Experten befürchten Einkesselung ukrainischer Soldaten in Pokrowsk

Soldaten stehen von einem zerstörten Haus in Pokrowsk

Stand: 06.11.2025 02:32 Uhr

Seit mehr als einem Jahr versucht die russische Armee, die logistisch wichtige Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine einzunehmen. Jetzt befürchten viele Beobachter eine Einkesselung der ukrainischen Soldaten.

„Die russischen Truppen sind praktisch schon in der ganzen Stadt.“ Am späten Abend meldet sich der ukrainische Soldat mit dem Rufnamen Hus über Whatsapp; eine Sprachnachricht von der Front.

Er kämpft mit seiner Drohneneinheit in der nahezu umzingelten Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine. „Das sind kleine Gruppen“, sagt der Soldat. „Sie bewegen sich von Deckung zu Deckung und geraten gelegentlich in Feuergefechte mit uns.“

Warten auf Verstärkung

Die Situation in Pokrowsk sei sehr schwierig, berichtet Hus. „Vielleicht wurde der Moment verpasst, Verstärkung zu uns zu senden.“ Sie sei zwar jetzt unterwegs, aber ein großer Teil der Positionen und Soldaten könnte abgeschnitten werden, befürchtet er. „Das Wichtigste ist, dass die Verstärkung nicht zu spät kommt.“

Karte der Ukraine und Russlands, hell schraffiert: von Russland besetzte Gebiete

Doch das könnte nun der Fall sein, meinen Beobachter. Seit mehr als einem Jahr versuchen die russischen Streitkräfte das taktisch wichtige Pokrowsk einzunehmen. Nun droht den ukrainischen Soldaten die Einkesselung.

„Die Ukraine hat ein Personalproblem“

Der Verlust der Stadt sei nur eine Frage der Zeit, meint der amerikanische Militäranalyst Rob Lee, der gerade aus der Region zurückgekehrt ist. „Die Ukraine hat ein Personalproblem. Bei dieser Schlacht ist es am wichtigsten, wie sie endet.“

Wenn sich die Ukraine geordnet zurückziehe und keine allzu schweren Verluste erleide, wäre die Niederlage insgesamt nicht allzu bedeutend, so Lee. „Aber wenn es Russland gelingt, eine bedeutende Anzahl ukrainischer Truppen einzukesseln, könnte das zu moralischen und weiteren Problemen führen.“

Einnahme für Russland strategisch wichtig

Russland könnte nach der Einnahme von Pokrowsk die Gelegenheit nutzen und weiter vorstoßen. Die Region westlich der Stadt ist geprägt von Feldern und nur dünn besiedelt. Verhältnismäßig große Geländegewinne wären möglich, fürchten Beobachter.

Aber Priorität hat für Russlands Machthaber Putin die Besetzung des gesamten  Donbass. Auch hier würde die Einnahme von Pokrowsk den russischen Truppen einen großen Vorteil verschaffen, meint Experte Rob Lee.

„Es ist einfacher, dort Infanterie zu konzentrieren. Soldaten können dort in den Kellern Schutz finden und sind viel besser versteckt. Außerdem ermöglichen hohe Gebäude den Einsatz von Antennen, was die Reichweite von Drohnen erheblich erhöht. So können sie in größerer Tiefe operieren.“

Kaum noch medizinische Versorgung möglich

Die Logistik der ukrainischen Armee bei der Verteidigung des Donbass könnte erheblich unter Druck geraten. Offiziell betont die Ukraine, Pokrowsk weiter zu verteidigen. Doch die Lage für Soldat Hus und seine Kameraden vor Ort ist schwierig.

Medizinische Versorgung für Verwundete gibt es kaum noch, berichtet Hus. Er und seine Kameraden harren weiter aus. Wer, wenn nicht wir, sagt der Soldat. Die Stadt zu halten, sei wichtig für die Truppen im gesamten Osten der Ukraine.

Source: tagesschau.de