Donald Trump knickt vor den Anleihemärkten ein

Das muss ein bewegender Moment gewesen sein, als Handelsminister Howard Lutnick, Finanzminister Scott Bessent und US-Präsident Donald Trump zusammensaßen, während letzterer die Botschaft für seine eigene Plattform Truth Social tippte: Ein Teil der Zölle werde für 90 Tage ausgesetzt. Lutnick sprach von dem außergewöhnlichsten Medien-Beitrag Trumps in seiner Präsidentschaft überhaupt, während Bessent später vor Journalisten nach Worten suchte, um die Größe von Trumps Mut und dessen außergewöhnliche Geschicklichkeit zu beschreiben, um für sich die beste Verhandlungsposition herauszuschlagen. Das könne keiner so wie Trump, sagte Bessent ehrfürchtig. Die Botschaft: Die Welt sei Zeuge einer sorgfältig ausgeklügelten Strategie des Präsidenten, die nun in die nächste Phase getreten ist.

Die sogenannten reziproken Zölle für 60 Länder ruhen für 90 Tage, so dass deren Importe nun neben verschiedenen anderen Zöllen zunächst nur mit einem Basiszoll von zehn Prozent belastet werden. Gegen China eskalierte Trump dagegen den Handelskrieg und verlangt nun drakonische 125 Prozent Zoll für Importe, zu denen sich vorherige Zölle hinzuaddieren. Mangelnden Respekt und Vergeltungsmaßnahmen Pekings führte Trump als Grund an.

Eine profanere Deutung für das plötzliche kleine Zollmoratorium des großen Unterhändlers lautet, dass Trump sich zum Einlenken gezwungen sah, weil sich zu den schweren Verlusten an den Aktienmärkten und zunehmenden Warnungen vor einer US-Rezession und einer Weltwirtschaftskrise erste Signale auf eine drohende Finanzkrise zeigten.

US-Staatsanleihen waren der Knackpunkt

Der Ausverkauf von US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit hatte schwere Unruhe ausgelöst. Das ist kein Wunder: Diese Staatsanleihe ist das wichtigste Wertpapier überhaupt. Es dient nicht nur als Referenzpunkt für Darlehen, Anleihen und Wertpapiere, sondern auch als sicherer Hafen für Anleger aus aller Welt. So gehört es zu den traditionellen Mustern, dass sich Aktieninvestoren vor weiteren Börseneinbrüchen zu schützen pflegen, indem sie ihr Geld in US-Staatsanleihen umparken.

Umso bestürzter waren Marktbeobachter, als seit Montag, während die Aktienkurse ebenfalls auf breiter Front ihren Abwärtskurs weiter fortsetzten, die Renditen der Anleihen stiegen. Steigende Renditen gehen mit einem sinkenden Kurswert der Anleihe einher. Am Mittwoch stieg die Rendite kurzzeitig auf 4,47 Prozent, um später etwas nachzugeben. Am Ende der vergangenen Woche hatte die Rendite noch knapp unter vier Prozent gelegen.

Banken planten Notkäufe

Eine wichtige Rolle spielten offenbar Hedgefonds, die sich viel Geld geliehen und in Staatsanleihen gesteckt hatten und nun von Kreditgebern zu Verkäufen gezwungen wurden. Generell setzten Anleger offenbar angesichts der Volatilität der Märkte auf Bargeld. Wie ernst die Lage ist, zeigt eine Notiz des Deutschen-Bank-Strategen George Sarevelos am Mittwoch an Kunden: „Wenn die jüngsten Störungen auf dem US-Treasury-Markt anhalten, sehen wir keine andere Möglichkeit für die Fed, als mit Notkäufen von US-Treasuries einzugreifen, um den Anleihemarkt zu stabilisieren.“

Dass Finanzmarkt-Bewegungen hochpolitische Relevanz bekommen können, hatte die glücklose britische Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss schmerzlich erfahren, als Anleger auf ihre Finanzpolitik aus Steuersenkungen und wachsender Staatsverschuldung mit der Flucht aus dem britischen Pfund und der Staatsanleihen reagierten. Die Krise zwang die britische Zentralbank zu einem Notkaufprogramm von Anleihen – und Liz Truss nach nur sieben Wochen im Amt im Oktober 2022 zum Rücktritt.

