Die Deutschen werden real ärmer

Deutschlands Privathaushalte haben es in den vergangenen Jahren geschafft, ihr Vermögen im Schnitt trotz aller Widrigkeiten nominal zu vermehren. Allerdings haben die zum Teil hohen Inflationsraten dafür gesorgt, dass die Vermögen real, also nach Abzug der Inflation, geschrumpft sind. Das geht aus einer Studie der Bundesbank zur wirtschaftlichen Lage privater Haushalte hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Für diese Studie wurden rund 4000 Haushalte regelmäßig zu Vermögen, Schulden und Einkommen befragt.

Demnach ist der Mittelwert der Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland von 2021 bis 2023 nominal, also ohne Berücksichtigung der Inflation, von 316.500 auf 324.800 Euro gestiegen. Das war also ein Zuwachs um 2,6 Prozent. Berücksichtigt wurden dabei neben Spar- und Girokonten, Immobilien und Wertpapieren auch Wertgegenstände wie das Auto oder Schmuck.

Real, also unter Berücksichtigung der Inflation zu Preisen von 2010, ging der Mittelwert der Ver­mögen hingegen zurück, von 268.700 auf 239.200 Euro, also um rund elf Prozent. Die Inflation fraß deutlich mehr auf, als an Vermögen hinzugewonnen wurde.

Kleiner sind die Beträge, wenn man statt des Mittelwerts den sogenannten Median betrachtet: Das ist das mittlere Vermögen, für das die Ungleichverteilung mitberücksichtigt wird. Der Median ist demnach zwischen 2021 und 2023 nominal von 106.600 auf 103.200 Euro zurückgegangen, also um rund drei Prozent. Real, also unter Berücksichtigung der Inflation, sank der Median der Vermögen in dem Zeitraum von 90.500 auf 76.000 Euro, also um stolze 16 Prozent.

Hauspreisverfall, Entsparen und Inflation

Die Bundesbank weist darauf hin, dass es für die Erklärung dieser Phänomene verschiedene Effekte gebe, die sich teilweise überlagern. So hätten die privaten Haushalte in der Zeit vor 2021 wegen der Pandemie zum Teil Geldbestände auf Giro- und Sparkonten angesammelt, weil es wegen der Corona-Maßnahmen schwerer gewesen sei, Geld auszugeben. Diese zusätzliche Ersparnis sei in dem betrachteten Zeitraum, als der Konsum wieder einfacher möglich war, zum Teil ausgegeben und aufgebraucht worden.

Daneben spiele die Preisentwicklung der Immobilien eine Rolle: Die Häuser waren in der Niedrigzinsphase teurer und teurer geworden. Dann stiegen die Zinsen, und es gab ei­nen gewissen Immobilienpreisrückgang. Der Grund für die Unterschiede zwischen nominaler und realer Vermögensentwicklung seien die Inflationsraten, die zeitweise so hoch waren wie seit der Einführung des Euros nicht.

Untersucht haben die Ökonomen aus dem Forschungszentrum der Bundesbank zudem die Frage, wie stark die Inflation und die realen Vermögensrückgänge die unterschiedlichen Teile der Bevölkerung getroffen haben. Auch da gibt es unterschiedliche Effekte, die sich überlagerten. Die Ärmeren geben oft einen größeren Teil ihres Einkommen für Nahrungsmittel und Energie aus, die in der Inflation besonders im Preis gestiegen sind. Die etwas Reicheren dagegen leiden besonders, wenn hohe Nominalbeträge auf den Sparkonten durch die Inflation an Wert verlieren. Die ganz Reichen dagegen können sich oft besonders gut ge­gen Inflation schützen, weil sie größere Teile ihres Vermögens in Unternehmensbeteiligungen investierten – und möglicherweise Vermögensverwalter haben.

Die Bundesbank kommt in ihrer Studie empirisch zu dem Befund, für drei Be­völkerungsgruppen seien unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten gewesen: für die untere Hälfte der Vermögen, für die Gruppe darüber (50 bis 90 Prozent der Vermögen) und für die obersten zehn Prozent. Der Rückgang der Vermögen zwischen 2021 und 2023 war demnach in der untersten Vermögensgruppe besonders ausgeprägt: Er betrug nominal mehr als zehn Prozent; real, also unter Berücksichtigung der Inflation, mehr als 20 Prozent. Die Bundesbank meint, in der un­teren Vermögensgruppe spiele der Effekt, dass in der Pandemie gespart und danach entspart wurde, relativ zum vorhandenen Vermögen eine besonders starke Rolle.

In der mittleren Vermögensgruppe dagegen gab es nominal in dem Zeitraum sogar noch einen Vermögenszuwachs, nach Inflation aber verloren auch die Menschen in dieser Gruppe. Die obersten zehn Prozent dagegen hatten nominal nur leichte Einbußen, nach Inflation traf es auch sie recht deutlich.

Gini-Koeffizient leicht zurückgegangen

In Summe, stellt die Bundesbank fest, hätten sich die wissenschaftlichen In­dikatoren für die Ungleichheit der Ver­mögensverteilung in Deutschland zu­mindest nicht nach oben entwickelt. Ein Maßstab, den man dafür ansetzt, ist der sogenannte Gini-Koeffizient, benannt nach dem italienischen Statistiker Cor­rado Gini (1884–1965). Es gibt ihn in etwas unterschiedlichen Varianten. Wenn man eine Skala von 0 Prozent für vollkommene Gleichverteilung der Vermögen (alle haben genau gleich viel) bis 100 Prozent für vollkommene Ungleichverteilung (alles gehört einem) ansetzt, dann kam Deutschland für die Vermögen im Jahr 2010 auf 76, im Jahr 2021 auf 73 und 2023 auf 72 Prozent.

Die Ungleichheit nach diesem Maßstab ist also nicht niedrig, aber sie hat etwas abgenommen.

Einen besonderen Blick hat die Bundesbank dazu noch darauf geworfen, wie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ihr Geld anlegen. Der Anteil der Haushalte, die Aktien halten, ist demnach seit 2017 von 11 auf 18 Prozent gestiegen, der Anteil der Haushalte mit Fonds, einschließlich der Indexfonds ETF, von 16 auf 24 Prozent. Die Aufteilung der Vermögen auf verschiedene Assetklassen ist dabei je nach Bevölkerungsgruppe weiter sehr unterschiedlich. Die untere Hälfte der Haushalte hält einen relativ hohen Anteil ihres Vermögens auf Spar- und Girokonten, auch das Auto ist hier eine wichtiger Vermögensbestandteil. In der mittleren Vermögensgruppe spielen das eigene Haus und Wertpapiere eine wichtige Rolle. Und nur in der obersten Gruppen ist das Betriebsvermögen ein wichtiger Vermögensbestandteil.

Bundesbank-Vorstandsmitglied Fritzi Köhler-Geib hob hervor, es sei erfreulich, dass der Anteil der Haushalte, die Wertpapiere be­säßen, steige: „Das ist eine erfreuliche Nachricht, denn trotz der aktuellen Schwankungen an den Aktienmärkten heißt das, dass Haushalte aktiver mit ih­rem Finanzvermögen umgehen und damit eine Chance haben, langfristig mehr aus ihrem Vermögen zu machen.“

Source: faz.net