Fotograf gegen Bild-KI: LAION siegt im Urheberstreit
Die Künstliche Intelligenz (KI) hat Hunger – der mit Daten gestillt werden muss. Während Plattformbetreiber eine erforderliche Einwilligung zur Datenverarbeitung häufig unbemerkt im Wege ihrer Nutzungsbedingungen von Kunden einholen, ist die rechtliche Lage für Texter, Grafiker oder Fotografen nicht ganz so einfach zu lösen. Viele Beschäftigte der Kreativbranche und auch Tech-Konzerne blickten daher am Freitag nach Hamburg.
Dort hat am Freitag erstmals ein deutsches Gericht eine Entscheidung zur Nutzung von fremdem, geistigem Eigentum zu KI-Trainingszwecken verkündet. Die Verarbeitung und Vervielfältigung sei nach dem Urhebergesetz (UrhG) zulässig, wenn das Text- und Data-Mining zu wissenschaftlichen Forschungszwecken erfolge, entschied die zehnte Zivilkammer des Landgerichts Hamburg (Az. 310 O 227/23).
Fotograf verklagt Datensammler
In dem Rechtsstreit verklagte der Fotograf Robert Kneschke den gemeinnützigen Verein LAION. Dieser sammelt im Internet Datensätze, um sie Unternehmen zum KI-Modelltraining zur Verfügung zu stellen. Was unter den Parteien unstrittig ist: In den rund sechs Milliarden Bild-Text-Paaren findet sich auch ein Bild von Kneschke, der Fotograf fordert die Unterlassung von LAION .
In der Verhandlung im Juli berief sich die Klägerseite darauf, dass sich LAION bei der für das KI-Training erforderliche Vervielfältigen der Bilddateien nicht auf eine der beiden im deutschen Urhebergesetz – die Paragraphen 44b und 60d – vorgesehenen Ausnahmen („Schranken“) zur Nutzung berufen darf.
Während es in der ersten Norm etwa um das maschinelle „Auslesen“ von frei zugänglichen Daten geht, steht im Paragraph 60d der Betreiber im Vordergrund: das Gesetz ermöglicht gerade Forschungsinstituten das Text und Data-Mining. Auf diese Norm hatte sich LAION in der mündlichen Verhandlung vor der zehnten Zivilkammer bezogen. Dagegen wandte der Kläger ein, dass LAION mit privatwirtschaftlichen KI-Unternehmen wie etwa Stability AI kooperiere, also gerade keine wissenschaftliche Forschungseinrichtung sein könne.
Die Zivilrichter in Hamburg ließen sich jedoch nicht von dem Argument des Fotografen überzeugen. Kneschke habe keine Beweise für eine gewisse Einflussnahme eines kommerziellen KI-Unternehmens auf LAION vorgelegt, hieß es in ihrer Urteilsbegründung. Damit sei es ihm nicht gelungen, einen Gegenbeweis zur Erlaubnis nach Paragraph 60d UrhG vorzulegen. Damit musste sich das Gericht nicht mehr mit der weiteren Schranke im Urhebergesetz beschäftigen.
Stand der KI-Technik
Dennoch teilte die Kamme ihre Auffassung mit: ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Vorbehalt als „maschinenlesbar“ bewertet werden kann, sei von der technischen Entwicklung zum jeweiligen Nutzungszeitpunkt zu beurteilen. Das Gericht sah einen Wertungswiderspruch darin, den Anbietern von KI-Modellen einerseits über die Schranke des Text und Data-Mining die Entwicklung immer leistungsfähigerer Modelle zu ermöglichen, ihnen aber andererseits zur Prüfung etwaiger Vorbehalte nicht auch die Anwendung schon bestehender KI-Modelle abzuverlangen.
Unterstützung hingegen fand Kläger Kneschke in einer vor wenigen Wochen veröffentlichten Studie im Auftrag der Initiative Urheberrecht. In ihrer interdisziplinären Analyse kommen Informatiker und Rechtswissenschaftler zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Verwendung von fremden Texten, Bildern und Musikaufnahmen zu KI-Trainingszwecken nicht um ein urheberrechtlich zulässiges Text- und Data-Mining handelt.
„Es handelt sich um eine Urheberrechtsverletzung“, sagte Ko-Gutachter Tim Dornis bei der Vorstellung der Studie. Eine gültige Schranke nach dem deutschen und europäischem Urheberrecht ist für Dornis, der als Rechtsprofessor an der Universität Hannover lehrt, nicht in Sicht. Aufgrund der großen Bedeutung des Falls für die gesamte Kreativbranche ist eine Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht sehr wahrscheinlich.