Fettabsaugungen und geschenkte Uniabschlüsse: So lassen sich Politiker weltweit schmieren
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Wie viel Einfluss haben Business-Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.
In unserer mehrteiligen Serie „Regiert uns die Wirtschaft?“ schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?
Die Familie Alcmaeonid hat große Ambitionen: Nichts Geringeres als die Herrschaft über Athen will sie erringen. Um das Ziel zu erreichen, bieten sie dem Orakel von Delphi den Bau eines neuen Tempels aus feinstem parischem Marmor an. Das Orakel solle im Gegenzug nur bitte bei den Spartanern für die Unterstützung der Alcmaeoniden im Kampf um Athen lobbyieren.
Der Fall aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus zeigt: Dass Macht korrumpiert, ist nichts Neues. Doch genauso lange wie es korrupte Politiker:innen gibt, gibt es den Kampf gegen die Korruption — schon im antiken Ägypten war sie gesetzlich verboten. Heute werden weltweit ganz verschiedene Ansätze gewählt, um Korruption zu verhindern und Lobbyismus zu regulieren. Wobei man sich erst einmal klarmachen muss, wo der Unterschied liegt.
„Sobald Lobbyisten Spenden oder andere Geschenke mitbringen, ist Lobbyismus im Grunde eine Form der legalisierten Korruption. Lobbyisten nutzen eine Vielzahl an Mitteln, um Amtsträger davon zu überzeugen, in ihrem Interesse zu handeln. Das ist legitim, solang es lediglich um die Bereitstellung von Informationen geht“, erklärt Jorge Valladares, Leiter für politische Integrität bei der Nichtregierungsorganisation Transparency International, die sich gegen Korruption und für Lobbyismusregulierung einsetzt.
Die Grenze zu illegitimem Lobbyismus wird für Transparency nicht erst überschritten, wenn die Lobbyist:innen zur Bestechung greifen. „Der Lackmustest ist ein gleichberechtigter Zugang. Wenn private Unternehmen mehr Möglichkeiten haben, ihre Meinung und Daten an Politiker weiterzugeben, die über Gesetze entscheiden, als die Zivilgesellschaft, NGOs und andere Akteure, gibt es bereits ein Problem: Es verzerrt die Entscheidungsfindung“, sagt Valladares.
Um das zu prüfen, braucht es freilich Transparenz. Doch Lobbyregister wie das 2022 in Deutschland eingeführte gibt es nur in einer Minderheit der Länder. „Es gibt nur sehr wenige Länder mit Lobbyismusgesetzen, ich schätze, nur etwa ein Fünftel der Länder hat ein entsprechendes Gesetz“, so Valladares. Einige Beispiele, wie weltweit mit Korruption und Lobbyismus umgegangen wird, hat der Freitag gesammelt.
Peru: Tausche Einfluss gegen Fettabsaugung
Einen besonders fetten Lobbyskandal produzierte die peruanische Unternehmerin Karelim López: Um Martín Vizcarra, den peruanischen Präsidenten von 2016 bis 2018 zu treffen, soll sie seiner Sekretärin Karem Roca erst ein iPhone gekauft und dann eine Fettabsaugung bezahlt haben. Daraufhin arrangierte die Sekretärin 2018 tatsächlich ein Treffen zwischen Präsident und Unternehmerin.
Sicherlich ist das ein besonders absurdes Beispiel, aber es gilt: Lobbyismus und blanke Korruption bis in die höchsten politischen Kreise sind in Peru eher die Regel als die Ausnahme. Besonders die Erdöl- und Bergbaubranchen üben massiven Einfluss auf die peruanische Politik aus. Einem Bericht des peruanischen Gesundheitsministeriums zufolge sind über ein Drittel der Peruaner:innen durch die Aktivitäten dieser Sektoren mit giftigen Schwermetallen kontaminiert — wirklich fühlbare Konsequenzen werden daraus keine gezogen.
