Disruptiver Bürokratieabbau: Elon Musk und die Krise dieser Staatlichkeit
Der Staat als Beute – das ist eine mittlerweile ausgetretene Phrase der Parteienstaatskritik. Sprichwörtlich wurde sie dank Hans Herbert von Arnim, einem Verfassungsrechtler aus Speyer, der 1993 dem ersten seiner vielen populären Bücher zum Thema diesen Titel gab. Untertitel: „Wie Politiker in eigener Sache Gesetze machen“. Heute ist der auf Diäten, Parteienfinanzierung oder den diffusen Verdacht politischer Korruption bezogene Satzbaustein in neurechten Kreisen beliebt; er wird dort gerne mit dem Stolz der gefundenen Sentenz intoniert.
Staatsapparatskritik im Stil von Arnims war eine der Gründungsideen der AfD, eingespeist von Professoren, die immer noch behaupten, dass die Partei ursprünglich ein liberales Projekt gewesen sei. In die Tat umsetzen konnten die „neuen Staatsfeinde“, die der Journalist Jan Roß schon im Umfeld der Schröder-Regierung ausgemacht hatte, ihre Attacken auf die Bürokratie in Deutschland nie.
Ohne förmlichen Eintritt in den Staatsdienst
Anders jetzt in den Vereinigten Staaten. Mit der Wahl von Donald Trump sind Elon Musk und dessen „Department of Government Efficiency“, das nur so heißt wie ein Ministerium, aber rechtlich nicht als solches verfasst ist, in eine einzigartige paraadministrative Sonderstellung gelangt. Die „New York Times“ hat enthüllt, dass Musks Personal gegen den Widerstand des zuständigen Beamten Zugriff auf das zentrale Zahlungssystem der Bundesverwaltung erlangt haben soll, das 2023 Auszahlungen von mehr als fünf Billionen Dollar verantwortete. Das Magazin „Wired“ lieferte soziologische Details zum Personal nach. Demnach besteht das Team von Musks Übernahme aus sechs jungen Männern unter 25, die allesamt vorher mit ihm oder dem Palantir-Chef und Milliardärskollegen Peter Thiel assoziiert waren.

Diese jungen Herren werden in der Staatsverwaltung aktiv, ohne in den öffentlichen Dienst eingetreten zu sein. Ein solcher förmlicher Laufbahnwechsel ist auch nicht vorgesehen. Teilweise bekleiden sie nebulöse Positionen in den Hintergrundorganisationen des „administrative state“, über dessen Undurchschaubarkeit Libertäre sich zu beklagen pflegen, in den wohlklingend benannten Ämtern für allgemeine Dienstleistungs- oder Personalverwaltung. Manchmal haben sie auch nur entsprechende E-Mail-Adressen. Von dort aus sollen sie dann in beliebigen Geschäftsbereichen wildern. Die reguläre Kompetenzordnung scheint ausgesetzt.
Einen ähnlichen Überfall erlebte das Entwicklungshilfeprogramm USAID. Rund sechzig leitende Angestellte der gesetzlich unabhängigen Behörde wurden kurzerhand freigestellt, auf Verschlusssachen soll unautorisiert zugegriffen worden sein. Der gewählte Präsident dient bei alledem bloß noch als formale Legitimationsressource. Bei USAID wurde Trumps vermeintlicher Wille zur Auflösung der Organisation zunächst lediglich durch Musks Mund bekannt.
Beamte werden gefeuert – oder zu Zuschauern
Auf die Nachfrage von Journalisten, ob er die Behörde abwickeln wolle, äußerte sich Trump am Dienstag charakteristisch unbestimmt: Es klinge so. Er glaube schon. Seine Pressesprecherin stellte klar, dass Musk im Auftrag des Präsidenten agiere. Dessen Personal soll in die ein halbes Dutzend Behörden betreffenden Kaperungen indes gar nicht eingebunden sein. Die Befehlsgewalt über die Staatsbeamten hat Trump offenbar nur erlangt, um sie in der einen oder anderen Weise arbeitslos zu machen: Entweder sie werden entlassen, oder sie haben nichts mehr zu tun.

Will man in Trumps Namen überhaupt noch verfassungsgemäß handeln? Laut Artikel 1 Abschnitt 8 Klausel 18 der Verfassung hat der Kongress die Organisationsgewalt über die Verwaltung inne. Die völlig neue Drastik der Situation begreift man aber erst, wenn man die Akteure nicht nur in ihren offiziellen Funktionen in den Blick nimmt, sondern auch in ihren persönlichen Verhältnissen. Elon Musk ist einer der größten Subventionsempfänger und öffentlichen Auftragnehmer der USA. 2023 betrug der Wert seiner Geschäfte mit dem Staat gut drei Milliarden Dollar, wobei deren Großteil in den sensiblen Ressorts der Raumfahrt und Verteidigung getätigt wurde.
Zugleich sind viele der von Musk mindestens potentiell unter Kontrolle gebrachten Behörden für die Aufsicht über seine Unternehmen zuständig, die wiederum von unterschiedlichsten Ordnungsmaßnahmen betroffen oder bereits in Rechtsstreitigkeiten mit dem Staat verwickelt sind. Was Elon Musk erreichen will, ist Liquidität aus Staatsquellen ohne staatlichen Normbefehl. Schutz ohne Gehorsam.
Mit diesen (Straf-)Expeditionen überbrückt Musk die immer schon eher programmatisch gemeinte Unterscheidung von öffentlichem Haushalt und privater Wirtschaft in dem Land, in dem diese Unterscheidung entstanden ist. Eine Krise US-amerikanischer Staatlichkeit zeichnet sich ab: Der reichste Mensch der Welt hat den Rubikon jener urliberalen Demarkationslinie eigenmächtig überschreiten können. Gesetze in eigener Sache muss Musk vielleicht gar nicht mehr verabschieden lassen. Er hat sich den Staat zur Beute gemacht.
Source: faz.net