EZB erhöht Leitzinsen kräftig um 0,5 Prozentpunkte
Die Europäische Zentralbank hält Kurs: Die Notenbank hebt ihre Zinsen wie geplant um 0,5 Prozentpunkte an. Das kann nach den jüngsten Entwicklungen an den Finanzmärkten schon fast als eine kleine Sensation gelten.
Der EZB-Einlagenzinssatz, der im Augenblick auch für die Sparzinsen eine wichtige Rolle spielt, wird damit von 2,5 auf 3 Prozent angehoben. Das ist die sechste Zinserhöhung in Folge.
Wie die Notenbank am Donnerstag nach der März-Sitzung des EZB-Rates, des obersten geldpolitischen Gremiums der Eurozone, mitteilte, will sie damit den Kampf gegen die Inflation fortsetzen. Die Inflation im Euroraum hatte zuletzt im Februar bei 8,5 Prozent gelegen, nach 8,6 Prozent im Januar. Allerdings war die Kerninflation, das ist die Teuerung ohne stark schwankende Preise wie die für Energie und Lebensmittel, von 5,3 auf 5,6 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Wert in der Geschichte der Europäischen Währungsunion.
„In dieser schwierigen Situation macht die EZB ihren Job, um der hartnäckigen Inflation die Stirn zu bieten“, kommentierte Iris Bethge-Krauß, der Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands: „Sie demonstriert damit auch in turbulenten Zeiten die notwendige Entschlossenheit, das Preisniveau zu begrenzen.“
Aufkommende Angst vor einer Finanzkrise
Zweifel an der Entschlossenheit der Währungshüter waren in den vergangenen Tagen aufgekommen, nachdem nach dem Untergang der amerikanischen Silicon Valley Bank auch noch die große Schweizer Bank Credit Suisse in Schwierigkeiten geraten war – und mit erheblichen Kursverlusten am Aktienmarkt klarkommen musste. Es tauchte die Frage auf, ob neben anderen Unterstützungen für Banken auch ein Verzicht auf die Zinserhöhung im Euroraum notwendig sei.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde stand vor einer schweren Entscheidung: Wollte sie riskieren, im Extremfall als die Notenbankchefin in die Geschichte einzugehen, die in einer aufkommenden Finanzkrise noch schnell die Zinsen erhöht hatte – oder wollte sie, im Gegenteil, als die Notenbankerin in Erinnerung bleiben, die in Zeiten hoher Inflation wegen einer wenig bekannten amerikanischen Bank das Ziel der Preisstabilität leichtfertig aufgegeben hatte?
Ökonomen sprechen davon, dass einer Notenbank zwei Gefahren drohen können, wenn eigentlich ein beherztes Eingreifen gegen die Inflation gefordert ist: Sie kann zu viel Rücksicht auf die Haushaltslage der Staaten nehmen. Dann spricht man von fiskalischer Dominanz. Oder aber, sie nimmt zu viel Rücksicht auf das Finanzsystem und die Banken. Dann spricht man von finanzieller Dominanz. Letzteres war gerade die Sorge.
Zugespitzt gesagt: Wenn denn das Bankensystem zusammenbrechen würde, würde eine niedrige Inflationsrate auch nicht viel helfen – umgekehrt muss eine Notenbank aufpassen, dass es nicht immer irgendwelche Gründe gibt, in der eigentlich gebotenen Inflationsbekämpfung nicht ausreichend voranzuschreiten. EZB und die amerikanische Notenbank Fed seien in einer „Zwickmühle“, sagte der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Volker Wieland: Am besten sei es, „die Probleme der Banken schnell und überzeugend anzugehen, ohne an der Inflationsfront zu viel Dampf zu verlieren“.
Ringen um Glaubwürdigkeit der Notenbank
Die Investmentbank Goldman Sachs hatte vor der Entscheidung die Erwartung geäußert, dass sich die amerikanische Notenbank Fed jetzt möglicherweise wegen des Banken-Bebens mit Zinserhöhungen zurückhalten werde – die EZB aber werde trotz allem die Zinsen erhöhen und allenfalls beim Ausblick etwas vorsichtiger werden.
Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Instituts, sprach sich dafür aus, dass die EZB bei der angekündigten Erhöhung der Leitzinsen um 50 Basispunkte bleibe: „Würde sie jetzt etwa auf 25 Basispunkte zurückgehen, würde das zwar etwas Entlastung bringen in Hinblick auf die kurzfristige Finanzstabilität. Sie würde damit aber zugleich das Signal geben, dass sie glaubt, wir hätten hier ein größeres Problem.”
Carsten Brzeski, der Deutschland-Chefvolkswirt der Bank ING, hatte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter am Mittwoch vorgeschlagen, die EZB könnte die Pressekonferenz zur Zinssitzung doch einfach ganz ausfallen lassen. So könnte sie möglicherweise weitere unerwünschte Turbulenzen auf dem Markt vermeiden.
Die EZB stand unter einem gewissen Druck, an der Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte festzuhalten. Schließlich hatte sie auf der vorigen Zinssitzung schon angekündigt, einen solchen Schritt im März zu beabsichtigen. Zahlreiche EZB-Ratsmitglieder hatten in den vergangenen Wochen ein solches beherztes Vorgehen gefordert. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte gesagt, wenn die Inflation sich als so hartnäckig erweise, dann müsse die Geldpolitik eben noch hartnäckiger vorgehen. Allerdings hatte der italienische Notenbankchef Ignazio Visco zum Ende der vergangenen Woche dagegen gehalten und „Umsicht“ gefordert: „Ich schätze daher Aussagen meiner Kollegen über zukünftige und anhaltende Zinserhöhungen nicht.“