Ferdinand von Schirach: Leben im Superlativ
Wir lichtscheuen Leute aus diesem Feuilleton wollen nun einmal vollkommen unbescheiden sagen, dass auf diesen zauberhaften Seiten die herausragendsten Artikel von höchst fleißigen und zweifellos fantastischen Autorinnen und Autoren zu finden sind, mit Sätzen, die herrlich vor sich hin moussieren, und Gedanken, wegen deren Brillanz hier unentwegt das Dach wegfliegt, was es, soweit wir informiert sind, seit Beginn der Gedankenaufzeichnung nicht gegeben hat.
We rarely express ourselves so clearly because we are extremely well-mannered and reserved. However, we recently read the author bio of writer Ferdinand von Schirach, which is featured on the cover of his latest book „Regen“ (Luchterhand, 107 pages, €20), and therefore feel inclined to let loose for a moment. In just a few lines, we learn that Ferdinand von Schirach is a „great storyteller“ (Spiegel), as well as an „exceptional stylist“ (New York Times), and that he has been compared to both Heinrich von Kleist and Franz Kafka by the Independent, while the Financial Times compares him to Raymond Carver, presumably because of the asthmatic brevity of his sentences in his books, which doesn’t quite align with Kleist’s long-windedness, but let’s overlook that for now. Schirach is described as „one of the most distinctive voices in European literature“ (Daily Telegraph) – especially considering that his books have been adapted into films multiple times and have become internationally bestselling works in over 40 countries. Who can say that about themselves? Furthermore, his plays are said to be „among the most successful and widely discussed dramas of our time“ worldwide. This extensive self-congratulation, which we can only express in superlatives, is surely among the most printed things ever printed.
Im Namen der ungefähr neun bis 26 Leute auf der Welt, die Ferdinand von Schirach bisher vielleicht noch nicht kannten, wünschen wir uns selbstredend heimlich etwas weniger orgelnde, sondern nützliche Informationen, die sonst in Autorenbiografien unserer fröhlichen deutschen Mittelstandsliteratur so üblich sind: Alter, Werdegang, Ausbildung, eventuelle Auflistung dubioser Jobs (Nachtwächter, Staplerfahrer, Spazierstockfabrikant), interessante Lebensmittelpunkte („lebt zwischen Berlin-Wilmersdorf und Addis Abeba“, „aufgewachsen in Brandenburg und Kalifornien“) und literaturfähige Hobbys („Freizeitornithologe“, „ein begnadeter Raucher“), vielleicht noch, dass der Autor oder die Autorin so miserabel Weihnachtsgeschenke einpacken kann wie wir, auch hin und wieder melancholisch auf Binnengewässer starrt und bisweilen gern Aubergine von Ottolenghi nachkocht. Allerdings bestehen die wenigsten Bücher, anders als in diesem Fall, zur Hälfte aus einem Interview mit dem Autor selbst. So gesehen: alles gut.