Dschungelcamp, Tag zwölf – „Wow, Lilly. Maschine!“

Das Dutzend an Tagen ist voll, die Rivalitäten werden offen ausgetragen. Jammerlöwe Maurice zofft sich mit Camp-Beau-Timur, Wortspieler Pierre mit der PC-Polizei. Lilly Becker ist das Gezicke egal. Sie verbarrikadiert sich für die Prüfung in ihrer „Lillywelt“ und liefert den „Rülpser des Jahrhunderts“.
Einen „Niveau-Alarm im Dschungel“ befürchtete Sonja Zietlow gleich zu Beginn der Show, die in diesem Jahr 18 und damit erwachsen geworden ist. Die Angst um den guten Ruf ist verständlich, wo kommen die „beim RTL“ denn hin, wenn „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, das alljährliche Hochamt des Trash-TV, mit Begriffen wie „Bon Mot“ in Verbindung gebracht wird (wie gestern hier an dieser Stelle:-).
Defizite, kopfmäßig. Die Angst der Moderatorin ist allerdings nur solange real, so lange Pierre-Kein-Mensch-kann-sich-seinen-Nachnamen-merken-Bliss dabei ist. Pierre Sanoussi-Bliss, wie der Schauspieler richtig heißt, und nicht „Mimousissi“ (Lilly) oder „Sanssouci“ (Edith), kämpfte auch an Tag zwölf wieder tapfer gegen die Political Correctness-Brigaden im Camp. Die forderten weiter seinen Kotau für die Tag-elf-Zote von den „dämlichen Damen“ und „herrlichen Herren“. Aber egal wie oft Anna-Carina, Alessia oder Timur ihre Betroffenheit über solch eine unglaubliche Frauenfeindlichkeit (!) zeigten und wie verständnisvoll der „große Mediator“ Jörg dieses Unwohlsein vortrug, welches ja „das ganze Team“ zu sprengen drohe: Pierre lächelte nur milde. Im Gegenzug konterte er den gewesenen Sportmoderator und die Sprachpolizeianwärter im Camp eiskalt aus. „Team? – Jörg, ich bitte Dich. Wir sind Konkurrenten.“ Und an seine Ankläger(innen) gerichtet: „Ironie hat immer auch etwas mit der Intelligenz des Adressaten zu tun.“ Für die scheint zu gelten, was der große Wiglaf Droste einmal so formulierte: „Bei denen reicht es einfach nicht, kopfmäßig“.
Heute kein König. Es geht, da können wir Sonja Zietlow beruhigen, aber auch im nun erwachsenen Dschungelcamp noch immer vor allem ums „Jeföhl“, nicht nur bei der Klischeekölnerin Alessia („Ah, et is mir alles zu dumm hier.“), sondern unter anderem auch bei Maurice. Der ist kein Löwe, sooft er das im Monolog mit seinem liebsten Gesprächspartner (sich selbst) auch versichert. Kein König des Dschungels, kein „He-Man“, an diesem Tag einfach nur ein jammerndes „Bettelcat“. Die Tatsache, dass er an Tag elf (niemand musste gehen, die Anrufe zählen mit für Tag zwölf) die zweitwenigsten Anrufe bekam (hinter Edith) und sich somit akut von der Auswilderung bedroht sah, führte bei ihm nicht zu Gebrüll, sondern zur großen Jammerarie. Lilly Becker: „Wo ist der Löwe? Ich sehe es nicht. Come on!“ Er solle beginnen, sich zu wehren. „Let’s go!“, ruft die wahre Löwin im Camp zu Mimimi-Maurice: „Das Einzige, was sicher ist im Leben – das ist die Steuer und der Tod.“ Wer wüsste das besser als eine Becker. Maurice, die Psyche eines Reality-Darstellers nach außen stülpend: „Mann, dat ist mein absoluter Traum hier. Ich bin nicht zum Spaß da. Ich habe mir immer vorgestellt, wie ich am Ende über die Hängebrücke gehe, das Feuerwerk im Himmel.“ – Schnief – „Aber anscheinend reicht et nicht.“ Der Vorhang des Selbstmitleids will sich einfach nicht schließen.
