Bürgergeldreform: Bundeskanzler Merz verteidigt Pläne zum Besten von harte Sanktionen
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat Pläne verteidigt, Bürgergeldempfängern bei wiederholten Terminversäumnissen im Jobcenter alle Leistungen zu streichen. Kritik von Opposition und Gewerkschaften wies er zurück: „Es wird in Deutschland niemand obdachlos. Jeder, der eine Wohnung oder ein Dach über dem Kopf braucht, bekommt ein Dach über dem Kopf“, sagte Merz im ARD-Hauptstadtstudio. Aber bei denen, die sich nicht einmal beim Jobcenter meldeten, müsse man davon ausgehen, dass sie die Hilfe des Sozialstaats nicht brauchten.
Die komplette Einstellung aller Leistungen werde „eben für diese Fälle“ im Gesetz stehen, sagte der Kanzler. „Jemand, der sich monatelang beim Jobcenter nicht meldet – obwohl eingeladen, angerufen, einfach nicht kommt – da muss der Staat doch davon ausgehen: Du hast andere Möglichkeiten, deinen Lebensunterhalt zu verdienen.“
Nach dem dritten versäumten Termin fallen Leistungen weg
Die Spitzen von Union und SPD hatten sich diese Woche auf die neuen Sanktionen beim Bürgergeld geeinigt: Wer zum zweiten
Mal einen Termin im Jobcenter verpasst, soll künftig 30 Prozent weniger
Bürgergeld bekommen. Nach dem dritten versäumten Termin soll kein Geld
mehr gezahlt werden – darunter fällt letztlich auch Geld für die Unterkunft.
„Es gilt wieder das Prinzip ‚Fördern und Fordern‘ – für mehr
Gerechtigkeit in Deutschland“, schrieb Merz bei X. Die Reform solle nun
rasch umgesetzt werden, sagte Merz am Abend im ARD-Brennpunkt. Er gehe
von einem Bundestagsbeschluss Anfang 2026 aus, „im Frühjahr nächsten
Jahres ist das Gesetz spätestens in Kraft“, sagte Merz.
Sozialverband warnt vor leeren Kühlschränken
Sozialverbände, die Grünen und der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos, Philipp Türmer, kritisierten die Pläne. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock, wertete sie etwa als „ein ungerechtfertigtes und unsoziales Misstrauensvotum gegen Arbeitsuchende“. Die Bundesregierung riskiere, „Haushalte und Familien in verfestigte Armut und Existenznot zu treiben“.
Der Juso-Vorsitzende Türmer forderte die Abgeordneten seiner
Partei auf, sich gegen die Verschärfung zu stellen. Die Grundsicherung
müsse ein sozioökonomisches Existenzminimum garantieren, das sei nun
bedroht, sagte Türmer dem Tagesspiegel.
Der Sozialverband Deutschland warnte, ohne eine Karenzregelung für Wohnkosten würden viele Betroffene in ernste finanzielle
Schwierigkeiten geraten. „Es ist nachvollziehbar, dass keine
Luxuswohnungen vom Amt gegenfinanziert werden sollen“, sagte Verbandschefin Michaela Engelmeier der
Funke-Mediengruppe. Die Praxis zeige aber, dass schnelle
Umzüge oft schwierig seien, gerade auf dem derzeit angespannten
Wohnungsmarkt.
Auch wenn die tatsächlichen Kosten höher seien, bleibe
Betroffenen künftig nur noch der Regelbedarf für die Miete.
„Entsprechend leer dürfte der Kühlschrank am Ende des Monats sein“, sagte Engelmeier.
Junge Union fordert noch strengere Regeln
Der Jungen Union hingegen gehen die Pläne nicht weit genug. Bas müsse
„Rechte und Pflichten beim Bürgergeld wieder definieren“, forderte
JU-Chef Johannes Winkel im Spiegel. Ohne dieses Mindestmaß könne kaum
verhindert werden, „dass Leute sich im System einrichten“.
Die vollständige Streichung des Bürgergelds für sogenannte Totalverweigerer
war in der Koalition lange umstritten. Während die Union darauf bestand, verwies die SPD auf verfassungsrechtliche Bedenken. Das
Bundesverfassungsgericht hatte in mehreren Beschlüssen das Grundrecht
aller Bürger in Deutschland auf ein menschenwürdiges Existenzminimum
festgestellt.
Hohe Mieten treiben Unterkunftskosten
Schon im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, das vor drei
Jahren von der damaligen Ampel-Koalition eingeführte Bürgergeld durch
eine „neue Grundsicherung“ zu ersetzen. Bundeskanzler Merz sprach sich im Sommer dafür aus, die Unterkunftskosten für Bürgergeldempfänger zu deckeln. Sie machen wegen vielerorts steigender Mieten einen wachsenden Anteil der Staatsausgaben für das Bürgergeld aus.
Diese Kosten dürften allen Prognosen nach weiter steigen. Aus einer Recherche der ZEIT geht hervor, welch unglaublich hohe Quadratmeterpreise
die Jobcenter in einigen Städten übernehmen – weil es dort kaum mehr bezahlbare
Wohnungen gibt.