China hinauf dem Vormarsch: Europas gescheiterter Batterie-Traum
Europas Batteriehoffnung Northvolt ist verpufft, das Batteriekonsortium ACC zusammengedampft, die geplante Produktion von Porsche scheint sich in Luft aufzulösen: Die Aufholjagd, die Europa beim Kernstück des Elektroautos nach vorn bringen sollte, droht zu enden, bevor sie richtig angefangen hat. Stattdessen macht sich der chinesische Weltmarktführer CATL auch in Europa immer stärker breit. Nach Informationen der F.A.Z. erweitert der Konzern nun seine Pläne in Europa.
Das Unternehmen baut im spanischen Zaragoza eine Batteriezellfabrik mit dem europäischen Stellantis -Konzern. Das Werk werde trotz der Elektroautoflaute gebaut, bestätigten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen. Auch das Aus von Stellantis-Konzernchef Carlos Tavares habe keinen Einfluss, heißt es in Konzernkreisen. Die offizielle Bekanntgabe ist demnach für kommende Woche geplant. CATL äußerte sich auf Anfrage nicht.
Das Unternehmen baut nicht nur gegen den Trend, sondern hat seine Pläne für Zaragoza offenbar sogar vergrößert. Die Investitionssumme beträgt nach Informationen der F.A.Z. rund 4 Milliarden Euro. CATL und Stellantis steuern jeweils rund die Hälfte des Betrags bei. In der Fabrik sollen mehr als 4000 Arbeitsplätze entstehen. Sowohl die Investitionssumme als auch die Zahl der geplanten Arbeitsplätze sind rund ein Drittel größer als bisher bekannt, in früheren Berichten war von 2,5 Milliarden Euro an Investitionen und 3000 Arbeitsplätzen die Rede. Die Fabrik soll eine Kapazität von 40 bis 50 Gigawattstunden haben, die Batterien sollen ausschließlich in Stellantis-Fahrzeugen verbaut werden.
Europa fehle eine gute Lieferkette
Die Pläne stehen im Kontrast zu den abgesagten Projekten in ganz Europa. Einst waren Batteriezellfabriken von 2 Terawattstunden (TWh) für Europa geplant, heißt es vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, das regelmäßig Übersichten über den Batteriemarkt erstellt. Davon seien inzwischen nur noch 1,6 TWh übrig, von denen allerdings wiederum bis zu 0,4 TWh auf Eis gelegt oder verspätet sind.
Auf dem weltweiten Batteriemarkt gibt es einen gnadenlosen Ausscheidungskampf. Darunter leiden vor allem die Hersteller, die sich etablieren wollen, kleiner und deshalb teurer sind. Alle angekündigten Fabriken zusammen summierten sich bis Ende 2025 auf Kapazitäten von knapp 8 TWh, hieß es von der Denkfabrik Bloomberg NEF im Frühjahr. Der Bedarf werde aber nur bei rund 1,6 TWh liegen. China allein habe genug Kapazitäten, um den Rest der Welt zu versorgen.
In Europa kommen weitere Faktoren dazu, viele davon sind hausgemacht. Die Europäer kaufen viel weniger Elektroautos als gedacht. Zudem ist es viel teurer, Batterien in Europa zu produzieren, sagt der Batteriefachmann Ali Adim vom Analysehaus S&P Global Mobility. „Der Abstand liegt vor allem an den höheren Energie- und Arbeitskosten, ebenso wie an den größeren Materialkosten.“ Europa fehle eine gute Lieferkette für Batteriematerialien.
„Der Aufwärtstrend dürfte sich fortsetzen“
Statt in Europa zu produzieren, werden viele Batterien deshalb importiert. Nach Angaben von Adim kam zuletzt fast die Hälfte aller Batterien, die in europäischen Autos verbaut werden, aus dem Ausland, die meisten aus China und Korea. Der EU-Importzoll für Batterien liege bei „lediglich 1,3 Prozent, was nicht ausreicht, um den Zustrom chinesischer Batterien einzudämmen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen“, analysiert Adim.
Fast zwei von fünf neuen Elektroautos weltweit haben eine Batterie von CATL. Auch in Europa gewinne man Marktanteile, sagte gerade erst Ko-Gründer Pan Jian im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Im Jahr 2020 betrug der Anteil der Chinesen in Europe noch rund 13 Prozent, inzwischen hat fast jedes dritte neue Elektroauto in Europa eine CATL-Batterie, sagt Analyst Adim. „Der Aufwärtstrend dürfte sich fortsetzen.“ Damit sind die Chinesen auf bestem Weg, auch in Europa zum Marktführer zu werden. Der koreanische Hersteller LG liegt nur noch 4 Prozentpunkte vorn.
Während europäische Manager und Politiker von einer Aufholjagd sprachen, teilten die asiatischen Konzerne, allen voran die Chinesen, den Markt unter sich auf. In Europa finden sich nur noch die Überreste der Hoffnungen von einst. Zwischen den leeren Ankündigungen und dem Eingeständnis des Scheiterns liegen nur wenige Jahre. Die verantwortlichen Personen in Politik und Wirtschaft sind häufig sogar noch im Amt.