Und was gab’s zu Essen? Reis, Bohnen, natürlich, dazu „einen Strauß Hibiskus-Blätter, Okraschoten, Tellerkraut, Jamaica-Kirschen und zwei Bärenkrebse“, wie Anna-Carina brav vorliest. Ein Fall für Edith Stehfest, gegen deren Regiment am Kochtopf jeglicher Widerstand in sich zusammengefallen ist. Nur Sam, der Letzte unter den aufrechten Edith-Gegnern, macht ab und an noch eine Bemerkung: „Ich verstehe nicht, wie man Reis jedes Mal so verhunzen kann.“ Die Krebse zumindest finden alle: „lecker“. Timur hat sie shirtless serviert, der GZSZ-Darsteller kann es sich leisten. Sam: „Nackter Oberkörper. Das machen die so in Restaurants, die davon ablenken wollen, wie schlecht das Essen ist.“
Club der taffen Tanten: Lilly hat es satt, sich auf andere zu verlassen und will selbst in die Dschungelprüfung. Edith auch, will sie doch – auf dem letzten Platz stehend – das Publikum noch umstimmen. Beide hatten sich zuvor bereits verschwestert („Ich finde Lilly so eine coole Tante.“). Der Plan ging auf. Allgemeine Euphorie im Lager. Pierre ist sich – wie alle – sicher: „Das gibt Sterne!“ Sagen wir einmal so: Es gab mehr Sterne als in jeder anderen möglichen Konstellation.
Die Prüfung hieß „Dinieren oder Blamieren“ – IBES arbeitet sich als Running Gag weiter an der RTL-Verpflichtung von Stefan Raab ab (und damit natürlich auch von „Praktikant“ Elton). Was vom Namen her nett und harmlos klingt, entpuppte sich aber als mit Abstand härteste Prüfung, die es in dieser Staffel bisher zu bewältigen gab. Neun Fragen müssen Lilly und Edith beantworten, neun Runden „Food“ gibt es für sie zu kosten. Natürlich der ekelhaftesten Sorte. Wer schneller den „Buzzer“ drückt von den beiden und richtig antwortet, der muss nur eine halbe Portion essen, die andere eine ganze. 60 Sekunden Zeit pro Gang, je einen halben Stern pro Kandidatin. Die Sterne gibt es aber nur, wenn das Essen vollständig und rechtzeitig heruntergeschluckt worden ist.
Die Quiz-Fragen gingen dann von „Wie heißt die Hauptstadt von Australien?“(Canberra) über „Wie heißt Pierre korrekt mit Nachnamen?“ (ihre Antworten: siehe oben) bis – kein Scherz – „Wie heißt der jüngste Sohn von Boris Becker?“ Edith drückte, bevor die Frage zu Ende gestellt war, auf den Buzzer. Sie wusste auch, dass Lillys Sohn Amadeus heißt. Aber das war nicht die Antwort. Die ganze Frage hätte nämlich gelautet: „Nach welchem Komponisten ist der Sohn benannt?“ (Mozart). So weit, so halbwegs egal. Wichtiger waren eh die neun Gänge des „Dinners“: Saudarm, australischer Sandwurm, Ziegenanus, Schafsbockhoden, Rinderhirn, Krokodilherz, Lammmagen, Schweinezunge und – eine absolute Premiere im Dschungelcamp: Büffelvagina.
