Federal Reserve: Jetzt zeigen sich die Gefahren der Fed-Politik

Noch ist nicht abzusehen, ob die Welt an einer erneuten Finanzkrise wie 2008 noch einmal vorbeischrammt. Vieles hängt davon ab, ob zusätzliche Schocks wie der Zusammenbruch einer weiteren Bank folgen. Doch selbst wenn es bei den Ereignissen der vergangenen Tage bleibt, stellt sich die Frage: Wer ist schuld daran, dass die Finanzbranche die reale Wirtschaft wieder einmal in eine Rezession schieben könnte?

In Washington haben die Schuldzuweisungen bereits begonnen. Die Lockerung der Bankenregulierung unter Ex-Präsident Donald Trump seien schuld, behaupten die Demokraten. Die Republikaner verweisen darauf, dass die Risiken bei der Silicon Valley Bank – deren Zusammenbruch am vergangenen Freitag das Debakel ausgelöst hatte – von den Aufsehern der Regierung von Präsident Joe Biden ignoriert worden sind. Und die Chefs der Silicon Valley Bank (SVB) müssen sich fragen lassen, wie fahrlässig und arrogant ihr Management war. Sicher sind all dies Faktoren. Doch die Rolle der Notenbanker, die sich so gerne als die Retter geben, darf in diesem Fall nicht unterschätzt werden – vor allem die der Federal Reserve, der amerikanischen Notenbank. Weil der Dollar nach wie vor die Weltleitwährung ist, gibt die Fed schließlich den Takt der globalen Geldpolitik vor.

Es war die Fed, die die Bedingungen geschaffen hat, die zu einer Kettenreaktion und zum Zusammenbruch der SVB führten. Die Bank hat während der Pandemie, als die Techbranche einen Höhepunkt erlebte, rund 91 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen und garantierte Hypothekenpapiere angelegt. An sich die sichersten Wertpapiere der Welt.

Dann begann die Fed im vergangenen Jahr, die Leitzinsen anzuziehen. Das hatte direkte Folgen für den Wert der Anleihen in den Beständen der SVB. Weil sie niedrigere Renditen bieten als neu ausgegebene Papiere, verlieren sie an Wert. Im Fall der SVB waren sie plötzlich 15 Milliarden Dollar weniger wert, wie die Bank selbst in ihren Berichten auswies.

Es gibt noch mehr Pulverfässer

An sich ist ein solcher Verlust kein Problem, denn er besteht nur auf dem Papier. Aber wenn die Anleihen veräußert werden, wird daraus ein tatsächliches Minus. Genau dazu wurde die SVB in den vergangenen Monaten gezwungen. So kam es zu einem Milliardenminus und zu dem fatalen Vertrauensverlust der Kunden. Und die SVB ist keineswegs die einzige Bank, deren Anleihebestände durch die Zinserhöhungen der Notenbank innerhalb von wenigen Monaten deutlich an Wert verloren haben. Insgesamt beliefen sich die unrealisierten Wertverluste bei den Anleihebeständen der US-Banken im Dezember 2022 auf 620 Milliarden Dollar.

Wahr ist aber auch, dass die Fed die Zinsen selten so drastisch angezogen hat wie in den vergangenen Monaten. Noch vor einem Jahr belief sich der Leitzins in den USA auf praktisch null. Heute erreicht er knapp fünf Prozent. Ähnlich radikal ging die Fed zuletzt in den Achtzigerjahren unter ihrem damaligen Chef Paul Volcker vor. Er löste damit eine Rezession aus, die Präsident Jimmy Carter die Wiederwahl kostete und Ronald Reagan ins Weiße Haus beförderte. Das sind nur die politischen Nebenwirkungen. Für die Finanzmärkte birgt eine solch schnelle Erhöhung in so kurzer Zeit immer auch die Gefahr, dass Marktteilnehmer überrumpelt werden – siehe SVB.

Nun werden Notenbanker einwenden, dass ihnen nichts anderes übrig geblieben sei, als die Zinsen rasch anzuziehen, das Inflationsziel liegt schließlich bei zwei Prozent – und die Inflation in den USA wie in Europa erreichte zeitweilig fast zweistellige Werte. Hier stellt sich jedoch eine grundsätzliche Frage. Sind die geldpolitischen Instrumente der Notenbanken wirklich die geeigneten Mittel, unser wirtschaftliches Schicksal zu managen?

Die US-Inflation ist hartnäckiger als gedacht

Für die Verantwortlichen der Fiskalpolitik – im Fall der USA Präsident Biden und der Kongress – ist es sicher angenehm, die Inflationsbekämpfung der Fed zu überlassen. Die Notenbank genießt schließlich den Ruf, dass ihre Aktionen nicht ideologisch oder politisch gefärbt, sondern lediglich von der Notwendigkeit getrieben sind. So kann sich ein Fed-Chef hinstellen und ankündigen, eine höhere Arbeitslosigkeit anzustreben. Wie Jay Powell, der im vergangenen Jahr prognostizierte, dass die Arbeitslosigkeit in den USA im laufenden Jahr auf 4,4 Prozent stiege und dadurch rund 1,2 Millionen Menschen ihren Job verlören. Spätestens dann verginge den Konsumenten das Geldausgeben und den Unternehmen das Investieren in neue Produkte und Fabriken. Die Inflation würde sinken und Preisstabilität zurückkehren. Bittere, aber notwendige Medizin, glaubt man Powell und den Notenbankern.

Das Problem ist nur, dass dieser Effekt bisher nicht eingetreten ist. Die Arbeitslosenquote liegt bei historisch niedrigen 3,6 Prozent. Unternehmen suchen weiter händeringend nach Mitarbeitern. Dafür geht die Inflation zurück, die vornehmlich durch einen kurzfristigen Nachfrageschock nach Energie, Rohstoffen und Halbleiter ausgelöst worden ist – und nur in weit geringerem Maß durch höhere Konsumentenausgaben, wie vor allem Kritiker der Covid-Hilfszahlungen an die Bevölkerung immer wieder vorbringen. Man kann zu dem Schluss kommen, dass die Notenbanken bei der Analyse der Inflationstreiber offenbar falsch lagen. Und daher stellt sich die Frage, ob ihre Instrumente, mit denen sie nun die Inflation bekämpft, die richtigen sind und wirken. Zumal die Fed-Politik jetzt gefährliche Nebenwirkungen am Finanzmarkt zeigt.

Ausgerechnet die durch diese Nebenwirkungen ausgelöste aktuelle Krise könnte nun die von der Fed gewünschte Rezession herbeiführen. Das würde es deren Chef Powell erleichtern, die Zinsschraube langsamer als gedacht anzuziehen. Und in nicht allzu ferner Zeit wieder zu lockern. Schon spekuliert die Wall Street auf dieses Szenario. Damit hätte die Fed wieder einmal die Investoren gerettet, die sich über günstiges Geld freuen.