Fotogalerie: Deutschlands bester Neubau steht an dieser rauen Hermannstraße

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Deutschlands bester Neubau steht an der rauen Hermannstraße






Die Jury des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt hat ihre Wahl getroffen und die aus ihrer Sicht gelungensten Neubauten des Jahres gekürt. 

Das Gewinner-Projekt des diesjährigen DAM-Preises, der alljährlich Deutschlands bestes Bauwerk prämiert, besticht schon durch seinen idealistischen Anspruch. Das Spore-Haus steht im bundesweit als sozialer Brennpunkt bekannten Multikulti-Stadtteil Berlin-Neukölln und setzt dort neue Akzente. Hier geht es um Integration und biokulturelle Vielfalt. Das Projekt bildet ein Ensemble mit dem benachbarten Stiftungshaus „Publix“, das gemeinnützigen Journalismus unterstützt.

Auditorium des Spore-Hauses

Auditorium des Spore-Hauses in Berlin-Neukölln der AFF Architekten

© Hans-Christian Schink/DAM

Direkt an der rauen Hermannstraße neben einem berüchtigten Drogen-Park und einem alten Friedhof gelegen, will der freundliche Klinkerbau des Büros AFF Architekten den diversen Bewohnern des Viertels ein neuer Kultur- und Begegnungsort sein. Finanziert wurde das Projekt von der gemeinnützigen Schöpflin-Stiftung, die über ein jährliches Stiftungsbudget von zwölf Millionen Euro verfügt. 

Der Kulturbau sei auch sein persönlicher Favorit gewesen, sagt Peter Cachola Schmal, der das Deutsche Architekturmuseum seit 2006 als Direktor leitet. „Wir treffen unsere Vorauswahl anhand von Architekturbildern, der persönliche Lokalaugenschein unterscheidet sich oft wesentlich davon“, so Schmal. „Das Spore-Haus hat dabei besonders überzeugt, nicht nur aufgrund seiner hohen architektonischen Qualität, sondern auch der städtebaulichen Einbindung.“ Außergewöhnlich sei auch der Bauherr, „dass ein privates Kulturprojekt eine so beeindruckende Architektur hervorbringt, ist nicht alltäglich“. Bei der Besichtigung des Gebäudes, das als Kulturzentrum bereits in Betrieb ist, zeigte sich Schmal auch von der Innengestaltung begeistert, wo „ein Kurator südamerikanische Möbel aus den 60ern und 70ern ausgesucht hat und eine wunderbare Stimmung erzeugt“.

Seit 2007 werden jährlich vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) herausragende Bauten mit dem DAM-Preis für Architektur in Deutschland ausgezeichnet. Dem geht eine intensive Recherche voraus, Vorschläge der Architektenkammern und regionaler Experten werden einbezogen und schließlich 100 bemerkenswerte Gebäude oder Ensembles der Expertenjury vorgelegt. Diese wählt 23 davon auf eine Shortlist. Nach intensiven Debatten und Beratungen gelangen einige Herausragende schließlich in die Finalrunde. 

Das "Clusterwohnen Wabenhaus" von Architekt Peter Haimerl

Ein ganz besonderes Highlight des diesjährigen Preises des deutschen Architekturmuseums: Das „Clusterwohnen Wabenhaus“ von Architekt Peter Haimerl für die Münchner Wohnungsbaugenossenschaft Wogeno setzt Maßstäbe. Es setzt sich aus sechseckigen, vertikal aufeinander gestapelten Röhren zusammen, die zu einem Cluster in Form eines großen Wabenstocks montiert sind. Die Wabenform vergrößert aufgrund spezieller Möbeleinbauten, mit denen auch die Schrägen bewohnt werden können, Nutzfläche wie Wohnraum

© Edward Beierle/DAM

Neben dem siegreichen Spore-Haus hat es ein aufsehenerregendes Wabenhaus für die Münchner Wohnungsbaugenossenschaft Wogeno in diese Riege geschafft. Es setzt sich aus sechseckigen, vertikal aufeinander gestapelten Röhren zusammen, die zu einem Cluster in Form eines großen Wabenstocks montiert sind. „Die Hexagonalstruktur erlaubt intelligente, räumliche Verschachtelungen“, heißt es in der Beschreibung der Jury. Architekt Peter Haimerl und sein Team wollten dem „traurigen urbanen Loop aus Einfallslosigkeit und Langeweile“, welcher in deutschen Neubaugebieten vorherrsche, Innovatives entgegensetzen. Das Wabencluster sei optimal für genossenschaftliches Leben, heißt es auf der Homepage des Architekten. „Es ist gemeinschaftlich, es ist sozial, es ist einbindend und öffnet sich zur Nachbarschaft.“

Auch die Rundumsanierung des Sophie-Scholl-Hauses in der Münchner Studentenstadt gelangte ins Finale. Das 1976 entstandene Bauwerk des Nachkriegsbrutalismus wurde vom Architekturbüro Bogevischs zeitgemäß neugestaltet. Ebenso der Ausbau einer ehemaligen Tuchfabrik in Finsterwalde. Das Architekturbüro Habermann hat unter dem Namen „Kulturweberei“ das denkmalgeschützte Ensemble zu einem Kunst-, Kultur- und Kongresszentrum ausgebaut, das dem Anspruch als Baudenkmal gerecht wird und es gleichzeitig zu einem komplexen Ensemble erweitert. 

Museumsdirektor Peter Cachola Schmal

Peter Cachola Schmal leitet als Direktor seit 2006 das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main

© Kirsten Bucher/Deutsches Architekturmuseum Frankfurt

Insgesamt stellt Peter Cachola Schmal der deutschen Architektenbranche ein äußerst positives Zeugnis aus. Der Durchschnitt sei von „hoher architektonischer Qualität“ – mit der Einschränkung, nur „wenig exzentrisch“ zu sein. Die meisten Wettbewerbe für Bauprojekte würden zwar in Süddeutschland ausgeschrieben, doch habe sich Berlin endgültig als Architektenmetropole etabliert. Auch der Nachwuchs gebe Anlass zur Hoffnung, so Schmal. In den vergangenen Jahren haben es stets auch junge Architekten unter die Finalisten geschafft, im Vorjahr gewann ein junges Architekten-Duo mit seinem Erstlingswerk den DAM-Preis.  

Hat Deutschland die Herausforderungen und immensen Chancen eigentlich genützt, die sich durch die Neugestaltung der wiedervereinigten Hauptstadt oder der Hamburger Hafencity ergaben? Peter Cachola Schmal ist jedenfalls davon überzeugt. „Es ist spannend, an Berlin die Baugeschichte der vergangenen Jahrzehnte ablesen zu können“, sagt er. Berlin würde sich zunehmend zu einer „ganz normalen Stadt entwickeln“, was bedeute, dass architektonische Experimente weniger würden. Die Bebauung des Münchner Werkviertels, „eines der spannendsten Neubaugebiete Deutschlands“, wie auch der Hamburger Hafencity sieht er als „wegweisend und Vorbild für andere Städte“.

Source: stern.de