Das große Rülpsen. Die ersten beiden Gänge – Saudarm-Spieß und australische Sandwürmer – schafften beide aus dem „Club der taffen Tanten“ (zwei Sterne). In Runde drei zog dann Lilly davon. Während sie den Ziegenanus herunterbekam, blieb er Edith im Hals stecken. Halber Stern. Und so ging es weiter, beide schenkten sich nichts, probierten jeden Gang, ein einziges Sprotzen, Würgen, Spucken, Rülpsen. „Ich kann nicht, mein Körper ist zu“, entschuldigte sich Edith, während Lilly auch den Schafsbockhoden, die Hände auf den Ohren, der Blick starr, irgendwie herunterschluckte. Edith: Wie schaffst Du das nur?“ – Lilly: „Ich bin dann in meiner Lillywelt“. Am Ende haben die beiden vier Sterne und den ganzen Respekt von Jan Köppen und Sonja Zietlow. „Riesenkompliment!“ Lilly antwortet mit einem infernalischen „Rülpser des Jahrhunderts“ (Zietlow).
War noch was? Erstens: Eine angesichts des Schwierigkeitsgrades der Dschungelprüfung wieder einmal umso lächerlicher wirkende „Schatzsuche“. Alessia und Timur mussten eine Dschungel-Variante des Partyspiels „Bierpong“ spielen, nichts Wildes, machten sie auch weitgehend erfolgreich und diesmal auch ohne allzu viel Show. Beide erwarfen und fingen Kugeln für drei von vier möglichen Schlüsseln. Der Erste passte gleich ins Schloss der Schatzkiste. Es gab Chips.
Zweitens: Maurice und Timur lieferten sich noch ein Drama auf sehr niedrigem Trash-TV-Niveau, das aber einiges über „die Denke“ der beiden und die Mechanismen im Reality-TV verriet. Also: Maurice versuchte sich wortreich doch noch in ein Raubtier zu verwandeln, das sich gegen den Rauswurf stemmt, redete dabei aber vor allem über seine Angst. Timur, der das hörte, verglich die Situation – tatsächlich very krude – mit seiner eigenen, als er erfuhr, dass das Baby im Bauch seiner Frau womöglich blind auf die Welt käme. Das wertete Maurice wiederum messerscharf als Versuch des „Kollegen“, sich auf Kosten seiner eigenen Sendezeit zu profilieren. Maurice: „Ich hasse das wie die Pest!“ Im Laufe der mäßig interessanten Auseinandersetzung fallen dann noch die Bezeichnungen „kalkuliert“, „berechnend“, „scheinheilig“ für den GZSZ-Darsteller (soll keiner sagen, dass der Wortschatz der Miezekatze klein sei). Antwort Timur: „Isch schwör auf meine Mutter: Wenn ich etwas anderes wollte als dich aufzubauen – dann soll ich sterben!“ Soll er bitte nicht. Maurice, am Ende: „Ich bin nicht der Schlauste und weiß vielleicht nicht, wer Pistorius ist.“ Wohl gesetzte Pause. „Aber Menschenkenntnis kann ich!“.
Wer musste gehen: Der Dschungel hängt dieses Jahr nicht voller Geigen, aber Überraschungen. Die zusammengezählten Anrufe von Tag elf und zwölf sorgten doch noch dafür, dass weder Edith (gestern in der Pole-Position) noch Maurice (Platz 2) rausgewählt wurden. In die Endauswahl kamen mit jeweils einem „vielleicht“: Anna-Carina und Sam. Gehen musste – Trommelwirbel – Sam.
Was heißt das: Dass erstens -– unverdient – das Gejammer des Löwen gefruchtet hat und der taffe Tantenfight – verdient – sich für Edith auszahlte. Zweitens bleibt es weiter ein Rätsel, womit Timur in den Augen des Publikums punktet. Außer dem Aussehen? Und drittens scheint Schlagersängerin Anna-Carina tatsächlich über eine stabile Fanbase zu verfügen. Denn obwohl sie bei ihrer Prüfung mit Piere keine gute Figur abgegeben hatte und an Tag zwölf kaum stattfand außerhalb des „dämlichen“ Streits um Pierres Witz – sie blieb drin. Genügt es für sie wirklich, sich am Ende des Tages ins Dschungeltelefon zu setzen und in die Kamera zu rufen: „Sorgt dafür, dass wir die Dschungelkrone in die Schlagerwelt holen“?
Heute geht es weiter um 20.15 Uhr auf RTL und RTL+
Source: welt.de