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Zwar verpflichtet ein seit 2003 geltendes Lobbygesetz jede öffentliche Einrichtung, Besuche zu protokollieren. Doch das Gesetz ist ein Papiertiger: Es gibt keine zentrale Stelle, die für die Überwachung der Transparenz und die Untersuchung von Verstößen gegen Lobbyvorschriften zuständig ist. 2017 wurde bekannt, dass der brasilianische Baukonzern Odebrecht jeden einzelnen seit dem Jahr 2000 demokratisch gewählten Präsidenten bestochen hatte, und auch alle seitdem amtierenden Präsident:innen gerieten früher oder später unter Korruptionsverdacht.
„Kein Lobbyismusgesetz funktioniert ohne ordentliche Durchsetzung, und genau das ist das Problem in Peru. Dazu kommt noch, dass der Begriff Lobbyismus so stigmatisiert ist, dass Unternehmen und Politiker sehr zögern, ihre Lobbyarbeit offenzulegen“, sagt Valladares. Kein Wunder, dass der Palacio de Justicia, Sitz des höchsten peruanischen Gerichts in Lima, im Volksmund auch Palacio de Injusticia genannt wird.
Chile: Selbst Whatsapp-Lobbyismus wird transparent gemacht
Genau 237 Mal trafen sich Hersteller von zuckerhaltigen Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln wie Pepsi und Kellogs zwischen 2014 und 2022 mit chilenischen Politiker:innen – mit klaren Zielen zur Einflussnahme auf Politikprozesse. Maßnahmen wie Warnetiketten auf Verpackungen oder eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke sollten verhindert werden.
Das kann man kritisieren — positiv ist aber, dass wir es wissen und Fachmagazine wie The Lancet darüber berichten. Möglich macht es das Ley de Lobby („Lobbygesetz“), das 2014 in Kraft trat. Damit wurde ein rechtlich verbindlicher Rahmen geschaffen, der es in sich hat. Das Gesetz verpflichtet Minister:innen, Parlamentsabgeordnete, hohe Beamte, Bürgermeister:innen und viele andere Amtsträger, sämtliche Treffen, Telefonate und digitale Gespräche mit Lobbyist:innen innerhalb von fünf Tagen auf einer öffentlich einsehbaren Plattform zu dokumentieren.
Angegeben werden müssen Ort, Datum und Kommunikationskanal (inkl. WhatsApp oder E-Mail) sowie die Namen der beteiligten Personen und Organisationen. Besonders relevant: auch Thema und Ziel des Kontakts müssen transparent gemacht werden. Die digitale Plattform erlaubt es Journalist:innen, Bürger:innen und NGOs, gezielt nach Lobbykontakten zu suchen, verschiedene Filter zu setzen und so die Lobby-Verflechtungen zwischen Staat und Wirtschaft nachzuvollziehen. Damit gehört Chile nach OECD-Angaben zu den wenigen Ländern weltweit, in denen Transparenz beim Lobbyismus praktisch überprüfbar ist.
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Zudem unterscheidet sich das „Ley de Lobby“ in einem zentralen Aspekt von vergleichbaren Gesetzen: Nicht nur die Lobbyist:innen, auch die Amtsinhaber:innen stehen in der Verantwortung, Transparenz zu schaffen. „Dass beide Seiten ihre Treffen offenlegen, ist ein Best-Practice-Beispiel. So kann die Öffentlichkeit überprüfen, ob jedes von einem Politiker gemeldete Treffen auch von dem Unternehmen gemeldet wird, das den Lobbyisten entsandt hat, und umgekehrt. Interessanterweise stellen wir in einigen Fällen fest, dass private Unternehmen mehr Treffen melden als die Amtsträger.“
Bei Verstößen gegen das „Ley de Lobby“ drohen Sanktionen wie Bußgelder oder Disziplinarverfahren. Überwacht werden die Regelungen von der Justizadministration des Landes. Zusätzlich arbeitet die aktuelle Regierung unter Präsident Gabriel Boric an einer Weiterentwicklung der Lobbygesetzgebung. Ach ja: Eine Zuckersteuer und Warnetiketten auf ungesunden Lebensmitteln gibt es in Chile inzwischen auch.