In chinesische Arme
Am stärksten hat der Kollaps von Northvolt den Europäern ihre Grenzen aufgezeigt. In Deutschland schlagen die Wellen hoch, denn der Bund und das Land Schleswig-Holstein müssen für eine Wandelanleihe geradestehen, mit der die staatseigene KfW-Bank dem Unternehmen 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Mitten im Wahlkampf ist das eine Steilvorlage für die Opposition, die von einer „Pleite für den Steuerzahler“ spricht.
Die „grün infizierte Wirtschaftspolitik“, so CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sei „krachend gescheitert“. SPD-Kanzler Olaf Scholz hält dagegen: Strategische Komponenten für die E-Mobilität müssten in Europa hergestellt werden. Deshalb sei es richtig, dass der Bund den Bau von Batteriefabriken fördere. „Das werden wir auch weitermachen.“
Northvolt hatte sich nach langem Siechtum vor zwei Wochen in ein Sanierungsverfahren nach US-Insolvenzrecht geflüchtet. Mithilfe der Investmentbank Houlihan Lokey werben die Schweden um Mittel von Investoren. Gleichzeitig versuchen sie „Industriepartnerschaften“ auszuloten, um ihre technischen Probleme in den Griff zu kriegen, wie aus Verhandlungskreisen verlautet. Das Ergebnis könnte ironischerweise sein, sich in chinesische Arme zu flüchten.
CATL-Vizevorstandschef Pan hatte in der F.A.S. den Austausch mit Northvolt über ein Lizenzmodell bestätigt. Am Northvolt-Sitz in Stockholm, so ist zu hören, hat man auch weiter die Hoffnung, dass ein Schulterschluss mit asiatischen Partnern eine Lösung bringen könnte. Offiziell heißt es nur: „Als europäischer Marktführer sind wir mit allen Marktakteuren immer im Gespräch. Wir äußern uns nicht zu vertraulichen Gesprächen.“
Ungewisse Zukunft
Ähnlich sinnbildlich für das Scheitern steht Kaiserslautern. Am dortigen Opel-Standort sollte 2025 die Produktion „hochmoderner Zellen“ starten, hieß es vor drei Jahren. Dafür entstand mit ACC ein europäisches Unternehmen, an dem der Opel-Mutterkonzern Stellantis, der Energiekonzern Totalenergies und Mercedes Anteile halten. Der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) überreichte einen Förderbescheid über mehr als 400 Millionen Euro. Weder auf den ausgeschiedenen Stellantis-Chef Tavares noch auf Mercedes-Boss Ola Källenius wirft ACC ein gutes Licht.
In Kaiserslautern liegen die Pläne auf Eis, ob hier jemals Batteriezellen gefertigt werden, ist ungewiss. Das Gleiche gilt für das ACC-Werk im italienischen Termoli. Stattdessen fokussiert sich das Unternehmen auf ein Werk in Nordfrankreich, das vor knapp anderthalb Jahren eingeweiht wurde. Schwierigkeiten beim Hochlauf, über die zuletzt immer wieder berichtet wurde, lässt ACC unkommentiert. Die Batterien finden sich im neuen elektrischen Opel Grandland und demnächst in Peugeot-Modellen.
Die Mengen sind indes noch marginal. Es geht um Batterien für 2000 und 3000 Fahrzeuge bis Ende dieses Jahres. Ein großer Schritt in Richtung Unabhängigkeit von China ist aber auch dieses Werk nicht: Nahezu alle Maschinen zur Zellproduktion stammen aus dem Reich der Mitte. Es soll kein einziges Angebot eines europäischen Industriepartners gegeben haben.
Einzig die erste Linie der Pilotproduktion läuft
Ins Stocken gekommen sind auch die Pläne von Porsche . Nach der Komplettübernahme des Batterie-Start-ups Cellforce wollte der Sportwagenhersteller im Großraum Stuttgart Zellen bauen, um die Leistung der Batterien für die Sportwagen zu steigern.
Eine Kapazität von 20 Gigawatt war geplant, eine Investitionssumme im mittleren einstelligen Milliardenbereich, Batterien für 150.000 bis 200.000 Elektroautos im Jahr. Offiziell beerdigt hat Porsche den Plan noch nicht, aber ob die Fabrik jemals gebaut wird, ist ungewiss. Einzig die erste Linie der Pilotproduktion läuft. Die für Mitte 2024 anvisierte Erweiterung der Anlage funktioniert noch nicht.
In Spanien plant CATL seine Fabrik dagegen nun so, dass im Jahr 2027 die einfachere Batteriemodulproduktion beginnt. Dafür werden die fertigen Zellen aus China importiert und in Spanien in Modulen verbaut. Erst später folgt die aufwendigere Batteriezellproduktion. Auf diesen Ablauf hatte CATL auch in früheren Fabriken gesetzt.