Fördermittel-Vergabe in Berlin: Ex-Kultursenator Chialo in jener Kritik

Archivbild: Joe Chialo, Kultursenator, beantwortet am 08.12.2024 Fragen von Demonstranten, die sich vor der Schaubühne in Berlin versammelt haben, um gegen die von der Regierung vorgeschlagenen drastischen Mittelkürzungen zu demonstrieren. (Quelle: Picture Alliance / Eventpress Jeremy Knowles)

Stand: 05.11.2025 18:35 Uhr

Hat Ex-Kultursenator Chialo Fördergelder in Berlin ohne ausreichende Prüfung und gegen den Rat der Verwaltung vergeben? Grüne und Linke fordern einen Untersuchungsauschuss.

  • Grüne und Linke werfen Ex-Kultursenator Joe Chialo vor, mehrere Millionen Euro Fördergeld nach unklaren Kriterien vergeben zu haben
  • Chialo kann laut Anwalt die Vorwürfe erst nach eigener Akteneinsicht prüfen und sich dann äußern
  • Oppositionsparteien wollen Untersuchungsausschuss

Nach Vorwürfen gegen den früheren Berliner Kultursenator Joe Chialo (CDU) wollen die Fraktionen der Grünen und Linken im Abgeordnetenhaus einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einrichten. Das haben sie am Mittwoch auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärt.
 
Dabei äußerten die Parteien den Verdacht, dass bei der Vergabe von Fördergeldern für Projekte zur Bekämpfung von Antisemitismus gegen Einwände der Fachebene der Verwaltung agiert wurde. Zuvor sollen sich CDU-Fraktionsmitglieder an Chialo gewendet und eine schnelle Vergabe gefordert haben. Vorwürfe richten sich auch gegen die amtierende Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson. Die AfD-Fraktion hatte bereits am Dienstag einen Untersuchungsausschuss gefordert. Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ [Bezahlinhalt] darüber berichtet.

Der frühere Kultursenator Chialo teilte über seine Anwaltskanzlei Schertz-Bergmann mit, er nehme die Berichterstattung ernst. Er könne die Vorwürfe aber erst nach eigener Akteneinsicht prüfen und sich dann hierzu äußern. Die Einsicht habe er umgehend beantragt.
 
Am Mittwochabend äußerte sich die Sprecherin von Berlins Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson auf rbb-Anfrage zu einem der Vorwürfe gegen sie. Die Sprecherin bestätigte, dass die Senatskulturverwaltung auf Anweisung der Senatorin in Einzelfällen bei kleineren Projektträgern auf den Nachweis des Eigenanteils von zehn Prozent verzichtet habe.

Konkret geht es insgesamt um 3,4 Millionen Euro Fördergeld aus einem Topf der Kulturverwaltung namens „Projekte von besonderer politischer Bedeutung“. Dieser Topf ist ein Teil der insgesamt 10 Millionen Euro umfassenden Gesamtförderung von Projekten gegen Antisemitismus im Jahr 2025. Gefördert wurde beispielsweise die aktuelle Nova Exhibition in Tempelhof, eine Ausstellung über das Nova Musik Festival, das am 7. Oktober 2023 von Hamas-Terroristen angegriffen wurde.

Grüne konnten Akten einsehen

Grüne und Linke werfen Ex-Kultursenator Joe Chialo vor, mehrere Millionen Euro nach unklaren Kriterien und auf Wunsch einiger Vertreter der CDU-Fraktion vergeben zu haben. Daniel Wesener, früherer Finanzsenator der Grünen, konnte dazu Akten der Kulturverwaltung einsehen – unter anderem Kommunikation zwischen kritischer Fachebene und Hausleitung. „Es gab eine ganze Reihe von Interventionen – schriftlich, telefonisch, sowie mündlich –, die sind in den Akten dokumentiert“, so Wesener. Nach seiner Bewertung wurde gegen Haushaltsrecht verstoßen.
 
Bettina Jarasch, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, bezeichnete einen Untersuchungsausschuss in der Sache als „unumgänglich“. Zusammen kommen Grüne und Linke auf die nötigen 25 Prozent der Abgeordneten, um die Einrichtung einen solchen Ausschusses durchzusetzen.

Linke will Vorwürfe politisch aufklären

Auch der Co-Fraktionschef der Linken, Tobias Schulze, nannte die Vorwürfe „so schwerwiegend, dass sie dringend politisch aufgeklärt gehören“. Der Ausschuss soll nach dem Willen von Grünen und Linken klären, ob bei der Vergabe der Fördergelder das Haushaltsrecht missachtet wurde. Anne Helm, Co-Vorsitzende der Linksfraktion, betonte, dass bei der Vergabe von Fördergeldern nicht an geltenden Strukturen vorbei gehandelt werden dürfe.
 
Wie künftig mit den Fördergeldern für die bewilligten Projekte verfahren wird, solle ebenfalls Gegenstand des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sein. Sowohl Grüne als auch Linke betonten, dass es ihnen nicht um die inhaltliche Ausrichtung der Projekte gehe, sondern um die Vergabe der Fördergelder.

CDU und Kultursenat weisen Vorwürfe zurück

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und die Senatskulturverwaltung haben die Vorwürfe zurückgewiesen. Stettner sprach gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von einem parteipolitischen Wahlkampfthema. „Mutmaßungen, Unterstellungen und Vorwürfe sind völlig unangebracht und entbehren jeder Grundlage“, so Stettner.
 
Die Kulturverwaltung hatte gegenüber dem rbb am Dienstagabend erklärt, sie nehme „die Berichterstattung zu den zurückliegenden Vorgängen ernst“. Und sie kündigte an: „Um eine vollständige Aufklärung sicherzustellen, wird die Senatsverwaltung den Landesrechnungshof um eine Prüfung der betreffenden Sachverhalte bitten.“
 
Das allerdings ist nicht mehr nötig. Auf rbb-Anfrage teilte der Landesrechnungshof am Mittwoch mit: „Der Rechnungshof hat schon vor einigen Wochen ein Auskunftsersuchen zur Förderung verschiedener Projekte an die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gesendet. Zudem prüft der Rechnungshof zurzeit Zuwendungen und Verwendungsnachweise der Senatsverwaltung. Die vom Tagesspiegel berichteten Vorgänge waren dem Rechnungshof noch nicht vollständig bekannt. Der Rechnungshof wird in dem Bereich prüfen.“
 
Grüne und Linke wollen den Untersuchungsausschuss schnellstmöglich einsetzen und hoffen auf Ergebnisse noch vor der Sommerpause und damit vor der Abgeordnetenhauswahl im September 2026.

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.11.2025, 14:40 Uhr

Source: tagesschau.de