Die Bundesaußenministerin rechnet nicht mit einem raschen Ende des Krieges in der Ukraine

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat der Ukraine notfalls jahrelange Unterstützung im Krieg gegen Russland zugesichert. „Wir müssen leider davon ausgehen, dass die Ukraine auch im nächsten Sommer noch neue schwere Waffen von ihren Freunden braucht“, sagte Baerbock der „Bild am Sonntag“.

Reuters

„Die Ukraine verteidigt auch unsere Freiheit, unsere Friedensordnung. Und wir unterstützen sie finanziell und militärisch – und zwar so lange es nötig ist. Punkt“, so die Grünen-Politikerin. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauert inzwischen seit mehr als einem halben Jahr an. Baerbock äußerte die Erwartung, dass der Krieg „noch Jahre dauern könnte“.

Russlands Präsident Wladimir Putin habe eine „Wahnvorstellung“ gehabt, die Ukraine binnen kürzester Zeit einzunehmen. Dieses Vorhaben sei aber nicht aufgegangen. Die Außenministerin verteidigte auch den Anspruch der Ukraine auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim. „Auch die Krim gehört zur Ukraine. Die völkerrechtswidrige Annexion von 2014 hat die Welt nie anerkannt.“

Baerbock warnte davor, angesichts der monatelangen Kämpfe eine Kriegsmüdigkeit in Deutschland herbeizureden. „Klar spüren inzwischen alle die Folgen von Putins Energiekrieg am eigenen Geldbeutel. Die soziale Spaltung Europas gehört zur Kriegsführung Putins. Dies müssen wir verhindern. Das wird ein steiniger Weg, aber es gehört zur politischen Verantwortung, die sozialen Schieflagen in Folge hoher Energiepreise abzufedern.“ Forderungen wie von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen zu nutzen, wies sie zurück.

Lob für die Luftwaffe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Rolle der Luftwaffe seines Landes im Krieg gegen Russland hervorgehoben. „Russland hatte gehofft, unsere Luftwaffe in den ersten Stunden der großen Invasion zu zerstören. Und natürlich war das für den Feind ein völlig verrücktes Ziel – wie viele andere Ziele auch“, sagte Selenskyj in einer am Samstagabend in Kiew verbreiteten Videobotschaft.

Die Piloten seien erstklassig und würden auch von anderen Staaten für ihr Können gelobt. Der Staatschef hatte ihnen zuvor schon zum „Tag der Luftstreitkräfte“ gratuliert und erklärt: „Die Invasoren werden vergehen wie Tau in der Sonne. Und unsere Verteidigung ist die Sonne.“

Selenskyj unterstrich einmal mehr, dass der Kampf um die Freiheit und die Unabhängigkeit des Landes nur gemeinsam gelingen könne. „Es ist eine gemeinsame Arbeit. Und es ist ein Ergebnis, das dank der Stärke und der Solidarität aller erreicht wird, die Freiheit schätzen und die Tyrannei nicht tolerieren“, sagte mit Blick auch auf andere Staaten, die die Ukraine unterstützen. „Freiheit gewinnt immer.“ Selenskyj kündigte an, dass auch Unterstützer der Ukraine im Ausland geehrt werden sollten.

Russland war am 24. Februar in das Nachbarland einmarschiert. Am vergangenen Mittwoch dauerte der Krieg genau ein halbes Jahr. Am selben Tag feierte das Land auch 31 Jahre Unabhängigkeit.

Putin unterzeichnet neues Dekret

Inhaber ukrainischer Pässe, die seit der russischen Offensive in der Ukraine nach Russland gekommen sind, können nach Darstellung aus Moskau künftig unbegrenzt dort leben und arbeiten. Der russische Präsident Wladimir Putin unterzeichnete ein entsprechendes Dekret, das für die Bewohner der prorussischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk sowie für alle Inhaber eines ukrainischen Passes gilt. Laut dem am Samstag veröffentlichten „vorläufigen Erlass“ müssen die Bewerber ihre Fingerabdrücke abgeben und sich fotografieren lassen sowie sich einem Drogentest und einer Untersuchung auf ansteckende Krankheiten unterziehen.

Ukrainische Staatsbürger dürfen demnach künftig nur noch nach einem Gefängnisaufenthalt ausgewiesen werden oder wenn sie als Gefahr für die nationale Sicherheit gelten. In einem weiteren Erlass sprach Putin bedürftigen Menschen wie Rentnern, Behinderten oder Schwangeren Sozialhilfe zu, wenn sie wegen der Offensive die Ukraine oder die von Moskau als unabhängig anerkannten Separatistengebiete verlassen haben.

Laut Moskau sind seit Beginn der russischen Großoffensive am 24. Februar 3,6 Millionen Menschen, darunter 587.000 Kinder, aus der Ukraine nach Russland geflohen. Die russischen Behörden fördern diese Umsiedlungen und haben im ganzen Land Auffanglager eingerichtet. Einem Teil der Flüchtlinge gelang es jedoch anschließend vor allem mit der Unterstützung von Aktivisten, Russland in Richtung Europäische Union zu verlassen. Bereits im Juli hatte der Kreml allen Ukrainern den Zugang zur russischen Staatsbürgerschaft erleichtert. Kiew hatte den Vorstoß als Versuch Moskaus angeprangert, seinen Einfluss in den eroberten ukrainischen Gebieten zu stärken.

Keine Einladung für Kretschmer

Der scheidende ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat wegen Äußerungen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer über den Ukraine-Krieg eine Einladung des CDU-Politikers in seine Heimat zurückgezogen. „Mit Ihrer absurden Rhetorik über das Einfrieren des Krieges spielen Sie in Putins Hände und befeuern Russlands Aggression“, schrieb Melnyk im Onlinedienst Twitter. Daher sei seine Einladung an Kretschmer, die Ukraine zu besuchen, „annulliert“. „Sie sind unerwünscht. Punkt“, fügte der Botschafter hinzu.

Melnyk reagierte damit auf Äußerungen des sächsischen Regierungschefs in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ vom Mittwoch. Darin hatte Kretschmer gesagt, es sei wichtig, dafür „einzutreten, dass dieser Krieg eingefroren werden muss, dass wir einen Waffenstillstand brauchen, dass wir Verhandlungen brauchen, um diesen Krieg zu beenden“. Das erlebe er allerdings „in der öffentlichen Debatte sehr wenig“.

DW