Die EU stutzt die Rechte der Bahnkunden

Bahnkunden haben künftig weniger Zeit, ihre Rechte aus Verspätungen und Zugausfällen geltend zu machen. Künftig bleiben ihnen nur noch drei Monate statt einem Jahr, um den Antrag zu stellen. Außerdem haben sie keinen Anspruch mehr auf Entschädigungen, wenn ihr Zug wegen extremer Wetterbedingungen oder aus anderen Gründen „höherer Gewalt“ verspätet ist.

Grund dafür ist eine neue EU-Fahrgastrechteverordnung, die zum 7. Juni in Kraft tritt. Die Deutsche Bahn beteuert jedoch, dass sich die neuen Regeln für die meisten Kunden nicht auswirkten, weil sich die Bahn freiwillig zu großzügigeren Regeln entschlossen habe. „Wir haben bei der Bahn die großzügigste Regelung im Bezug auf die Fahrgastrechte“, sagte Marketingvorstand Stefanie Berk. Das werde der Konzern beibehalten.

Auch die Verkürzung der Fristen werde für viele Kunden nicht zum Problem, weil ohnehin 97 Prozent der Menschen ihre Rechte innerhalb der ersten drei Monate geltend machten. Außerdem werde man weiterhin Kulanz walten lassen, wenn die Anträge später eingereicht würden, versprach Berk.

Für Verspätungen wegen Baustellen muss die Bahn weiter geradestehen

Die Fahrgastrechte wurden vor zwei Jahren auf Betreiben der Mitgliedstaaten eingeschränkt, weil sie eine Schlechterstellung der Bahnunternehmen gegenüber den Fluglinien beenden wollten. Das stieß auf heftige Kritik von Verbraucherverbänden, die fürchteten, dass das Vertrauen der Menschen in Europa schwindet, wenn die Fahrgastrechte im Bahnsektor „ausgehöhlt“ würden.

Für die Bahnkonzerne, die wie in Deutschland häufig in staatlicher Hand sind, galten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs strenge Regeln. Bisher müssen sie auch dann für Verspätungen zahlen, wenn Personenunfälle der Grund sind, Strecken wegen Polizeieinsätzen gesperrt werden müssen oder wenn Kabel oder Schienen gestohlen wurden. Das wird sich nun ändern.

Die Bahn kann dennoch nicht darauf hoffen, dass sie weniger zahlen muss, denn die meisten Verspätungen sind auf Baustellen und die schlechte Schieneninfrastruktur zurückzuführen – und für die muss die Bahn weiter geradestehen.

Im vergangenen Jahr musste sie rund 3,8 Millionen Anträge bearbeiten. Das Unternehmen zahlte die Rekordsumme von 92,7 Millionen Euro an seine Kunden aus – mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2021. Damals waren wegen der Corona-Pandemie allerdings auch deutlich weniger Menschen mit der Bahn unterwegs, zudem waren die Züge pünktlicher. Außerdem lassen sich die Erstattungen inzwischen sehr viel unkomplizierter über die Internetseite der Bahn oder in der Navigator-App abwickeln.

An der Höhe der Entschädigungen ändert sich indes nichts. Bei Verspätungen zwischen einer und zwei Stunden erhalten Bahn-Fahrgäste weiter ein Viertel des Fahrpreises erstattet, danach die Hälfte.