Finanzinvestoren sehen zarte Anzeichen jener Erholung

Nach schwierigen Jahren machen Fachleute leichten Aufwind für die Private-Equity-Branche aus. Zwei Analysen der Beratungsgesellschaften PWC und EY, die der F.A.Z. vorab vorliegen, sehen die Branche auf Erholungskurs, in Europa und auch in Deutschland allein. Die Bestandsfonds der Beteiligungsgesellschaften sitzen weiterhin auf hohen Mitteln, die anzulegen sind. Andererseits sind die Werbetourneen für neue Fonds schwieriger geworden. Wenn sich Private-Equity-Manager, Investmentbanker und Anwälte zuversichtlich in ihrem Ausblick zeigen, dann begründen sie das mit steigendem Transaktionsdruck, der sich aus der Natur des Geschäftsmodells ergibt – und mit Impulsen aus der Politik.
Finanzinvestoren werben von Anlegern Geldzusagen ein, bündeln sie in Fonds mit einer Laufzeit von typischerweise zehn bis zwölf Jahren – und rufen eine Tranche ab, sobald sich eine Übernahmechance bietet. Sie versuchen, den Wert der erworbenen Unternehmen zu steigern, zum Beispiel indem sie Zukäufe tätigen, das Geschäft internationalisieren oder schlicht Kosten senken. Nach einigen Jahren verkaufen sie die Unternehmen weiter. Private Equity (PE) trägt inzwischen in der Regel zwischen einem Viertel und einem Drittel zum Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A) auf der Welt bei. Ein lukratives Geschäft auch für Berater: So strichen Investmentbanken dieses Jahr bisherig global 3,5 Milliarden Dollar mit PE-Transaktionen ein, wie der Statistikdienstleister Dealogic vorrechnet.
Transaktionen werden komplexer
Normalerweise finanzieren die PE-Häuser ihre Übernahmen zu einem beträchtlichen Teil mit Krediten. Doch die verteuerten sich von 2022 an abrupt. Das hat die Übernahmeaktivität lange beeinträchtigt. Inzwischen hat sich die Zinslage zumindest stabilisiert. „Die europäische Private-Equity-Branche ist auf Erholungskurs“, konstatiert PWC in seiner noch unveröffentlichten neuen Analyse. Die Beratungsgesellschaft zählt für das vergangene Jahr 3975 PE-Deals in Europa und damit gut drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das addierte Transaktionsvolumen stieg um knapp ein Viertel auf 342 Milliarden Euro. Hauptgründe nach Ansicht der Autoren: „die wieder niedrigeren Zinssätze und die sinkende Inflation“. Im deutschsprachigen Raum zog das Volumen marginal auf 57 Milliarden Euro an, bei allerdings sechs Prozent weniger Transaktionen. Insgesamt waren es der Analyse zufolge 549. EY zählt für Deutschland allein 189 Investitionen, zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Der Branchenverband BVK sieht die Übernahmelandschaft generell als immer noch schwierig an. Die Konjunktur, die Geopolitik, Finanzierungsbedingungen: Alles belaste die Geschäftsaussichten vieler Branchen und die Planbarkeit der Unternehmen. „Dementsprechend werden M&A-Transaktionen komplexer und langwieriger“, urteilt Ingo Krocke, BVK-Vorstandssprecher und hauptberuflich Leiter des Beteiligungshauses Auctus Capital. „Und auch die Preisfindung zwischen Käufer und Verkäufer wird erschwert.“ Zinssenkungen dürften nun aber die Aktivität begünstigen, prognostiziert BVK-Geschäftsführerin Ulrike Hinrichs.
Neue Gelder? Schwierig
Während die Dealaktivität etwas an Dynamik gewinnt, bleibt es schwierig, neue Gelder einzusammeln. 1,1 Billionen Dollar erhielt die Branche nach Berechnung der Beratungsgesellschaft Bain im vergangenen Jahr, knapp ein Viertel weniger als im Vorjahr. Die Lage variiert von Investor zu Investor – abhängig vom Erfolgsnachweis in der Vergangenheit und von den Branchen, auf die er sich spezialisiert. Technologie hat sich in den vergangenen Jahren beispielsweise als Treiber von Transaktionen erwiesen. „Wir sehen das erste Mal, dass Investoren größere Schwierigkeiten haben, Fonds aufzulegen“, beobachtet Holger Knittel, Geschäftsführer (Managing Director) bei der Investmentbank Citi. „Das heißt, es findet eine stärkere Differenzierung zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Finanzinvestoren statt.“
Egal wie das Umfeld sich entwickelt: Die Transaktionsdichte muss nach Einschätzung von Fachleuten aus der Natur des Geschäftsmodells heraus wachsen. „Das Thema Investitionsdruck ist ein Riesenthema“, sagt Knittel. Dieser Druck kommt von zwei Seiten: zum einen von der enormen Summe an Geldzusagen, welche die Beteiligungshäuser für Zukäufe in neue Unternehmen abrufen müssen. Die Anwaltskanzlei Dechert beziffert dieses „Trockenpulver“ in einem neuen Branchenbericht global auf 2,6 Billionen Dollar, die Beratungsgesellschaft McKinsey kalkuliert mit 2,1 Billionen Dollar.
