Fortschritte sind zu klitzeklein: Experten beurteilen: Klimaziel gen welcher Kippe

E-Autos, Deutschlandticket, Solarenergie und Wärmepumpen: Es gibt viele Wege, etwas fürs Klima zu tun. Deutschland kommt in diesen Punkten voran, aber nicht schnell genug, sagen Experten. Die Klimaziele werden voraussichtlich verfehlt, wenn sich nicht bald etwas ändert.
Der Expertenrat für Klimafragen hält trotz Fortschritten das deutsche Klimaziel 2030 ohne zusätzliche Instrumente für kaum zu schaffen. Das Gutachten des Rats lässt „das Erreichen dieser Ziele ohne wesentliche Anpassungen in der Ausrichtung der Klimapolitik fraglich erscheinen“, heißt es in der Studie der unabhängigen Experten.
Zwar habe sich der Rückgang der Treibhausgasemissionen zuletzt beschleunigt und die jeweiligen Jahresziele wurden insgesamt erreicht. Allerdings müsste das Tempo ab 2025 für das Ziel dem Gremium zufolge um 50 Prozent zunehmen. Besonders Gebäude- und Verkehrssektor seien problematisch. Wälder und Moore produzieren zudem unterm Strich CO2, obwohl ihnen in den Planungen eigentlich ein positiver Effekt zukommen sollte.
Dem Expertenrat für Klimafragen kommt eine zentrale Rolle im deutschen Klimaschutzgesetz zu. Das Gremium muss in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob Deutschland sein völkerrechtlich verbindliches Ziel 2030 einhalten kann. Dies sieht eine Emissionsminderung gegenüber 1990 von 65 Prozent vor. Bereits im vergangenen Jahr wurde dies ohne Nachbesserungen als kaum erreichbar bezeichnet. Wird dies zwei Jahre in Folge attestiert, muss die Regierung nachsteuern.
Der nächste Bericht wäre erst nach der vorgezogenen Bundestagswahl fällig. Allerdings sieht das Klimagesetz ohnehin vor, dass jede neue Regierung innerhalb eines Jahres nach Antritt ein aktualisiertes Klimaschutzprogramm vorlegen muss. Das jetzt vorliegende Zwei-Jahres-Gutachten hat in erster Linie die Aufgabe, die Wirkung bisheriger Entwicklungen und Instrumente zu überprüfen und auch Wirtschaftlichkeit und soziale Folgen unter die Lupe zu nehmen.
Deutschland drohen hohe Kosten
Die fünf Experten erkennen an, dass es zuletzt Fortschritte gegeben hat: „Der Trend des Rückgangs der Treibhausgasemissionen von 2014 bis 2023 hat sich im Vergleich zur Dekade 2010 bis 2019 beschleunigt.“ Dies gilt vor allem für den Energiesektor und teils auch für die Industrie. Bei letzterer wirkten aber die Energiekrise und die Wirtschaftsflaute. Es sei unklar, ob dies dauerhaft sei.
Bei Gebäuden und Verkehr sind die Aussicht dagegen düster: Es werden noch zu viele Verbrenner-Autos zugelassen, die auch in vielen Jahren noch auf der Straße sein würden. Die Wirkung des Deutschlandtickets im Nahverkehr ist noch nicht zu beziffern. Zudem werden in Deutschland zu wenig Wärmepumpen eingebaut, sodass auch hier fossile Energie eine zu große Rolle einnehme. Die CO2-Abgabe auf Gas, Heizöl oder Sprit, die in den nächsten Jahren steigen wird, könne allein nicht ausreichend sein, schreiben die Experten.
Deutschland drohen so Milliarden-Zahlungen, da die Sektoren Gebäude und Verkehr eigene Jahresziele haben, die die EU kontrolliert. Werden hier in den nächsten Jahren weiter Vorgaben verfehlt, muss Deutschland CO2-Verschmutzungsrechte von anderen Staaten kaufen.
Vor allem Wohlhabende profitieren von Förderung
Von Fördermaßnahmen für mehr Klimaschutz profitieren dem Gremium zufolge eher wohlhabendere Haushalte. Privathaushalte seien vor allem in den Bereichen Gebäude und Verkehr von finanziellen Auswirkungen betroffen, erklärte die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf: „Zudem weisen einige Maßnahmen ein soziales Ungleichgewicht auf, so wurden bisher primär einkommensstarke Haushalte gefördert.“
Diese negativen Verteilungswirkungen könnten durch den steigenden CO2-Preis, der Heizen und Tanken mit fossilen Brennstoffen teurer macht, verstärkt werden, so Knopf. „Daher sind zusätzliche Unterstützungs- und Kompensationsmaßnahmen erforderlich.“
Künftig sollten soziale Auswirkungen bei der Gestaltung klimapolitischer Maßnahmen stärker einbezogen werden, empfiehlt der Rat. Er legt der Bundesregierung auch eine bessere Planung der Ausgaben für den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nahe und eine Koordination der Maßnahmen unterschiedlicher Ministerien aus dem Kanzleramt.
Source: n-tv.de