Ein Minister rudert zurück: Wie Habeck das Heizungsgesetz retten will

Um das umstrittene Heizungsgesetz zu retten, geht Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) immer weiter auf seine Kritiker zu. In der laufenden Woche finden gleich drei wichtige Treffen zu dem Thema statt, damit der Entwurf in den Bundestag gehen kann. Für Dienstagabend hatte Habeck zunächst die Berichterstatter für Energie und Bauen der drei Ampelfraktionen virtuell eingeladen. Wie das Ministerium mitteilte, ging es darum, „die von den FDP-Berichterstattern gestellten 77 Fragen und gegebenenfalls weitere Nachfragen zu beantworten“.

Die Liberalen haben innerhalb der Regierung die größten Zweifel am Gebäudeenergiegesetz und haben dessen erste Lesung zunächst verhindert. Diese Blockade ist außergewöhnlich, da es schon einen Kabinettsbeschluss gibt. Auch der Koalitionsausschuss hatte sich für die Verabschiedung noch vor der Sommerpause Anfang Juli ausgesprochen. Dieser Fahrplan ist in Gefahr, doch versucht Habeck derzeit alles, um ihn noch einzuhalten.

Einigung am Mittwoch?

Erzielt werden könnte ein Konsens an diesem Mittwoch, wenn sich die zuständigen Vizevorsitzenden der rot-grün-gelben Fraktionen mit dem Gesetz befassen. Wird dort nach dem „Ausräumen“ der FDP-Fragen vom Dienstag dann eine Einigung erreicht, könnte das parlamentarische Verfahren beginnen, einschließlich der vorab verabredeten Änderungen. Das wäre dann kein komplett neuer Entwurf, wie die FDP es wünscht – um einen solchen abermals durchs Kabinett zu bringen, reicht die Zeit nicht aus. Aber die Liberalen könnten sich brüsten, dem „Heizungshammer“ die Zerstörungskraft genommen zu haben.

Um auch Verbände in der Neuauflage einzubinden, trifft sich Habeck am Donnerstag mit deren Vertretern, insbesondere mit der Wohnungswirtschaft. Denn die „Wärmewende“ betrifft Millionen Hauseigentümer und Mieter, aber auch Hersteller, Handwerker oder Energieversorger. Zu Pfingsten hatte Habeck Kompromissbereitschaft gezeigt. In einer Videobotschaft rückte er von der Verpflichtung ab, dass vom 1. Januar 2024 an alle neuen Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen müssten, etwa mit Wärmepumpen.

Die Kompromisssuche des Ministers außerhalb des Parlaments für einen fertigen Kabinettsentwurf stieß unter Parlamentariern auf Naserümpfen – auch in den Reihen der Regierungsparteien. „Bereits vor der Beratung im Bundestag offene Fragen zu klären, ist angesichts der drängenden Zeit sicher hilfreich. Die Verständigung muss dabei aber letztlich zwischen den Ampel-Fraktionen stattfinden“, sagte Nina Scheer, die energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, der F.A.Z. „Ministerien haben im parlamentarischen Verfahren lediglich eine assistierende Funktion, wie etwa in Beantwortung von Fragen aus dem Parlament“, sagte sie mit einer deutlichen Spitze gegen Habeck. „Die Arbeit am Gesetz liegt jetzt jedoch im Parlament.“

Fernwärmeoffensive geplant

Für Neubauten sollte die Pflicht zwar „unmittelbar“ gelten, im Bestand könne man sich aber mehr Zeit lassen: „Das würde auch die Debatte über genügend Handwerker und den Hochlauf der Wärmepumpen entzerren.“ Zum zweiten könnte man die Technologieoffenheit „noch großzügiger gestalten“, etwa beim Verbrennen von Holz. Drittens sollte zunächst die Wärmeplanung der Kommunen stehen, bevor die Verbraucher sich für eine Heizungsart im Bestand entscheiden müssten. „Wir reden so viel über Wärmepumpen, aber da, wo die Bebauung eng ist, da ist die Nutzung von Fernwärme sicherlich ganz häufig das Mittel der Wahl“, kündigte Habeck an. Man werde eine Fernwärmeoffensive und einen Fernwärmegipfel organisieren und die Geothermie stärker fördern. Schließlich, viertens, werde man bei Härtefallregeln und Ausnahmen „großzügiger“ sein.

Habeck bezeichnete das Gesetz als „Meilenstein beim Klimaschutz“, da die Hälfte der deutschen Emissionen von Kohlendioxid (CO2) vom Heizen stamme. Statt wie andere Ländern 20 Prozent nutze Deutschland für die Wärmeerzeugung noch immer 80 Prozent fossile Energien.

Die Wohnungswirtschaft begrüßte Habecks Entgegenkommen. Dass die 65-Prozent-Pflicht nur für Neubauten mit Bauantragstellung nach dem 1. Januar 2024 gelte, gebe allen Beteiligten mehr Planungs- und Finanzierungssicherheit und erhöhe die politische und soziale Durchsetzbarkeit, sagte Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der F.A.Z.. Nach der Baufertigstellung seien die neuen Heizungsanlagen dann erst 2025 am Netz. Für Bestandsimmobilien sei es richtig, dass Habeck zunächst die regionale Wärmeplanung klären wolle: „Es wäre ja widersinnig, sich eine teure Wärmepumpe einbauen zu müssen, wenn das Haus wenig später ans Fernwärmenetz angeschlossen wird.“

Mieter nicht zu sehr belasten

„Die Diskussion hat sich mit Minister Habecks Veränderungsbereitschaft deutlich entspannt“, sagte Esser. Geklärt werden müssten noch zwei Punkte. Zum einen dürfe sich die SPD nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, dass Mieterhöhungen wegen eines vorgeschriebenen Heizungstausches nicht zulässig seien. Hier hofft der GdW auf die FDP. Um Mieter nicht zu sehr zu belasten, müsse zudem die Förderung für den Heizungstausch auf Wohnungsunternehmen und damit indirekt auf die Mieter ausgeweitet werden. „Die Neuregelung muss sozial abgefedert werden, sowohl für Selbstnutzer als auch Mieter“, verlangte sie vor dem Treffen mit Habeck.

Ob alle neuen Heizungen mit Erneuerbaren laufen sollen oder nur jene in Neubauten, macht einen gewaltigen Unterschied. 2022 wurden nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie knapp 930.000 „Wärmeerzeuger“ in Neu- und Bestandsbauten eingebaut, darunter 650.000 Gasheizungen; das waren 70 Prozent. Hinzu kamen 46.000 Ölheizungen (5 Prozent). Diesen 75 Prozent fossilen Lösungen standen 154.000 Wärmepumpen (17 Prozent) und 77.000 Biomasseheizungen (8 Prozent) gegenüber.

Für Neubauten ist die Lage anders: Von den 2022 fertiggestellten 259.000 Wohnungen wurden nach Auskunft des Statistischen Bundesamts 99.000 mit Wärmepumpen versorgt, also 38 Prozent. Erst dahinter rangierten die 75.000 Gasanlagen und 65.000 Fernwärmeanschlüsse. Es gab kaum 800 neue Ölheizungen. Die fossilen Träger machten zusammen weniger als 30 Prozent aus. Schreibt man die Zahlen für 2024 fort, hätte die Novelle ursprünglich 700.000 Anlagen in Neubauten und im Bestand gegolten. Wird sie hingegen auf Neubauten beschränkt, betrifft sie nicht einmal 80.000 Heizungen.