Diese Gründerin baut ein Computerspiel, bei dem echte Soldaten gegen eine Super-KI kämpfen müssen

Yvonne Hofstetter ist Gründerin, Autorin und Professorin. Mit 21Strategies baut sie an einer KI für den Kriegsfall. Das interessiert Rüstungskonzerne und die Bundeswehr.

Yvonne Hofstetter, CEO von 21Strategies, ist seit kurzem Mitglied des Daten- und KI-Prüfungsausschuss der NATO.
21Strategies

Künstliche Intelligenz kann mehr als Hausarbeiten schreiben oder Fragen zu Goethe beantworten. Sie kann auch Krieg spielen – so wie es das Startups 21Strategies seiner KI beigebracht hat. Die Jungfirma mit Sitz im bayrischen Landkreis Freising baut eine Art Computerspiel, bei dem Soldaten gegen Bedrohungen antreten, die von einer Künstliche Intelligenz simuliert werden.

CEO und Mitgründerin von 21Strategies ist Yvonne Hofstetter. Der Spiegel nannte die gebürtige Frankfurterin einst „Computer-Prophetin.“ Sie schrieb mehrere Bücher zu militärischer Verteidigung, Künstlicher Intelligenz und wie neue Technologien unser Leben verändern werden, wie in dem 2016 erschienenen Werk „Das Ende der Demokratie.“ 2018 erhielt Hofstetter für ihre Arbeit den Theodor-Heuss-Preis, den Persönlichkeiten und Organisationen erhalten, die sich für Demokratie und Bürgerrechte engagieren. Daneben sitzt die Unternehmerin unter anderem im Daten- und KI-Prüfungsausschuss der NATO und doziert in den Fächern Ethik und Verantwortung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

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Das Ziel: Soldaten auf zukünftige Kriege vorbereiten

Seit 2020 arbeitet sie mit 21Strategies nun an der Software „Ghostplay“. Das Programm soll dystopische Kampf-Szenarien wie etwa den Angriff von hunderten Drohnenschwärmen simulieren können. Im Gegensatz zu klassischen Computerspielen, bei denen die Gegner sich so verhalten, wie es die Entwickler ihnen vorgeben, soll die Künstliche Intelligenz „Ghostplay“ selbständig Taktiken erlernen und durchführen können. Das mache die simulierten Kampfhandlungen unberechenbar, so Hofstetter im Gespräch mit Gründerszene. Die Idee dahinter ist es, Soldaten auf Gefechte der Zukunft vorzubereiten, in dem Kriege mithilfe von KI-Systemen geführt werden.

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Die Technologie rief Anfang 2023 den Rüstungskonzerns Hensoldt auf den Plan, der seitdem mit etwa zehn Prozent an dem Startup beteiligt ist. Die börsennotierte Firma baut Sensoren und Radare zur Überwachung, Aufklärung und Luftverteidigung. Was 21Strategies für den Rüstungsriesen so interessant mache, sei die detailgetreue Modellierung militärischer Kampfgeräte wie dem A400m-Flieger, dem Gepard-Panzer oder anderer Sensortechniken. Heißt: Hensoldt kann mithilfe von „Ghostplay“ seine eigenen Produkte virtuell auf den Prüfstand stellen, die dann von echten Menschen in der virtuellen Umgebung genutzt werden.

Mit dem Programm könnten Behörden viel Geld sparen

Bei dem Use Case soll es Hofstetter zufolge nicht bleiben. So sollen auch Beschaffungsbehörden vor einem Kauf eines Panzers oder Jets prüfen können, wie die Geräte im Gefecht performen – etwa gegen einen Schwarm billiger Drohnen. Und zwar, bevor Behörden aberwitzige Summen in die Anschaffung stecken.

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Hofstetter hat 21Strategies nicht allein gegründet, sondern gemeinsam mit Christian Brandlhuber und Scott Muller. Brandlhuber, CTO im Startup, leitete unter anderem jahrelang Projekte bei Siemens Defense Systems und war als VP Research und Development beim Münchener Startup Konux tätig. Auch Muller war bei dem Sensorik-Startup tätig. Hofstetter startete zuvor das Software-Unternehmen Teramark Technologies GmbH, das allerdings nach rund zehn Jahren liquidiert wurde.

