Bürgermeisterwahl: New York ist nicht Amerika

In den Vereinigten Staaten gehört es inzwischen zum Alltag, dass der Präsident seine politischen Gegner als Sozialisten, Linksradikale und sogar als Kommunisten beschimpft. Das nehmen selbst Teile der Republikaner nicht ernst, zumindest nicht wörtlich. Sollten die Demoskopen nicht gänzlich danebenliegen, werden die New Yorker am Dienstag allerdings einen Mann zum Bürgermeister der größten Stadt Amerikas wählen, der sich selbst als demokratischen Sozialisten bezeichnet.
Die Aufregung dürfte groß sein: New York City ist das Finanzzentrum der Vereinigten Staaten und Sitz vieler bedeutender Unternehmen. Zohran Mamdani ist nicht nur der Wall-Street-Schreck, der Konzerne und Superreiche veranlassen könnte, nach Süden abzuwandern. Er hängt auch in der Migrationspolitik und der Verbrechensbekämpfung linken Ideologien an. Harte Auseinandersetzungen mit Donald Trump wären unausweichlich.
Seine Wahl wäre keine Revolution
Nun ist es nicht so, als könnte Mamdani, der in Deutschland irgendwo zwischen linker Sozialdemokratie und Linkspartei verortet würde, den Kapitalismus abschaffen, selbst wenn er es wollte. Zudem wird er im Fall seiner Wahl auch feststellen, dass Bürgermeister weniger ideologische Debatten auszutragen als praktische Probleme zugunsten der Bürgerschaft zu lösen haben. Diese Erfahrung hatte schon Bill de Blasio gemacht, der die Stadt bis 2021 regierte und weltanschaulich nicht weit von Mamdani entfernt war. Auch insofern wäre dessen Wahl keine Revolution. Dass mancher in New York sich noch daran gewöhnen müsste, erstmals von einem Muslim regiert zu werden, gehört indes zu den Dingen, über die nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird – oder man verbrämt die Vorbehalte mit dem Hinweis auf Mamdanis scharfe Kritik an Israel.
Landesweite Aufmerksamkeit hat der Wahlkampf nicht nur auf sich gezogen, weil es nun einmal um die größte Metropole des Landes geht. Sondern auch, weil Teile der Demokraten die Wahl zur Richtungsentscheidung für die Partei erklärt haben. Die Argumentation liegt auf der Hand: Der zentristische Ansatz des Establishments sei gescheitert. Das habe die Niederlage Kamala Harris’ im vergangenen Jahr gezeigt. Die richtige Antwort auf den Rechtspopulisten Trump sei ein linkspopulistischer Kurs. Dass der Druck in der Partei groß ist, nach links außen abzubiegen, das zeigt auch der Shutdown der Bundesverwaltung, in den sich die Kongressführung der Demokraten durch den stärker gewordenen linken Parteiflügel hat treiben lassen.
Schwache Gegenkandidaten
Die Debatte ist im Grunde nicht neu. Schon 2016, nach Trumps erster Wahl, glaubten viele Demokraten, Hillary Clinton sei das Problem gewesen: Der Sozialist Bernie Sanders hätte sich gegen den Außenseiter durchgesetzt, weil er selbst ein Außenseiter sei. Der Zeitgeist richte sich nun einmal gegen das Establishment. Als Sanders 2020 abermals in den Vorwahlen antrat, konnte er sich allerdings erneut nicht durchsetzen. Die Richtungsdebatte ist also komplizierter, als der linke Flügel vorgibt.
Die Aussagekraft der Bürgermeisterwahl ist ohnehin begrenzt. Mamdanis Gegenkandidaten sind schwach. Andrew Cuomo, der in den Umfragen hinterherhinkt, hatte in den Vorwahlen der Demokraten den Kürzeren gezogen und war dann als Unabhängiger ins Rennen gegangen – gleichsam als Establishment-Kandidat, der ein linkes Chaos abwenden wolle. Doch belasteten den früheren Gouverneur des Bundesstaates New York alte Vorwürfe wegen sexueller Belästigung, die seinerzeit zu seinem Rücktritt geführt hatten. Auch sind vielen Bürgern seine Fehler im Pandemie-Management noch gut in Erinnerung.
Linke Hochburg
Doch unabhängig von alldem: New York ist nicht Amerika. Die Stadt ist eine linke Hochburg. Trump aber konnte 2024 in allen Swing States gewinnen, weil er Wechselwähler der Mitte anlockte. Die Demokraten müssen also einen Weg finden, junge linke Wähler ebenso zu mobilisieren wie ältere Zentristen. Für die Richtungsdebatte ist daher die Gouverneurswahl in Virginia aussagekräftiger. Dort hat die Partei eine moderate Kandidatin aufgestellt, die gegen eine Trumpistin antritt. Abigail Spanberger, einst CIA-Mitarbeiterin, hatte sich in der Kongresswahl 2018 gegen einen republikanischen Amtsinhaber durchgesetzt und danach zweimal ihren Bezirk in Virginia verteidigt. Sie war im Kongress der Gegenentwurf zu den jungen Linken, die zwei Jahre nach Trumps Amtsantritt ebenfalls in den Kongress gewählt wurden. In den Umfragen führt sie nun deutlich.
Gut möglich also, dass der Wahldienstag widersprüchliche Signale sendet und beide, Mamdani und Spanberger, gewählt werden. Der Richtungsstreit bei den Demokraten würde fortgesetzt. Das wäre vor der Kongresswahl im kommenden Jahr vor allem für Trump eine gute Nachricht. Am Dienstag geht es nicht nur um Bürgermeister und Gouverneure. Es geht darum, ob die Demokraten sich für 2026 in die Startblöcke begeben.
Source: faz.net