Das Logbuch geht weiter: | Willkommen zwischen den Zeitenwänden, 4.01

Mit Corona ist Schluss, das wurde beschlossen. Jetzt richten wir den Blick wieder nach vorne, starr geradeaus und mit allem gewappnet, was an Scheuklappen und Tunnelblicken verfügbar ist. „Framing“ heißt die neue Kunst der Diskriminierung, „Cancel Culture“ lautet der neue Bandname unserer Gesellschaft. Vom guten alten „Club“ ist nur noch die „Mate“ übrig, Boy George ist vom Exoten zur Blaupause für eine neue Massendiversität mutiert, die alles und jeden akzeptiert, solange er-sie-es keine eigene Meinung hat oder unbequeme Fragen auffwirft.

Notgedrungen brauche ich für diesen Blog einen neuen Namen, das Literaturzitat von Marquez hat ausgedient. Die meisten Leute haben ohnehin die Chance verpasst, sich im Virus-Vakuum durch Lesen weiterzubilden – stattdessen haben sie „gestreamt“ und dabei gar nicht bemerkt, dass sie selbst irgendwo hinstreamen oder hingestreamt werden. Also weg mit geistigen Erkenntnissen auf bedrucktem Papier und hin zu knallharten Tatsachen, die zwar „lügen“ können „wie gedruckt“, physisch jedoch nicht einmal existieren. Hardfacts entstehen aus Software, der Mensch ist nicht mehr die burroughssche „Soft Machine“, sondern ein „weiches Ziel“. Ziel für allerlei Datenmüll, der in der weichen Masse einen „harten Kern“ generiert. Dieser Kern sucht sich eine Blase, die so undurchlässig ist wie eine hermetisch abgeriegelte Zelle. Wenn wir nicht aufpassen, landen wir früher oder später alle in solch einer Zelle, umgeben von einer Realität, die sich uns überaus „smart“ als Glückseligkeit verkauft, letzten Endes jedoch „alternativlos“ aufoktroyiert wird. Diese Realität wird gerne umschrieben mit „diese Zeit“. Deshalb wünschen sich viele auch in eine andere Zeit – in eine Vergangenheit, eine Zukunft oder ein Paralleluniversum – also eine Krümmung der Zeit.

Handelt es sich bei der sogenannten „Zeitenwende“ nicht um etwas ganz anderes als vermutet? Nämlich um den Plural „die Zeitenwände“? Wir haben den Bundesscholli völlig missverstanden – das muss es sein! Eigentlich meinte er die Wände, die seit einigen Jahren überall gebaut werden und zwischen denen jeder in seiner eigenen Zeitmaschine sitzt. Der Scholli selbst sieht sich offenkundig als Panzergeneral des 20. Jahrhunderts, ungefähr aus der Zeit der Weimarer Republik. Die Geschlechtsumwandler und -umwandelerinnen beamen sich womöglich in eine transhumanistische Zukunft, die nur noch aus einem einzigen großen Multisexum besteht, die Wirtschaftsaktivisten erfindet den Kolonialismus neu und viele Zuwanderer bringen Zeiten mit, die wir gar nicht kennen. Verbindend erscheint lediglich das „Keine-Zeit-haben“. Selbst wenn wir alle in der gleichen Zeit lebten: Einer ist schneller und ein anderer langsamer, alle sind unterschiedlich schnell – die Synchronität würde nicht lange anhalten. Im Wort „Wahrnehmung“ steckt weit mehr als das Wörtchen „wahr“. Vielmehr sieht jeder das als „wahr“ an, was er sich gerade „nimmt“ – weil’s ihm barrierefrei aus dem Netzt entgegenpurzelt, von anderen eingeredet wird oder bereits verwaist in seinen irrwegigen Hirnwindungen herumgeistert.

Egal, ob Sie sich aufprallschmerzlindernde Gummipolsterungen an die Wände kleben, riesige Monitore in jeder Himmelsrichtung anschrauben, Dutzende von Heiligenbildern aufhängen oder mit sich selbst Fußball-Pingpong spielen – ich heiße sie willkommen in meinem neuen Blog, der sich ausschließlich der reinen Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet sieht.
Bleiben Sie ganz bequem zwischen Ihren Wänden und in Ihrer jeweiligen Zeit. Folgen Sie mir lediglich einmal die Woche zwischen die Zeilen und setzen Sie sich mit mir zwischen die Stühle. 52 mal im Jahr – egal in welchem.