Cannes Film Festival 2023: Am Nabel der Kinowelt
Laut und überlaufen: Das ist Cannes während des Filmfestivals. Zwischen Fans, die am roten Teppich „Leonardo“ oder „Scarlett“ rufen, pappigen Sandwiches und dem Schlangestehen für das neue Werk von Aki Kaurismäki oder einen senegalesischen Wettbewerbsfilm glaubt man sich am Nabel der Kinowelt. Zugleich fühlt man sich auch wichtig für das Rentnerstädtchen Cannes, das nach dem Trubel des Filmfestivals wieder in seinen Dornröschenschlaf fallen wird, nicht wahr?
Die Illusion, das Städtchen werde bald schlummern, wurde jetzt auf dem 76. Filmfestival hinweggefegt, und zwar bei einem Restaurantbesuch in der Altstadt. Das Festival du Film, nun ja, es sei schon wichtig, sagt die Kellnerin. Aber noch wichtiger sei der alljährlich stattfindende Mipim. Wir erfahren: Die Abkürzung steht für Marché International des Professionels de l’Immobilier. Es handelt sich um den größten Immobilienkongress der Welt. Für vier Tage im März treffen sich auf der Mipim in Cannes rund 25.000 Immobilienentwickler, Banker und Investmentfachleute. Die Mipim-Leute, sagt die Kellnerin, trügen im Unterschied zu den Filmleuten abends im Restaurant gern Smoking und Abendrobe. Außerdem seien sie reich, sogar superreich, weshalb sie teurere Weine bestellen und mehr Trinkgeld geben würden. Nicht einmal mit der Goldenen Palme kann das Filmfestival gegen die Mipim punkten: Auch der Immobilienkongress hat eine feierliche Abschlusszeremonie mit Preisen, etwa für „das beste neue Mega-Projekt“. Es gibt sogar einen Special Jury Award.