Europapolitik: Mehrheit sieht Versprechen der Bundesregierung nicht erfüllt

Kann nicht zufrieden sein mit neuesten Umfragewerten: Bundeskanzler Scholz vor europäischen Flaggen


Foto: CLEMENS BILAN / EPA

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Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland findet, dass die Bundesregierung in der Europapolitik ihrem Anspruch nicht gerecht wird. Rund drei Viertel der Menschen im Land sind der Ansicht, dass die Regierung hinter ihrem Versprechen zurückgeblieben ist, Europas Zukunft konstruktiv zu gestalten. Knapp ein Fünftel sehen das Versprechen eingelöst.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung und des Berliner Thinktanks »Das Progressive Zentrum« als Teil eines Forschungsprojekts, das seit 2019 läuft.

Bei den Jüngeren sei der Zweifel an der Europapolitik am höchsten, heißt es in der Studie, die die Umfrageergebnisse auswertet und am Donnerstag auf der Internetseite der Böll-Stiftung  veröffentlicht werden soll.

Das Auftreten der Bundesregierung in der EU nimmt gut die Hälfte der Bevölkerung in letzter Zeit als »weniger aktiv« wahr. Rund 38 Prozent der Befragten empfinden es als »aktiv« – das entspricht einem Rückgang um mehr als zehn Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Für die Zukunft wünschen sich etwa zwei Drittel ein aktives Verhalten. Zudem befürworten 70 Prozent ein kooperatives Auftreten Deutschlands in Europa.

Vorteile der EU-Mitgliedschaft

Für eine knappe Mehrheit von knapp 60 Prozent der Bevölkerung überwiegen derzeit die Vorteile der EU-Mitgliedschaft Deutschlands. Fast 40 Prozent sehen allerdings mehr Nach- als Vorteile.

Im Besonderen sind die Befragten vom politischen Nutzen der EU überzeugt: 60 Prozent geben an, dass Deutschland seine politischen Ziele eher mit als ohne die EU erreichen kann. Allerdings sahen das im Jahr 2019 noch rund 77 Prozent so.

»Noch hat die Bundesregierung ihr Gestaltungsversprechen nicht eingelöst«, sagt Johannes Hillje vom »Progressiven Zentrum«, einer der Autoren der Studie. Die Ampelkoalition solle kurzfristiges Krisenmanagement und langfristige Zukunftsgestaltung in europäischen Lösungen miteinander verbinden.


SAH