Einigung im Koalitionsausschuss: Die Ampel lebt noch und die FDP jubelt

Nach schier endlos scheinenden Verhandlungen einigen sich die Ampel-Partner doch noch. Das Ergebnis dürfte vor allem die FDP erfreuen. Sie setzt sich in wichtigen Punkten durch. Die Grünen bekommen dafür einige Trostpflaster. Ein neuer Aufbruch ist dieser Kraftakt aber nicht.
„Endlich“, dachten viele am Dienstagabend, als die Ampelvertreter doch noch Vollzug meldeten. Die seit Sonntagabend laufenden Verhandlungen waren beendet, auf dem Tisch lag nun ein 16-seitiges Papier. Damit räumt die Regierung einige Streitthemen ab und sichert nebenbei ihr Bestehen. Aber möglicherweise wandert der Schmerz nun von der einen Seite auf die andere. Die FDP kann man beglückwünschen, denn sie hat sich in wichtigen Punkten durchgesetzt. Viele Grüne dürften dagegen in dieser Nacht wach gelegen und sich gefragt haben: War es das wert?
Es ist jedenfalls vielsagend, wenn die Deutsche Umwelthilfe von einem „Desaster“ und einer „absoluten Katastrophe“ spricht und ihre letzte Hoffnung ausgerechnet die Union ist, die das bisherige Klimaschutzgesetz aus der letzten Amtszeit Angela Merkels im Bundestag retten möge. Die Erfolge für die FDP sind das, was bei diesem Papier ins Auge fällt: Da ist die beschleunigte Planung für fast 150 Autobahnprojekte – darüber war monatelang gestritten worden. Dann ist da die Förderung von E-Fuels, die die meisten Umweltexperten für einen Holzweg halten, um den Verkehr klimaneutral zu machen. Dann ist da das Klimaschutzgesetz, das überarbeitet werden soll.
Das klingt technisch, ist aber für den Klimaschutz eine folgenreiche Entscheidung. Bisher müssen alle Sektoren, also beispielsweise Verkehr, Gebäude oder Industrie jedes Jahr eigene Klimaziele erreichen. Das ließ gerade erst wieder den Verkehrsminister schlecht aussehen. Denn sein Bereich verfehlte die Zielmarken wieder einmal. Damit ist es künftig vorbei – die Klimaziele müssen nur noch sektorübergreifend erreicht werden. Läuft es woanders besonders gut, könnten also Defizite anderswo, beispielsweise im Verkehr, ausgeglichen werden.
Nicht mehr nur Wärmepumpe
Auch zum Streit um das Verbot neuer Gasheizungen steht etwas in dem Papier, allerdings wenig Konkretes. Der Verdacht liegt nahe, dass die Runde hier einen Schnitt gemacht hat, um nicht noch einen Tag beisammensitzen zu müssen. In dem Papier heißt es nun, es solle zum kommenden Jahr „möglichst jede neue Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien“ betrieben werden. Allerdings, und das ist eine große Neuerung, solle dabei auf „Technologieoffenheit“ geachtet werden. Bisher lief alles auf eine Fokussierung auf die elektrisch betriebene Wärmepumpe hinaus. Aus FDP-Sicht heißt das, dass statt Strom auch Biomasse sowie grüner, aber auch mithilfe von Erdgas gewonnener blauer Wasserstoff dafür infrage kommen. Das allerdings steht nicht in dem 16-seitigen Papier, sondern in einer Mitteilung der Partei.
Ist das nun also ein Triumph der FDP? Einerseits ja. Sie hat vieles bekommen, was sie wollte. Zudem rühmt sie sich damit, die Pendlerpauschale oder das Dienstwagenprivileg geschützt zu haben. Außerdem fällt auf, dass in dem Papier nichts zur Kindergrundsicherung steht, einem Herzensprojekt der Grünen. Doch es ist auch nicht so, dass die Grünen gar nichts bekommen hätten.
Nehmen wir die Planungsbeschleunigung von Infrastrukturprojekten. Es bleibt grundsätzlich dabei, so wie einst im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Ausbau der Schiene stärker gefördert werden soll als der Ausbau der Autobahnen. Grundsätzlich können Bahnstrecken künftig einfacher geplant werden und Autobahnen nicht. Doch jetzt kommt ein großes Aber – denn die FDP hat sich eine große Ausnahme ausgehandelt. Eine „eng begrenzte Zahl besonders wichtiger Projekte“, wie es in dem Papier heißt, soll künftig ebenfalls beschleunigt geplant und umgesetzt werden.
Diese „eng begrenzte Zahl“ ist aber eine recht eindrucksvolle Liste von 144 Autobahnstellen, die ntv.de vorliegt. Entscheidend ist, was hinten rauskommt – und in diesem Sinne haben die Liberalen hier mehr herausgeholt als noch im Koalitionsvertrag stand. Dass an den Autobahnen künftig Solaranlagen entstehen sollen, mag eine gute Idee sein. Für die Grünen ist es aber nur ein Trostpflaster, weil vermutlich niemand damit ein Problem gehabt hätte, dieser Schritt also nicht besonders kontrovers war.
Eine Kröte namens E-Fuels
Ähnlich sieht es beim Auto aus. Die FDP setzt sich damit durch, künftig E-Fuels zu fördern – obwohl viele Experten sie für ineffizient und teuer halten, weil zu viel grüner Strom für die Herstellung draufgehe. Behalten die Grünen recht, werden sich die E-Fuels nicht durchsetzen. Allerdings wäre dann viel Geld dafür verpulvert worden. Dass sie in dieser Grundsatzfrage einknicken, soll wohl mit einer entschlossenen Förderung der E-Mobilität, etwa in Form von noch mehr Ladepunkten und auch E-Förderung für Lastwagen, kompensiert werden.
Als Erfolg können die Grünen verbuchen, dass der Deutschen Bahn bis 2027 insgesamt 45 Milliarden Euro zufließen sollen, teilweise finanziert über die LKW-Maut. Die soll dafür einen CO2-Aufschlag bekommen und auf alle Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen ausgeweitet werden. Handwerker sollen ausgenommen werden. Künftig finanziert also die Straße die Schiene mit. Rund ums Thema Bahnverkehr soll noch einiges mehr geschehen, etwa in Sachen Digitalisierung oder auch die Ausweitung der Bahncard 100 auf den öffentlichen Nahverkehr. Auch ein Bekenntnis zu mehr Radwegen findet sich im Abschnitt zum Verkehr. Dabei drängt sich die Frage auf, ob deswegen nun die ganze Republik in Atem gehalten werden musste. Und als Antwort bietet sich an: Es musste hinein, damit die Grünen neben den Erfolgen der FDP auch etwas vorzuweisen haben.
Ein neuer Aufbruch ist diese Einigung nicht. Eher ein Kraftakt, ein halbwegs gesichtswahrender Kompromiss – und damit die Mindestanforderung für eine funktionierende Regierung. Die Ampel atmet noch und beweist, dass sie sich doch noch einigen kann. Nicht mehr, nicht weniger.
Source: n-tv.de