„In Deutschland ist der Defense-Bereich sehr bürokratisch“

21Strategies gründete das Trio ursprünglich als Fintech, das Banken gegen Finanzrisiken absichert. Und kein Defense-Startup, das an Rüstungskonzerne und die Bundeswehr verkauft. Der Hauptgrund hierfür sei die überbordende Bürokratie dahinter sowie langwierige Beschaffungsprozesse und komplizierte Ausfuhrkontrollen. „In Deutschland ist der Defense-Bereich sehr bürokratisch, stark von der Politik abhängig und die Rahmenbedingungen sind allgemein sehr unzuverlässig“, sagt Hofstetter im Gespräch.

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Sie habe sich dann doch für den holprigen Weg entschieden. Denn das Bundesverteidigungsministerium steckte inmitten der Corona-Pandemie 500.000 Euro in die Bundeswehruniversitäten in München und Hamburg, mit dem Ziel der Förderung neuer, militärischen Startup-Technologien. Hofstetter, Brandlhubder und Muller wollten von der Förderung profitieren und machten aus ihrem Finanzprodukt für den Finanzmarkt ein Computerspiel für Soldaten. Mit dem Pivot vom Fintech zum Defensetech bekamen sie den Zuschlag von der Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg.

Wie das Startup versucht, Ethik, Werte und Krieg in Einklang miteinander zu kriegen

Eine Dozentin für Ethik, die das Ende der Demokratie durch Technologie voraussagt – wie passt das mit der Gründung eines Militär-Startups zusammen, das auf Künstliche Intelligenz setzt? Hofstetter sagt, ihr mache die Arbeit im Verteidigungssektor Spaß, da die Symbiose von Mensch und Maschine, die Frage nach Ethik und Werten, sehr komplex sei.

„Die Anforderungen an die Qualität von KI-Systemen wie „Ghostplay“ sind extrem hoch.“ Als Norm für die Entwicklung des Programms verwendet das Startup aus Bayern einen Ethikstandard namens IEEE 7000, das vor Jahren vom Institute of Electrical and Electronics Engineers festgelegt worden ist. 

Das Ganze nennt Hofstetter „wertebasiertes Engineering.“ Grob zusammengefasst legt das Startup im Voraus Werte, also Überzeugungen und Haltungen fest, die der Nutzer, in diesem Fall etwa der Soldat, durch das Computerspiel vermittelt bekommen soll. Beispielsweise kann ein solcher Wert Selbstvertrauen sein. Ein Soldat soll durch das Programm also mehr Selbstvertrauen im Gefecht erlernen. Oder auch Flexibilität in schwierigen Situationen.

Wachsendes Interesse an Defense-Technologien

Aktuell erhalten Startup-Technologien, die militärische Zwecke verfolgen, viel Aufmerksamkeit. Insbesondere seitdem Russland die Ukraine angegriffen hat. Infolgedessen brachte die Nato etwa im vergangenen Jahr ein milliardenschweres Start-Förderprogramm namens Defense-Innovation-Accelerator for North Atlantic (Diana) ins Rollen. Zudem überdenken einige VCs, ganz prominent der Wagniskapitalgeber Project A, ihre Haltung zu Dual-Use-Firmen – also Unternehmen, deren Produkte im zivilen sowie militärischen Bereich einsetzbar sind.

Auf das Geld von VC-Firmen sei 21Strategies nicht angewiesen, sagt Hofstetter ganz bewusst. Dieses Jahr werde das junge Startup Cashflow positiv sein. Bis 2024 sollen laut eigenen Angaben Bundeswehrsoldaten mit dem Computerspiel üben können. Mit dem Cyber-Innovation-Hub der Bundeswehr führe Hofstetter bereits Gespräche. Das Cyber Innovation Hub hat es sich zum Ziel gesetzt, Startup-Innovationen in die Bundeswehr zu bringen.

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Source: businessinsider.de