EVG kündigt Widerstand gegen den Schenker-Deal an
Der Deal ist ein Politikum – und das gleich in mehrerer Hinsicht: Die Deutsche Bahn AG verkauft ihre ertragreiche Logistiksparte DB Schenker für rund 14 Milliarden Euro an den dänischen Wettbewerber DSV. Dass so ein Schritt mit Blick auf das „Tafelsilber“ Mut und gute Argumente braucht, war schon vor zwei Jahren klar, als der Aufsichtsrat des Staatskonzerns dem Vorstand einen Prüfauftrag zum Verkauf der Logistiktochtergesellschaft erteilte. Inzwischen ist ein Vorvertrag unterschrieben, der auch die Billigung des Kanzleramtes gefunden hat.
Doch jetzt regt sich kurz vor Erreichen der Ziellinie vehementer Widerstand der mächtigen Eisenbahnergewerkschaft EVG. Sie will mit ihren Vertretern im Aufsichtsrat den Verkauf bei der entscheidenden Sitzung am kommenden Mittwoch ablehnen. Die EVG allein kann die Transaktion nicht blockieren. Womöglich schließen sich aber andere Kritiker in dem Gremium an.
EVG kritisiert das „Verscherbeln des Tafelsilbers“
Im Vorfeld der Aufsichtsratssitzung warnte EVG-Chef Martin Burkert vor einem Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland: „Nach 153 Jahren soll DB Schenker vom Markt verschwinden“, kritisierte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende im Gespräch mit der F.A.Z. Damit gingen Wertschöpfung und Arbeitsplätze verloren. „Politik und Bahnvorstand wollen das Verscherbeln von Tafelsilber als Strategie verkaufen“, monierte er. „Zukunftsfähige Geschäftspolitik sieht aber anders aus.“
Die Sorge vor dem „Verscherbeln des Tafelsilbers“ ist nur ein Grund, den die Gewerkschafter ins Feld führen. Er wird von den Befürwortern mit dem Hinweis gekontert, dass für Schenker erhebliche Investitionen notwendig seien, die ein kriselnder Staatskonzern wie die Bahn nicht leisten könne. Der andere Grund hat eine brisante politische Dimension: die prekäre Haushaltslage des Bundes. Um die milliardenschwere Lücke zu schließen, musste die Bahn schon im Juli dran glauben: Damals entschieden die Spitzen der Ampelkoalition überraschend, dass 4,5 Milliarden Euro für die Bahn, die ursprünglich als Baukostenzuschüsse vorgesehen waren, in Form von Eigenkapital fließen sollen – um Platz für andere Ausgaben zu machen.
Im Haushalt klafft noch eine Lücke von 12 Milliarden Euro
Schon das war für die gesamte Bahnbranche ein Affront, weil der unerwünschte Nebeneffekt einer solchen Regelung eine weitere Erhöhung der Trassenpreise für die Nutzung der Schieneninfrastruktur ist. Doch die Debatten um den Bundeshaushalt sind längst nicht abgeschlossen, noch immer klafft eine Lücke von zwölf Milliarden Euro im Haushalt 2025. Da könnte die Aussicht auf einen reinen Verkaufserlös von rund elf Milliarden Euro nach Abzug der Schulden und Verbindlichkeiten Begehrlichkeiten wecken, fürchtet die Gewerkschaft. Damit wäre jetzt auch denkbar, dass ein Teil von dem überraschend hohen Kaufpreis als Investitionen in die Schieneninfrastruktur oder ihre Digitalisierung fließt. SPD und Grüne haben offenbar Sympathien für eine solche Lösung.
„Die Deutsche Bahn darf nicht länger als Melkkuh für eine verfehlte Haushaltspolitik des Bundes missbraucht werden“, warnte Burkert. Die Arbeitnehmervertreter in dem Kontrollgremium kritisieren scharf, dass es keine rechtssichere Garantie dafür gebe, dass die Verkaufserlöse für die Entschuldung bei der Deutschen Bahn eingesetzt werden. „Das wäre aber bitter notwendig, um die finanziellen Handlungsspielräume des Konzerns nicht weiter zu gefährden“, mahnte Burkert.
Verkaufserlös soll Bahn-Schulden reduzieren
In den vergangenen fünf Jahren hat die Bahn einen Schuldenberg in Höhe von 34 Milliarden Euro angehäuft. Mit dem Verkaufserlös sollte diese Last reduziert werden, so der ausdrückliche Wunsch des Aufsichtsrats, damit der Konzern sein positives Rating halten und auch künftig günstig an Kredite kommen kann. Nur so könne das Unternehmen in Zukunft Eigenmittel auch für Fahrzeuge und vor allem für die betriebliche Qualität einsetzen, sagt Burkert und erinnert daran: „Der Eigentümer trägt hierfür eine Verantwortung.“ Dass mit DB Schenker auch weiter Geld verdient werden könne, zeige das große Bieterinteresse.
Tatsächlich hatte es um DB Schenker bis zuletzt einen erbitterten Bieterkampf gegeben, bei dem die Bietergemeinschaft um den Finanzinvestor CVC Capital Mitte September den Kürzeren zog. CVC wirft der Deutschen Bahn seitdem vor, DSV in einem intransparenten Verfahren bevorzugt zu haben. Der Finanzinvestor hat bei seiner Offerte drei Staatsfonds an der Seite: GIC aus Singapur, ADIA aus Abu Dhabi und QIA aus Qatar. Er ist auch nach Abschluss des Vorvertrags zwischen Bahn und DSV überzeugt davon, dass sein Angebot ökonomisch vorteilhafter sei.
Für die Bahn hingegen war der Zuschlag für DSV offenbar zwingend: Die Angebote hätten nur auf den ersten Blick gleichauf gelegen, heißt es aus dem Kreis der in den Verkaufsprozess involvierten Personen. Tatsächlich habe es fundamentale Unterschiede bei der Frage gegeben, wann der volle Kaufpreis gezahlt werde und unter welchen Bedingungen. Im Falle von CVC würde ein signifikanter Teil des Kaufpreises erst gezahlt, wenn sich das Konsortium wieder von Schenker trenne. Das geschieht jedoch häufig erst nach fünf bis zehn Jahren. Zudem sei das Angebot teilweise an das Erreichen von bestimmten Erlöszielen von Schenker gebunden gewesen. Dadurch habe der tatsächliche Abstand zwischen den Geboten im Milliardenbereich gelegen. Das Bahnmanagement habe deshalb keine andere Möglichkeit, als DSV den Zuschlag zu geben, heißt es aus informierten Kreisen.