Die Angst des Kosovo vor dem Kahlschlag in welcher Entwicklungshilfe

Elon Musk hat die Abschaffung der Entwicklungshilfebehörde USAID gefordert, Donald Trump die globale Aussetzung ihrer Mittel angeordnet. Was bedeutet das für die US-Entwicklungshilfe weltweit? Ein Blick in den Kosovo.

Noch lässt sich in Pristina keine Veränderung der Lage wahrnehmen. In der Hauptstadt des Kosovo arbeiten die Mitarbeiter der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) am Mittwochvormittag weiter in ihren Büros, die sie mit dem Europarat teilen, direkt gegenüber dem Regierungssitz von Albin Kurti. Es herrscht Schweigen: Niemand darf mit der Presse sprechen, zumindest nicht offiziell – ein striktes Informationsverbot wurde von der Trump-Administration verhängt.

Der Grund ist ein Paukenschlag: USAID steht nach Donald Trumps Anordnung zur globalen Aussetzung der Mittel vor dem völligen Stillstand. Einzige Ausnahme: humanitäre Soforthilfe, die vorerst noch fließt – aber mit ungewisser Zukunft. Was bedeutet das für Nehmerländer – wie etwa den Kosovo.

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Seit der Unabhängigkeit des Kosovo vor 17 Jahren spielt die Behörde eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Landes. Mit finanziellen Mitteln und Projekten hat USAID zur Stabilisierung des Landes beigetragen. Der Fokus liegt dabei auf der Wirtschaftsförderung, insbesondere durch die Stärkung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. USAID unterstützte auch den Agrar- und Technologiesektor, was helfen sollte, den Kosovo für ausländische Investoren attraktiver zu machen.

Außerdem wurde mit USAID-Mitteln geholfen, die Korruptionsbekämpfung, den Bildungssektor und die Gesundheitsversorgung zu stärken.

Und nun? Hat Washington alles auf null gesetzt, heißt es auf der Website der Behörde: „Am Freitag, 7. Februar 2025, um 23:59 Uhr werden alle direkt angestellten USAID-Mitarbeiter weltweit in den Verwaltungsurlaub versetzt, mit Ausnahme von speziell benannten Personen, die für missionkritische Aufgaben, die Kernführung und besonders ausgewiesene Programme verantwortlich sind.“

Für USAID-Mitarbeiter, die derzeit außerhalb der USA tätig sind, bereite die Agentur derzeit einen Plan vor, „der den Rücktransport in die Vereinigten Staaten innerhalb von 30 Tagen (…) umfasst, die nicht als essentiell eingestuft werden. (…) Danke für Ihren Einsatz.“

USAID eine „kriminelle Organisation“?

Die Blockade der USAID-Gelder ist mehr als eine Haushaltskürzung. Es handelt sich um eine strukturelle Neuausrichtung, vorangetrieben von Elon Musk, inzwischen Architekt der staatlichen Effizienzpolitik. Musk hat USAID als „kriminelle Organisation“ bezeichnet und sich für deren komplette Abschaffung eingesetzt. Unter seiner Aufsicht überprüft das neu geschaffene Department of Government Efficiency (DOGE) jeden Dollar, der in internationale Kooperation fließt – mit dem Ziel, diese Gelder in den US-Binnenmarkt umzuleiten.

Noch vor wenigen Monaten verwaltete USAID in Kosovo ein Budget von rund 130 Millionen Euro jährlich, das in verschiedenste Projekte floss: Stärkung der Justiz: 24 Millionen Euro. Transparenz und Bürgerbeteiligung: 26 Millionen Euro. Verbesserung des Energiesektors: 12 Millionen Euro. Weitere Entwicklungsprojekte: 31 Millionen Euro. Das Gesamtvolumen der Unterstützung seit 2008: etwa 1,3 Milliarden US-Dollar.

USAID hatte eng mit der kosovarischen Regierung, der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor des Landes zusammengearbeitet, um von Kosovo selbst initiierte Reformen voranzutreiben, die eine Integration in Europa und in die transatlantische Gemeinschaft erleichtern sollen. Diese Initiativen reichen von der Stärkung demokratischer Institutionen bis zur Förderung eines inklusiven Wirtschaftswachstums.

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Im November 2023 unterzeichneten USAID und die griechische Regierung zudem ein Memorandum of Understanding, um die Energiesicherheit und Zusammenarbeit in den westlichen Balkanstaaten zu verbessern – wovon Länder wie Kosovo, Albanien und Nordmazedonien profitieren sollten.

Geld, das künftig wohl nicht mehr fließt – was Pristina in Aufregung versetzt. Am Dienstag stehen zwei Dutzend Menschen vor den USAID-Büros. Mitarbeiter der Agentur erzählen, ihre Hausausweise würden nicht mehr funktionieren, ihre Telefone nicht funktionieren. Später kommen sie doch wieder in ihre Büros, aber die Frage ist: Für wie lange noch?

Washington: Der politische Kampf um USAID

Die Entscheidung Trumps hat in Washington eine politische Krise ausgelöst. Demokratische Senatoren und Abgeordnete kritisierten die Maßnahme als zerstörerischen Schachzug, der die amerikanische Entwicklungshilfe weltweit demontieren würde. Der Kongressabgeordnete Jamie Raskin schimpfte: „Elon Musk, du hast USAID nicht geschaffen. Du hast auch nicht die Macht, es zu zerstören. Und wer wird dich aufhalten? Wir! Es gibt keine vierte Gewalt in der Regierung namens Elon Musk!“

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In den US-Medien wird eine brisante Frage immer lauter gestellt: Regiert Donald Trump wirklich noch die USA – oder bestimmt Elon Musk bereits die amerikanische Außenpolitik?

Trump und Musk argumentieren, dass die Steuergelder der Amerikaner nicht mehr in globale Entwicklungsprojekte fließen sollten. Die Blockade der USAID-Gelder trifft direkt Washingtons strategische Verbündete, von den Balkanländern über Afrika bis nach Lateinamerika.

Was die USAID-Zukunft im Kosovo angeht, so bleibt die humanitäre Nothilfe vorerst unangetastet – doch der Stopp anderer Programme könnte die Stabilität des Landes gefährden. Die Befürchtung: Sollte die Hilfe aus Amerika versiegen, könnte das Vakuum schnell von anderen geopolitischen Akteuren gefüllt werden.

Ist Kosovo der erste Testfall für die Demontage der US-Entwicklungshilfe? Leitet Trump eine globale Rückzugsstrategie der USA ein, die Amerikas Einfluss in der Welt massiv reduziert? Darüber wird auch in Pristina in diesen Tagen viel spekuliert.

Ein lokaler Berater für Entwicklungsprojekte in Kosovo, mit dem WELT am Dienstagnachmittag vor der USAID-Zentrale spricht, sagt: „Was klar ist: Die amerikanische Außenpolitik wird nicht mehr im Außenministerium gemacht, sondern in den Büros von Tesla und SpaceX. Und Elon Musk ist niemand, der sich vor dem Kongress rechtfertigen muss – sondern nur vor seiner eigenen Bilanz.“

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Source: welt.de