documenta: Die Idee von der Weltkunstausstellung hat sich überlebt
Lange galt die documenta als unkaputtbar: als deutscher Supertanker der
Weltoffenheit, der jede Skandalklippe, und sei sie noch so schroff, zu
umschiffen vermag. Die Kunst ist groß, der Horizont unendlich – und wir, die
deutschen Leichtmatrosen zu jedem Abenteuer bereit! Das war die Verheißung
dieser Ausstellung, die alle fünf Jahre wieder für internationales Auf- und
Ansehen sorgte: dass sich hier in Kassel, fernab des Metropolengetöses, etwas
Unabsehbares ereignen würde – der Aufbruch in die Weiten der Kunst.
Nun allerdings hat sich der Supertanker auf den Sandbänken der Wirklichkeit
gründlich festgefahren. Nach den Antisemitismus-Debatten des vorigen Sommers
war eigentlich Läuterung versprochen worden: Die Großausstellung sollte sich
selbst befragen, möglichst gründlich, möglichst zerknirscht. Sollte klären, wie
es überhaupt zum Desaster der documenta fifteen hatte kommen können und was
sich daraus lernen lässt. Die selbst verordnete Denkpause war jedoch offenbar,
kaum hatte sie begonnen, schon wieder zu Ende: Wohlgemut wurden die Planungen
für die nächste documenta wieder aufgenommen, natürlich mit dem Versprechen,
dass künftig alles viel besser und gründlicher abgewogen und organisiert werde.
Nie wieder Antisemitismus, nie wieder Großskandal!