Großbritannien: Sport- und Zigaretten-Lobbyismus
Nein, hier geht es nicht um die Cannabislobby, sondern um die Frage, ob Tabakwerbung bei Sportveranstaltungen verboten werden sollte. Eine gute Idee, befand die britische Regierung schon Ende der 90er-Jahre und bereitete ein entsprechendes Gesetz vor. Eine schlechte Idee, meinte wohl Bernie Ecclestone, damaliger CEO der Formel 1-Gruppe.
Klar ist: wenige Stunden nach einem Treffen zwischen Ecclestone und dem damaligen Premierminister Tony Blair setzte dieser sich persönlich für eine Ausnahmeregelung vom Tabakwerbeverbot für die Formel 1 ein. Ob das persönliche Treffen auch durch eine Spende Ecclestones an die Labour Party in Höhe von einer Million Pfund wenige Monate zuvor ermöglicht wurde, darüber kann man nur spekulieren.
Derartige Lobbyskandale sind keine Seltenheit in Großbritannien – kein Wunder, treffen dort schließlich traditionell mächtige Lobbygruppen wie die der Tabak- und Finanzindustrie auf eine unterdurchschnittliche Lobbyismus-Regulierung. Zwar gibt es seit 2014 ein gesetzliches Lobbyregister und Vorschriften bei Minister- und Abgeordnetentreffen, doch zur Registrierung sind nur professionelle Lobby-Agenturen verpflichtet. Lobbyist:innen von Einzelunternehmen, aber auch NGOs oder Gewerkschaften werden nicht erfasst.
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Außerdem enthält das Register kaum Angaben über Inhalte, Ziele oder eingesetzte Mittel der Lobbyarbeit. „Lobby-Register ist nicht gleich Lobby-Register“, sagt Valladares. „Je mehr Informationen über die Ziele und Inhalte der Treffen sowie die digitale Kommunikation zwischen Lobbyist:innen und Politiker:innen ein Register transparent macht, desto besser.“
Kontrollen und Sanktionen sind selten, gering und ineffektiv, und so bleibt vor allem die informelle Kommunikation zwischen Lobbyist:innen und Politiker:innen oft unsichtbar: von Whatsapp-Nachrichten bis hin zum Pint im Pub.
Thailand: Ist Gott bestechlich?
Die meisten Theologen würden das wohl verneinen – der thailändische Politiker Samart Jenchaijitwanit sieht das möglicherweise differenzierter. In einem 2024 geleakten Gespräch mit dem GeschäftsmannWaratphol Waratvorakul (in Thailand besser bekannt unter dem dubiosen Spitznamen „Boss Paul“) soll der Politiker im Gegenzug für Schmiergelder die Unterstützung „göttlicher Kräfte“ für Boss Pauls Unternehmen iCON Group angeboten haben. Wobei die „göttlichen Kräfte“ wohl als Chiffre für mächtige Politiker:innen zu verstehen sind.
Dass es in Thailand Verflechtungen von Wirtschaft und Politik gibt, die die Grenze von Lobbyismus zu Korruption überschreiten, ist im Land kein Geheimnis. Dabei verfügt Thailand über ein fast schon buchstäblich besonders scharfes Schwert im Kampf gegen Korruption: Seit einer Änderung der Anti-Korruptions-Gesetzgebung im Jahr 2015 kann der Tatbestand des Bestechens oder Bestechenlassens mit der Todesstrafe geahndet werden.
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Zusätzlich sind Freiheitsstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslanger Haft sowie hohe Geldstrafen möglich. „Aus offensichtlichen Gründen lehnt Transparency International die Todesstrafe unter allen Umständen ab“, kommentiert Jorge Valladares. „In der Regel wird Lobbyarbeit mit Geldstrafen und Suspendierungen geahndet. Es gibt jedoch Fälle, in denen wir uns für die strafrechtliche Verfolgung illegaler Lobbyarbeit einsetzen würden. Lobbyismus sollte auch zu Haftstrafen führen können, wenn unter dem Deckmantel der Lobbyarbeit Zahlungen zu unrechtmäßigem Einfluss führen – im Grunde also bei Korruption.“
Abgesehen von drakonischen Strafen existiert in Thailand jedoch kaum schlagkräftige Gesetzgebung, um die Einflussnahme wirtschaftlicher Akteure auf politische Entscheidungen einzudämmen. So gibt es kein verpflichtendes Register für Lobbyist:innen oder formale Regelungen für deren Aktivitäten. Treffen zwischen Interessengruppen und Entscheidungsträger:innen sind rechtlich nicht als Lobbyismus definiert und werden nicht systematisch erfasst.
