Brot kann bis zu 10 Euro teurer werden
Ohne Energie können die Backöfen nicht laufen, aber wie sollen die Bäcker die hohen Kosten erwirtschaften? Den Preis für Brot und Brötchen entsprechend erhöhen? Ein Brötchen für fünf, ein Brot für zehn Euro? Das würden die Kunden nicht mittragen, sind sich die Bäcker sicher. Der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks warnt davor, dass viele Betriebe aufgeben müssen, wenn es keine staatlichen Finanzhilfen gibt.
Die Entlastungspakete der Bundesregierung hatten bislang vor allem die Privathaushalte im Blick und weniger die Unternehmen. 95 Milliarden Euro sind veranschlagt, um die explodierten Energiepreise für die Bürger verkraftbar zu machen. Länger brauchte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP für die Erkenntnis, dass auch die Wirtschaft ohne Unterstützung nicht durch die Krise kommen dürfte.
Wer soll die hohen Preise bezahlen?
„Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen – auch weil sich diese enormen Energiepreissteigerungen nicht mehr durch Preiserhöhungen kompensieren und an die Kunden weitergeben lassen“, warnt Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Handwerks, im Interview der „Rheinischen Post“. Die Dynamik bei Pleiten sei viel schlimmer als in den Hochphasen der Corona-Pandemie. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Industrie sieht sich ein Drittel der Industrieunternehmen in der Existenz bedroht.
Beispiele für die Krise gibt es jeden Tag mehr. Der Toilettenpapierhersteller Hakle hat Insolvenz angemeldet und begründet die Zahlungsunfähigkeit damit, dass der Kostenanstieg nicht über die Preise im Einzelhandel aufzufangen sei. Der Stahlkonzern Arcelor Mittal hat zwei Produktionsanlagen in Norddeutschland gestoppt und seine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt: Die staatliche Arbeitslosenversicherung springt ein und zahlt die Löhne.
Deutschland droht eine Rezession
Stellt ein Unternehmen seine Produktion ein, dann hat das oft weitreichende Folgen für andere Wirtschaftszweige und Verbraucher. Nachdem die Stickstoffwerke Piesteritz in Sachsen-Anhalt ihre Ammoniak-Anlagen nicht mehr wirtschaftlich betreiben können und sie deshalb heruntergefahren haben, liefert die Firma kein Adblue mehr. Das ist die Harnstofflösung, die in modernen Dieselfahrzeugen – also auch in Lieferwagen – für die Abgasreinigung sorgt.
Wirtschaftswissenschaftler und auch die Wirtschaft selbst rechnen damit, dass Deutschland auf dem Weg in eine Rezession ist- vergleichbar mit dem Einbruch in der Corona-Pandemie. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag versprach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck finanzielle Unterstützung, musste allerdings einräumen, dass es über den konkreten Umfang innerhalb der Regierung noch keine Einigung gibt.
Fest steht, dass nicht nur große Industriebetriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, profitieren sollen, sondern auch der Mittelstand und dort vor allem energieintensive Betriebe. Also auch Bäckereien. Die Regierung wolle das Programm in den nächsten Wochen beschließen, so Habeck in Berlin. Es solle aber möglichst rückwirkend etwa ab September greifen. „Wir müssen jetzt alle finanzielle Kraft aufbringen, die nötig ist, um die gute Substanz unserer Wirtschaft und Arbeitsplätze in diesem Land zu sichern“, sagte Habeck nach einem Treffen mit 40 mittelständischen Wirtschaftsverbänden. „Dass das den Mittelstand erheblich entlasten wird, ist zu erwarten, dass es ihm alle Kosten abnehmen wird, nicht.“ Wie teuer das Programm für den Steuerzahler wird, könne derzeit noch nicht beziffert werden.
Keine Subventionen auf Dauer
Die Finanzhilfen sollen für eine begrenzte Zeit gezahlt werden, bis Anstrengungen auf nationaler und europäischer Ebene zur Dämpfung der hohen Strom- und Gaspreise wirken würden, kündigt Habeck an. Doch wird das ausreichen? Steffen Müller, Professor am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gibt zu bedenken, dass steigende Energiepreise, aber auch steigende Kreditzinsen kein vorübergehendes Phänomen sind, sondern mittel- und langfristig bleiben würden.
„Hilfsprogramme, die lediglich eine bestimmte Krisenzeit überbrücken können, verschieben in dieser Situation die Probleme in erster Linie zu Lasten des Steuerzahlers um ein paar Monate in die Zukunft“, schreibt Müller auf Anfrage der DW: „Maßnahmen, die eine Zeitlang die Energiepreise senken, sind ebenfalls nicht sinnvoll, da sie Anreize zum Energiesparen nehmen. Genau das können wir uns nicht erlauben.“
Die Krise beschleunigt den Strukturwandel
Sinnvoller seien zinsgünstige Kredite, argumentiert Müller, die mit der Maßgabe vergeben werden sollten, auf energiesparende Produktionsverfahren umzurüsten. „Der Kern des Arguments ist, dass die Energiepreise auch nach diesem Winter nicht wieder zurück auf das Niveau der letzten Jahre fallen werden. Es ändert sich also strukturell etwas.“
Normalerweise sei es Aufgabe der Unternehmen, sich darauf einzustellen, schreibt der Wissenschaftler. In einem „krisenhaft stark beschleunigten Strukturwandel hin zu einer grüneren Industrie“ könne der Staat aber helfen und die Unternehmen begleiten.