Unternehmen im Bestand altern
Zum anderen haben PE-Häuser in vielen Fällen den längst fälligen Verkauf von Unternehmen („Assets“) hinausgezögert. Sie säßen nun „auf großen Portfolios von unrealisierten Assets“, sagt Knittel. Die Bank Lazard illustriert, wie sich die Haltedauer verlängert hat: In den vergangenen zehn Jahren habe das Durchschnittsalter der Portfolios von PE-Gesellschaften in Europa meist fünf bis fünfeinhalb Jahre betragen, sagt Marcus Schenck, Ko-Leiter des deutschsprachigen Geschäfts. Stand heute liege man „knapp über sieben“.
Nicht nur das Marktumfeld spielt dabei eine Rolle, sondern auch ein systemimmanentes Problem. Private Equity hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten viele Unternehmen untereinander weitergereicht. Das wird jetzt schwieriger. Denn je öfter ein Unternehmen weiterverkauft werde, desto mehr sei die Frage zu hören, wie es noch weiterzuentwickeln sei, sagt Schenck. Auch der Ausweg über die Börse ist schwieriger geworden. Investoren erwarten seit geraumer Zeit ungewöhnlich hohe Rabatte bei Börsengängen. „Die Discounts sind immer noch überdurchschnittlich hoch“, sagt Christian Kames, Lazards zweiter Ko-Leiter des deutschsprachigen Geschäfts.
Ein Deal muss her, so oder so
Doch irgendwann wird der Verkauf unumgänglich, weil die Geldgeber der zumeist laufzeitgebundenen Fonds Auszahlungen fordern. Auf der anderen Seite – der Käuferseite – türmt sich das „Trockenpulver“, das Übernahmen erzwingt. Auf beide Faktoren weist im F.A.Z.-Gespräch auch Nino Tronchetti Provera, Gründer und geschäftsführender Partner der italienischen Beteiligungsgesellschaft Ambienta hin, der in Deutschland seit 2015 präsent ist. „Die deutsche Deal-Tätigkeit ist auf einem Tiefpunkt – ich glaube, es kann nur besser werden“, sagte der Beteiligungsmanager.
Hoffnungen ziehen im PE-Geschäft tätige Fachleute aus der Politik. Die bisherige Regierung habe sich teilweise selbst blockiert, sagt Dominik Stühler, Ko-Leiter des PE-Geschäfts der Kanzlei Dechert. „Die Erwartung ist, dass die neue Regierung hoffentlich die Erstarrung aufbricht.“ Das könne das Wachstum, die Unternehmensgewinne und in der Folge die Bewertungen fördern. „Also werden wir mehr Deals in Deutschland sehen.“
Jetzt kommen noch die vielen staatlichen Milliarden hinzu, welche die absehbare neue Koalition über das Land verteilen wird. „Der deutsche Infrastrukturfonds könnte Unternehmen, die sich große Bau- oder Infrastrukturprojekte sichern, für Finanz- oder strategische Investoren attraktiver machen und so indirekt die M&A-Aktivität in den kommenden Jahren vorantreiben“, vermutet Kristina Klaaßen-Kaiser, die in der Kanzlei Linklaters das europäische M&A-Unternehmensgeschäft führt. Laut der Erhebung von PWC sehen Investoren Probleme des Standorts. Der Anteil, der die größte EU-Volkswirtschaft als Investitionsziel attraktiv oder sehr attraktiv bewerte, sei 2024 auf 54 Prozent gesunken, von 58 Prozent im Vorjahr. Das Land behält aber die Bedeutung für die Branche, wie Steve Roberts sagt, der PWCs PE-Geschäft in Europa leitet. „Deutschland bleibt für PE-Investoren ein interessanter Markt – auch auf lange Sicht.“
Source: faz.net