Zwar gibt es mit demNationalen Antikorruptions-Kommittee eine Behörde, die für die Aufdeckung von Korruptionsfällen verantwortlich ist. Doch ihre Erfolgsquote gilt als gering, viele Fälle bleiben unbearbeitet oder enden ohne Verurteilung. Und auch die theoretisch hohen Strafen für Korruption und Bestechung werden in der Praxis kaum durchgesetzt – die Todesstrafe für Korruption wurde glücklicherweise noch kein einziges Mal verhängt. Zumindest muss Samart Jenchaijitwanit so nicht um sein Leben fürchten.
Südafrika: Wenn die Wirtschaft den Staat übernimmt
„State Capture“ – Staatsübernahme: So wird ein besonders schwerer Korruptionsfall der 2010er-Jahre in Südafrika bezeichnet. Zu Recht: Wenn die schwerreiche, indischstämmige Familie Gupta den ehemaligen Staatspräsidenten Jacob Zuma soweit beeinflusste, dass sie Ministerposten vorschlagen oder verhindern konnte; und wenn milliardenschwere Staatsaufträge gezielt an Firmen im Eigentum der Guptas vergeben wurden – dann kann man durchaus sagen: Es ist etwas faul im Staate Südafrika.
Dass der Skandal aufflog, ist einer Frau auf einem innovativen Posten, der in Südafrika Verfassungsrang hat, zu verdanken: Thuli Madonsela, Public Protector („öffentliche Beschützerin“) von 2009 bis 2016. Diese agiert der Verfassung zufolge vollkommen unabhängig von der Regierung und hat das Mandat, die Öffentlichkeit zu schützen: vor „Verwaltungsmissständen im Zusammenhang mit Regierungsgeschäften, ungebührlichem Verhalten einer Person, die eine öffentliche Funktion ausübt, unzulässigen Handlungen in Bezug auf öffentliche Gelder, sowie unzulässiger oder rechtswidriger Bereicherung einer Person, die eine öffentliche Funktion ausübt.“
Jorge Valladares sagt: „Dass die Antikorruptionsbehörde komplett unabhängig von der Regierung sein muss, das sollte natürlich immer der Standard sein, um eine funktionierende Korruptionsbekämpfung zu gewährleisten.“
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2016 veröffentlichte Thuli Madonsela einen Report über die Verflechtungen zwischen Politik und der Gupta-Familie, obwohl Staatspräsident Zuma das zu verhindern versucht hatte. Und auch dessen Hinhaltetaktik ging nicht auf: 2018 entschied das südafrikanische Verfassungsgericht, dass Madonselas Empfehlungen bindend sei und umfassende Ermittlungen aufzunehmen seien. Grund genug für die Gupta-Familie, das Land zu verlassen. Auch zum Rücktritt Jacob Zumas trug das Urteil maßgeblich bei.
Ein entscheidender Schlag gegen die korrupten südafrikanischen Eliten ist damit allerdings noch nicht gelungen. Die südafrikanische Demokratie gilt weiterhin als massiv von Korruption und Einflussnahme bedroht, und auch das zentrale Element eines Lobbyregisters fehlt in Südafrika. Auf die Nachfolger:innen von Thuli Madonsela wartet also jede Menge Arbeit.
Polen: Uni-Abschlüsse vom Fließband
Mit möglichst wenig Arbeit stressfrei durchs Studium und dennoch einen guten Abschluss erlangen: Der Traum vieler Student:innen hätte bis vor kurzem in Polen Wirklichkeit werden können. Gegen eine gewisse Summe bot das Collegium Humanum einen sogenannten „Express-Master of Business Administration“ an: In weniger als einem Semester konnte man – ohne viel zu leisten – einen derartigen Abschluss erwerben. Die Aufdeckung des Falls 2023 führte zu einer Blamage für die politische Elite des Landes: Sowohl Mitglieder der ultrarechten PiS-Partei als auch der liberalen Regierung unter Donald Tusk hatten sich den Quick’n’Dirty-Master beschafft. Und weil eine Hand die andere wäscht, unterstützten einige dieser Politiker:innen die Expansionspläne des Collegium Humanum.
