump wiederum soll, so berichten es mehrere US-Medien, nicht glücklich sein, dass er auf dem Sender, der früher im Weißen Haus permanent lief und es zuletzt angeblich auch noch in seinem Anwesen und gleichzeitiger Wahlkampfzentrale Mar-a-Lago tat, nicht mehr stattfindet wie gewohnt. Öffentlich kritisiert Trump über seine Plattform Truth Social Murdoch wie gewohnt in Versalien. Murdoch solle das Nachrichtengeschäft lieber sein lassen, wenn er „FAKE NEWS“ verbreite und habe sich ohnehin mit den „RINOs“ verbündet, den „Republican in name only„. All jenen Republikanern also, die die Lügen von Trump nicht gänzlich bedingungslos mittragen.
OK, America? – Klaus Brinkbäumer und Rieke Havertz erklären die USA
Die Fox-News-Lüge
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„Bullshit“ sei es und darüber hinaus „schädlich“. Das sind die Worte von Rupert Murdoch und sie beziehen sich auf Donald Trump und seine Lüge von der gestohlenen Präsidentschaftswahl 2020. Murdoch, Medienunternehmer und Besitzer unter anderem von Fox News, hätte man diese Aussagen nicht unbedingt zugetraut. Denn Fox News ist der Nachrichtensender in den Vereinigten Staaten, der Trumps Weigerung, die rechtmäßige Wahl von Joe Biden anzuerkennen, hundertfach wiederholt und damit Quote gemacht hat und das auch mehr als zwei Jahre nach der Wahl immer noch tut.
Dass die Aussagen von Murdoch über seinen eigenen Sender nun öffentlich geworden sind, liegt an einer Schadensersatzklage, die ein Hersteller von Wahlcomputern angestrengt hat. Die Gerichtsdokumente geben Aufschluss über das Innenleben eines Senders, der schon lange nicht mehr mit handwerklichem Journalismus, sondern mit konservativer Meinungsmache verbunden wird. Worum es in dem Gerichtsverfahren geht, wie intern bei Fox News kommuniziert wird, warum der Sender in den USA immer noch wichtig ist und was das über die Medienlandschaft des Landes aussagt, diskutieren wir im US-Podcast.
Außerdem: Der Supreme Court könnte die Pläne von US-Präsident Joe Biden, Millionen Menschen Studienschulden auf Bundesebene zu erlassen, zunichtemachen. Die Biden-Regierung will Bürgerinnen und Bürgern bis zu 10.000 Dollar erlassen, die weniger als 125.000 Dollar im Jahr verdienen. Für Hochschulabsolventen, die ihren Kredit aus einem speziellen Förderprogramm für Kinder aus einkommensschwachen Familien erhalten haben, sollen es 20.000 Dollar sein. Wir diskutieren, was es sowohl von konservativer als auch progressiver Seite für Kritik an dem Vorhaben gibt.
Und im get-out: der Basketballpodcast The Draymond Green Show und der Roman Lightyears (Lichtjahre) von James Salter
Der Podcast erscheint alle zwei Wochen donnerstags, die nächste Folge am 23. März.
Sie erreichen uns per Mail an okamerica@zeit.de.
Doch die Reichweite von Truth Social, wo Trump knapp fünf Millionen Follower und Followerinnen hat, reicht vielleicht in seine extreme Basis hinein, zu den echten Fans. Doch als großer Verteiler in alle konservativen Lager des Landes hinein, die Trump auch braucht, um nicht nur eine Nominierung, sondern im Zweifel auch eine Präsidentschaft zu gewinnen, taugt das nicht. Und das ahnt Trump offenkundig: In der Nacht zum Samstag kehrte er plötzlich auf Facebook zurück mit einem uralten Video aus der für ihn so gloriosen Wahlnacht 2016 („Sorry to keep you waiting, complicated business„) und dem selbstverständlich versal gebrüllten: „I’M BACK!“ Trump hat auf Facebook noch 34 Millionen Follower, obwohl sein Account dort am 7. Januar 2021 gesperrt wurde und seither zwangsweise brach lag; am 25. Januar diesen Jahres, vor knapp zwei Monaten, hatte Facebook die temporäre Sperre, die nach dem Sturm auf das Kapitol ausgesprochen wurde, wieder aufgehoben.
Auf Twitter, Trumps einst bevorzugter Social-Media-Plattform, die seinen dortigen Account nach dem 6. Januar 2021 ebenfalls eingefroren hatte, hat er noch 87 Millionen Follower; dorthin ist Trump bislang nicht zurückgekehrt, obwohl ihn der neue Twitter-Besitzer Elon Musk geradezu eingeladen hat. Doch ob Twitter nach der chaotischen Übernahme durch Musk überhaupt noch irgendeiner politischen Seite dienlich ist, ist offen, zu erratisch dreht Musk dort an den Algorithmen herum. Auch die Reichweiten von Bannons War Room, anderen konservativen bis reaktionären Podcasts und Radioshows oder auch den Nachrichtenkanälen Newsmax und OAN ersetzen noch nicht das, was Fox News immer noch darstellt.
Und so applaudierte Trump auf Truth Social dann doch auch wieder Tucker Carlson für dessen „Berichterstattung“ über die Überwachungsvideos vom Sturm aufs Kapitol. Mitarbeiter von Trump sollen, so wird berichtet, außerdem versuchen, über einzelne Moderatoren wie Carlson wieder Zugang zum Sender zu bekommen.