Der Trottel-Risiko-Aufschlag

Der britische Analyst Dario Perkins prägte damals den Begriff vom „Moron Risk Premium“. Das ist der Aufschlag auf Staatsanleihen, die mit dem Risiko belastet sind, dass ein Trottel die Regierungsgeschäfte führt. In den USA stellte zuerst die Trump weniger gewogene Presse die Frage, ob nun auch für US-Staatsanleihen so ein Trottel-Risiko-Aufschlag zu entrichten sei. Perkins teilte laut „Financial Times“ mit, die USA seien noch deutlich von einem Liz Truss-Moment entfernt, warnte aber zugleich: Wenn die Federal Reserve vom Weißen Haus attackiert werde, viel über einen „Mar-a-largo-Accord“ geredet werde, massiv willkürliche Zölle erlassen würden und ausländische Halter von US-Staatsanleihen bedroht würden, könnten ungemütlichere Zeiten anbrechen. Der letzte Aspekt gewinnt an Relevanz, weil das massiv attackierte China US-Staatsanleihen im Umfang von 760 Milliarden Dollar hält, wie eine Auflistung des Finanzministeriums zeigt. China ist damit die Nummer zwei hinter Japan und vor Großbritannien unter den ausländischen Eigentümern.

DSGVO Platzhalter

Einer, der mit britischen Turbulenzen bestens vertraut ist, ist US-Finanzminister Bessent, der selbst als Finanzinvestor in den Diensten von Hedgefonds-Manager George Soros an einer spektakulären Spekulation gegen das britische Pfund beteiligt war. Bessent hatte am Mittwoch kurzfristig einen Termin im Kongress abgesagt, um sich mit Trump und Lutnick zu Beratungen zu treffen, an deren Ende das kleine Zollmoratorium stand. Trump selbst gestand ein, dass die Leute doch ein bisschen nervös geworden seien.

Börsen schießen wieder in die Höhe

Wie sehnsüchtig die Märkte auf einen Kurswechsel in Trumps Handelspolitik warten, zeigte sich an den gewaltigen Kursgewinnen kurz nach Verkündung der Zollpause um 13 Uhr Ostküstenzeit. Der S&P-500-Index machte einen Satz und gewann am Ende 9,5 Prozent, der Nasdaq 100 legte sogar 12 Prozent zu. Die Renditen der Staatsanleihen dagegen blieben vergleichsweise hoch, weshalb zumindest Bessent noch unter Spannung stehen dürfte. Nachdem Trump am Montag noch geprotzt hatte, dass Staats- und Regierungschefs der Welt in Panik geraten seien und ihm „den Arsch küssen“, um die Abgaben zu senken, ging er nun selbst vor den Anleihemärkten in die Knie.

Die Episode kennt aber auch Sieger. Elon Musk, der sich seit Kurzem in kraftvollen Wortbeiträgen als Freund des Freihandels offenbart, vergrößerte sein Vermögen um einige Milliarden Dollar, weil die Tesla-Aktie um 22 Prozent zulegte. Er darf sich auch als Sieger in der Schlacht der Worte mit dem Architekten von Trumps Zollpolitik, Peter Navarro, fühlen, den er als Trottel und als „dümmer als ein Sack Backsteine“ beschimpft hatte.

Erleichtert dürften sich auch die Republikaner im Kongress fühlen, von denen einige Trump das Recht zur Verhängung von Zöllen abnehmen wollten. Einige Senatoren hatten ihren Unmut über die Handelspolitik zuletzt lauter kundgetan.

Noch längst keine komplette Kehrtwende

Für Überschwang allerdings ist es zu früh. Denn die 90-Tage-Frist verlängert für viele Unternehmer nur die paralysierende Unsicherheit. Dazu kommt, dass Trump seine Sympathie für Zölle nicht verloren hat. So kündigte er jetzt an, die Verkündung von Zöllen auf pharmazeutische Erzeugnissen stehe kurz bevor. Die weiter geltenden US-Zölle entsprechen überdies einer Erhöhung der effektiven Zolllast um 25 Prozent, rechnete das an der Yale-Universität angedockte Budget Lab vor.

„Sie haben die größte wirtschaftliche Meisterstrategie eines amerikanischen Präsidenten in der Geschichte miterlebt“, verbreitete Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller. Der Präsident selbst teilte mit: „Kein anderer Präsident hätte getan, was ich getan habe. Kein anderer Präsident. Und es musste getan werden.“