Die Hölle dieser Peinlichkeit ist plötzlich zugefroren

Nun kommt die Zeitenwende, aber wirklich: Blackrocker Friedrich Merz trommelt für ein 900-Milliarden-Sondervermögen und will die Schuldenbremse aussetzen. FDP-Anhänger feiern die Grünen wegen ihrer Blockade-Haltung. Und die Junge Union (JU) ist plötzlich stabil.

Insbesondere letzteres ist verstörend, denkt man bei der JU doch vor allem an Perlen-Paulas und Justusse mit Jura-Schläpple (Timberland-Bootschuhe).

Sie fielen in den vergangenen zehn Jahren neben der wiederkehrenden Forderung nach einem Pflichtjahr mit dem missglückten Versuch auf, sich ästhetisch an den Zeitgeist heranzurobben und weiße Sneaker mit Deutschland-Fahne zu tragen. Der damalige JU-Chef Tilman Kuban rief den „Sneaker-Konservatismus“ aus. Wie keck, wie peinlich.

Doch die Hölle der Peinlichkeit ist zugefroren. Unter dem Vorsitzenden Johannes Winkel ist die JU erstaunlich lässig. Woran das liegt? Zeiten ändern dich. Die aktuellen Mega-Schulden, die Merz mit den Grünen und der SPD aufnehmen möchte, erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Die Junge Union, die bislang ihren Blick in die Vergangenheit wandte, fragt zu Recht: Warum müssen die Jungen alles stemmen?

In einem Vier-Seiten-Papier kritisiert die JU die massive Neuverschuldung und fehlende Reformen, den fetten Staat und langwierigen Bürokratieprozesse. Sie fordern eine „neue Generationengerechtigkeit“.

Zwischendrin wird es sogar erstaunlich munter. Das 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur lehnt die JU ab, weil es dem Motto „Alles außer Tierfutter“ entspreche, also fast alles finanziert, was man mit Schulden so finanzieren kann. Die Begriffe Infrastruktur und Investition seien so unzureichend definiert, dass man politische Konflikte programmiere.

Ähnlich erfrischend und ähnlich weitsichtig ist die Feststellung: „Die Demografie ist die Mutter aller Probleme in Deutschland.“

Mütterrente oder Agrardiesel – Hauptsache Infrastruktur

Damit begründet die JU ihre Ablehnung der Mütterrente, die mit dem Sondervermögen für Infrastruktur ausgeweitet werden soll, die ähnlich wie die Subventionierung von Agrardiesel neuerdings unter „Infrastruktur“ fällt. Oder wie Andreas Möller sagen würde: Mütterrente oder Agrardiesel – Hauptsache Infrastruktur.

Besonders originell ist die Forderung der neuen „Verteidigungsumlage“. Die Junge Union schlägt vor, dass alle Generationen gemeinsam für höhere Verteidigungsausgaben aufkommen. Dort heißt es: „Keine Generation hat zeit ihres Lebens so sehr von der Friedensdividende profitiert wie die nun ältere Generation. Warum sollte die Verpflichtung zur Finanzierung der Verteidigung ausschließlich bei den nächsten Generationen liegen?“

Das ist schon allein deshalb richtig, weil die Jungen nicht nur lebenslänglich für die Schulden aufkommen müssen, sondern auch die Jungen diejenigen sind, die die Wehrpflicht treffen würde.

Die Junge Union macht derzeit viel richtig. Sie vertritt, anders als die Lifestyle-Linken um Heidi Reichinnek, die Interessen jener, die das Land auch künftig braucht: die Mutigen, die für Frieden bereit zu kämpfen sind und die Fleißigen, die den Wohlstand erarbeiten.

Wenn man so viel richtig macht, darf man auch weiße Sneaker tragen.

Source: welt.de