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Derartige Korruptionsskandale kommen in dem Land mit wenig strengen Lobbyismusregelungen häufiger vor. Zwar sind Ministerien verpflichtet, die Einflussnahme von Lobbyist:innen offenzulegen. Doch die Kontrolle liegt teilweise in der Verantwortung der lobbyierten Ministerien selbst, was naturgemäß zu Interessenkonflikten führen kann.
Zudem ist das existierende Lobbyregister des Landes in der Praxis kaum relevant. „Aufgrund einer zu engen Definition des Begriffs Lobbyist waren bei unserer letzten Überprüfung nur 19 Lobbyist:innen im Register des polnischen Parlaments gemeldet – in einem Land mit 37 Millionen Einwohnern“, so Jorge Valladares. „Das untergräbt natürlich die Transparenz der Lobbyarbeit.“
Brasilien: Operation Autowäsche
Der vielleicht größte Korruptionsskandal des 21. Jahrhunderts begann in einer kleinen Tankstelle mit Autowäsche in Brasília und wird entsprechend alsOperación Autolavado(„Operation Autowäsche“) bezeichnet. Nachdem der Besitzer der Tankstelle 2014 aufgrund einer Anklage wegen Geldwäsche ein umfassendes Geständnis ablegte, wurde nach und nach ein milliardenschweres Korruptionssystem des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras aufgedeckt, das neben Brasilien auch Regierungen in ganz Lateinamerika betraf. Dutzende Politiker und Manager standen und stehen vor Gericht, und niemand Geringeres als Präsident Lula da Silva (2003 bis 2011 und erneut seit 2023) wanderte ins Gefängnis.
Was sich freilich auch zeigte: Die Strafverfolgung war mindestens genauso korrupt wie die Angeklagten. Recherchen von The Intercept zufolge gab es illegale Absprachen zwischen dem zuständigen Richter Moro und dem ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro. So verwundert es nicht, dass der Richter, der Lula verknackte, später von Bolsonaro zum Justizminister befördert wurde.
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Nach 580 Tagen in Gefangenschaft wurde Lula auf Anordnung des Obersten Gerichts Brasiliens wieder freigelassen – wegen Befangenheit des damaligen Richters. 2023 nahm er seinem Gegner Bolsonaro das Präsidentschaftsamt wieder ab. Dieser muss inzwischen Fußfessel tragen und hat ein Social-Media-Verbot.
Dass die Korruption in Brasilien blüht, ist kein Wunder: Es existiert kein Lobbyismus-Gesetz, private Treffen mit Regierungsvertreter:innen sind legal und müssen nicht aufgezeichnet werden, ein Lobbyregister gibt es nicht. „Das absolute Minimum, das man als ersten Schritt einer Lobbyismusregulierung verlangen kann, ist, dass Beamt:innen und Politiker:innen ihre Terminkalender offenlegen und so zeigen, mit wem sie sich treffen. Das ist einfacher als die Einrichtung eines Lobbyregisters“, sagt Valladares. Solange nicht einmal das passiert, bleibt es unwahrscheinlich, dass in Brasilien seit der Aufdeckung der Operation Autowäsche alles sauber läuft.
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Wie viel Einfluss haben Business-Interessen auf die Politik? Diese Frage ist seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte von Schwarz-Rot noch virulenter. Immerhin war Bundeskanzler Friedrich Merz bis 2020 als Blackrock-Lobbyist tätig – und in den USA sitzt gleich ein Milliardär im Weißen Haus.
In unserer mehrteiligen Serie „Regiert uns die Wirtschaft?“ schauen wir auf die Situation in Deutschland, den Vereinigten Staaten und anderen Teilen der Welt. Was hilft wirklich gegen die „stille Übermacht“ des Lobbyismus?