Die Sendezeit gehört gerade Ron DeSantis
Der wird jedoch gerade zu großen Teilen Trumps größtem Konkurrenten Ron DeSantis gewährt. Der Gouverneur von Florida, der im vergangenen Jahr mit fast 20 Prozentpunkten Vorsprung auf seinen Konkurrenten von den Demokraten im Amt wiedergewählt wurde, rangiert in der Hierarchie möglicher Präsidentschaftsbewerber der Republikaner weit oben, weil er Trump tatsächlich schlagen könnte. DeSantis kokettiert offen mit einer Kandidatur, er fährt nach Iowa – dem Bundesstaat, in dem traditionell die erste Vorwahl stattfindet –, er hat ein Buch über seine bisherige politische Karriere veröffentlicht und ist eine ähnlich symbiotische Beziehung mit Fox News eingegangen wie sein einstiger Förderer Trump.
Nun macht sich DeSantis wie einst Trump Murdochs Medienmacht zunutze. Auszüge aus DeSantis‘ Buch The Courage to be Free – eine einzige Bewerbungsschrift für höhere Ämter – wurden exklusiv in den Murdoch-Zeitungen New York Post und Wall Street Journal sowie auf Foxnews.com veröffentlicht. Und DeSantis, der den von ihm sogenannten und oft kritisierten „Mainstream-Medien“ eigentlich keine Interviews gibt, machte Anfang März für Murdochs Londoner The Times eine Ausnahme. Überschrift: „Ist dieser Mann der nächste US-Präsident?“ Ein paar Tage später wurde der exzellente Baseballspieler DeSantis für ein Porträt bei Fox News auch schon mal wieder zum Pitcher, der dem Moderator ein paar Softballs zuwirft – im Gegenzug für ebensolche softball questions, wie unkritische Fragen im US-Journalismus genannt werden.
Im Unterschied zum wenig planvollen, dafür umso offenkundig ruhmsüchtigeren Trump, der überall Öffentlichkeit sucht, wenn sie sich ihm anbietet, hat DeSantis seine Beziehung zu Murdoch-Medien strategisch lange aufgebaut. So berichtete die Tampa Bay Times im Jahr 2021 bereits, dass DeSantis dem Sender eine positive Impfkampagnengeschichte geradezu gescriptet hat. Die Inhalte kamen von DeSantis, Fox News musste nur noch die Kameras mitbringen – andere Medien waren etwa bei der öffentlichkeitswirksamen Impfung eines 100-jährigen Veteranen nicht zugelassen.
Lob für Tucker Carlson
Rupert Murdoch selbst wiederum setzt im beginnenden innerrepublikanischen Wahlkampf offensichtlich auf den bislang skandalfreien, rhetorisch etwas gefälligeren, inhaltlich aber ebenso ideologisch antiwoken DeSantis – und nicht länger auf Trump. Laut der liberalen Medienkritik-Website Media Matters wurde DeSantis bei Fox News in der zweiten Märzwoche das erste Mal in diesem Jahr häufiger erwähnt als Trump. Ganze 177-mal.
Doch Trump derart offensiv fallenzulassen und DeSantis den Vortritt zu geben, ist für Fox News in einem noch völlig offenen Rennen bei den Republikanern über den nächsten Präsidentschaftskandidaten nicht ohne Risiko. DeSantis hat seine Kandidatur ja noch nicht einmal verkündet, und im parteiintern geschlossenen System der Vorwahlen hat Trumps extrem loyale Basis, die verlässlich für ihn stimmen wird, mehr Gewicht als bei der eigentlichen Präsidentschaftswahl.
Hält sich Trump also in den kommenden Monaten als einer der Favoriten bei den Konservativen und taucht bei Fox News nicht mehr auf, könnte das der Quote bei Fox News wieder schaden, so wie direkt nach der Wahl 2020, als die faktentreue Berichterstattung über die Wahlergebnisse Zuschauer kostete. „Wenn sie zu sehr zur Zielscheibe von Trumps Leuten werden und es Folgen für die Einschaltquote hat, wird das die Entschlossenheit des Senders auf die Probe stellen“, sagte ein Ex-Redakteur von Fox News der Washington Post. Ron DeSantis wiederum muss noch zeigen, wie verlässlich lukrativ sein Name für Murdoch ist.
Trumps fast zweistündige Rede während der CPAC Anfang März, dort, wo Steven Bannon Fox News den Kampf ansagte, übertrug der Sender dann auch wieder live – und in voller Länge. Trump bedankte sich, indem er Stars wie Carlson und Sean Hannity lobte. Anwesend war von denen bei der Konferenz allerdings niemand.
Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 hat sich Fox News schnell für seinen Kandidaten entschieden und den Wahlsieger der US-Präsidentschaftswahl geradezu gemacht, Donald Trump. Er bot die größte Show, er garantierte Quoten, also sendete ihn Fox News rund um die Uhr. Beide Seiten gewannen. Anderthalb Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl scheint sich der Sender nicht mehr so sicher zu sein. Trotz DeSantis‘ Präsenz hält sich der Sender alle Optionen offen, denn noch ist völlig unklar, ob Floridas Gouverneur Trump die Show stehlen kann oder der Ex-Präsident noch einmal ein Comeback schafft. Ebenso offen ist, wie sehr der Ausgang der Verleumdungsklage Fox News in den eigenen konservativen Kreisen schaden könnte. Und so könnte sich der Sender auch um der eigenen Macht willen kalkuliert an denjenigen hängen, der irgendwann wie ein sicherer Sieger aussehen könnte.