Bundestag stimmt für Pflegereform – 5 Prozent mehr Geld für Pflegebedürftige daheim

Der Gesetzentwurf zur Pflegereform ist angenommen. Am Freitag stimmten 377 Abgeordnete dafür, 275 dagegen, bei zwei Enthaltungen.
Das Gesetz sieht zur Stabilisierung der Pflegeversicherung vor, den Pflegebeitrag zum 1. Juli um 0,35 Prozentpunkte zu erhöhen – für Menschen ohne Kinder noch etwas stärker. Aktuell liegt er bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für Kinderlose bei 3,4 Prozent. Das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld für Pflegebedürftige daheim soll Anfang 2024 um 5 Prozent angehoben werden.
Auch Zuschläge für Pflegebedürftige im Heim sollen 2024 erhöht werden. Die Koalition hatte zuletzt noch ein flexibel nutzbares Budget vereinbart, das von Juli 2025 an Entlastung für pflegende Angehörige erleichtern soll. Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 soll es schon ab 2024 bereitstehen.
Kritik am Gesetz durch die Opposition
Die Opposition hatte die Pflegereform vor der Abstimmung als unzureichend kritisiert. Was die Ampelkoalition vorlege, sei „ein dürftiges Auf-Sicht-Fahren“, sagte die CDU-Abgeordnete Diana Stöcker am Freitag im Bundestag. Es sei gut, dass nun doch ein Entlastungsbudget komme, um pflegenden Angehörigen Auszeiten zu ermöglichen. Doch sie müssten darauf nun zwei Jahre warten. Der AfD-Abgeordnete Thomas Dietz sprach von einer „Notoperation“. Leistungsanhebungen stünden in keinem Verhältnis zur Inflation. Der Linke-Fachpolitiker Ates Gürpinar warf der Regierung unter anderem vor: „Sie belasten, Sie entlasten nicht.“
Kinderlose zahlen künftig 4 Prozent Beitrag, Eltern mit mehr als zwei Kindern wiederum weniger, ab dem dritten Kind sogar weniger als heute. Zugleich sollen Leistungen in der ambulanten und stationären Pflege verbessert werden.
Nach zähem Ringen verständigten sich Grüne und SPD mit der FDP zu Beginn dieser Woche doch noch darauf, dass die Entlastungsleistungen für Angehörige vereinfacht werden, für alle Pflegebedürftigen allerdings erst ab Mitte 2025. Dafür werden Leistungen zu einem Entlastungsbudget von 3539 Euro im Jahr zusammengefasst, mit dem die Angehörigen Vertretungen und Kurzzeitpflege flexibler organisieren können als bisher. Für Eltern von Kindern mit Pflegegrad 4 oder 5 steht dieses Budget schon ab dem kommenden Jahr zur Verfügung.
Zur Finanzierung des Entlastungsbudgets fällt allerdings die für 2025 geplante nächste Erhöhung des Pflegegelds geringer aus. Es soll dann um 4,5 statt wie zunächst geplant nochmals um fünf Prozent angehoben werden. Das zusätzliche Geld über das Entlastungsbudget würde den Pflegebedürftigen so wieder bei den Leistungen entzogen, kritisierte die CDU-Politikerin Diana Stöcker. Die Verbesserungen bezeichnete sie als „mager“.
Lauterbach lobt Einsatz der Angehörigen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte seine Reform. Für pflegende Angehörige gebe es deutliche Verbesserungen, sagte er und hob deren Engagement hervor. Die Gesellschaft könne sich glücklich schätzen, dass sich so viele Angehörige der Pflege widmeten. Fast vier Fünftel der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt.
Abgeordnete der Koalition räumten in der Debatte ein, sie hätten sich selbst mehr Verbesserungen gewünscht. Man habe priorisieren müssen, sagte die FDP-Abgeordnete Nicole Westig mit Verweis auf die Finanzlage. Sie hätte sich vorstellen können, mehr umzusetzen, dennoch sei es ein wichtiges Gesetz, sagte die SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt. „Es bleibt noch viel zu tun“, resümierte Kordula Schulz-Asche (Grüne) in der Bundestagsdebatte.
Die Beitragserhöhungen bringen der Pflegeversicherung rund 6,6 Milliarden Euro im Jahr, in diesem Jahr also noch die Hälfte. Nach Angaben des Spitzenverbandes der Krankenkassen hatte die Pflegeversicherung im vorigen Jahr bei Ausgaben von rund 60 Milliarden Euro ein Defizit von 2,25 Milliarden Euro zu verzeichnen. Die geplanten Leistungsverbesserungen kosten dem Gesetzentwurf zufolge ungefähr zwei Milliarden Euro im Jahr.
Dazu zählt auch, dass Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen ab Januar 2024 einen höheren Zuschuss zum Eigenanteil bekommen. Im ersten Jahr des Aufenthalts schießt die Pflegeversicherung dann 15 Prozent zu, heute sind es fünf Prozent. Im Durchschnitt müssen Pflegebedürftige für einen Heimplatz inzwischen gut 2.400 Euro im Monat selbst zahlen, die Pflegeversicherung kommt nur für die reinen Pflegekosten auf.