Braucht Deutschland ein Social-Media-Verbot zum Besten von Kinder und Jugendliche?

Eine große Mehrheit in Deutschland würde einer Umfrage zufolge ein ähnliches Social-Media-Gesetz wie in Australien befürworten. 77 Prozent der knapp 2.000 Befragten gaben bei der YouGov-Umfrage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, an, ein solches Gesetz in Deutschland „voll und ganz“ oder „eher“ zu befürworten. Dagegen würden es 13 Prozent entweder „voll und ganz“ oder „eher“ ablehnen. Der Rest beantwortete diese Frage mit „weiß nicht“. Australien will Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren mit einem neuen Social-Media-Gesetz den Zugang zu sozialen Medien verbieten.

Zudem glaubt eine große Mehrheit der Umfrage zufolge, dass soziale Medien negative Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben. 82 Prozent gaben an, diesbezüglich ganz sicher zu sein oder eher zuzustimmen. 9 Prozent waren sich dagegen sicher, dass Plattformen wie Tiktok, Instagram und Facebook keine negativen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben, oder beantworteten die Frage mit „eher nein“. Die Übrigen gaben an, zu wenig über soziale Medien zu wissen, um das einschätzen zu können, oder sie antworteten mit „weiß nicht“.

Von denjenigen, die eher von negativen Auswirkungen ausgingen, waren 26 Prozent der Meinung, dass die Inhalte für einen negativen Effekt verantwortlich sein könnten. 20 Prozent befürchteten, dass die sozialen Medien süchtig machten. 52 Prozent hielten beide Aspekte gleichermaßen für den Grund dafür zu glauben, dass soziale Medien negative Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben könnten. Jeweils ein Prozent gab an, dass „etwas anderes“ für den negativen Effekt verantwortlich sei, oder antwortete mit „weiß nicht“. An der repräsentativen Online-Umfrage hatten vom 22. bis zum 26. November bundesweit 1.976 in Deutschland wahlberechtigte Menschen ab 18 Jahren teilgenommen.

Erstes Gesetz weltweit in Australien

Australien wird Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren den Zugang zu sozialen Medien verbieten. Das umstrittene Gesetz, das als weltweit erstes dieser Art gilt, nahm jetzt die letzte Hürde im Parlament: Nach einer hitzigen Debatte stimmte der Senat mit großer Mehrheit und nur 19 Gegenstimmen dem Entwurf zu. Fast alle großen Parteien unterstützten den Vorstoß von Premier Anthony Albanese. Mehrere Oppositionspolitiker und fraktionslose Abgeordnete bezeichneten das Gesetz hingegen als übereilt und fehlerhaft. Jüngsten Umfragen zufolge befürworten jedoch gut drei Viertel der Australier den Social-Media-Bann.

Australien führt das Mindestalter für den Zugang zu sozialen Netzwerken allerdings erst in einem Jahr ein. Die Plattformen sollen zwölf Monate Zeit bekommen, um die neue Altersprüfung umzusetzen. Falls die Konzerne keine „angemessenen Maßnahmen“ ergreifen, drohen Strafen von bis zu 50 Millionen australischen Dollar (30,8 Millionen Euro), wie der australische Sender ABC berichtete. Getestet werden mehrere Methoden, darunter die biometrische Prüfung eines hochgeladenen Selfies oder die Zwischenschaltung eines speziellen Dienstleisters, bei dem Identitätsnachweise eingereicht werden.

Erwartungsgemäß kritisierten die großen Social-Media-Unternehmen das Gesetz. Der Onlinedienst Tiktok etwa teilte am Freitag mit, er sei „enttäuscht“ von dem Gesetz. Katie Maskiell vom UN-Kinderhilfswerk Unicef Australien warnte davor, dass Kinder und Jugendliche in „verdeckte und nicht regulierte Online-Räume“ gedrängt würden, wenn sie keinen Zugang mehr zu Tiktok, Facebook und Co. hätten.

Gesetz wird zum weltweiten Testfall

Dieses Gesetz wird damit zu einem weltweit beobachteten Testfall, weil das Verbot im Gegensatz zu vielen anderen Ländern absolut ist. In Deutschland dürfen Minderjährige zwischen 13 und 16 Jahren Soziale Medien nutzen, wenn die Eltern zustimmen. Im US-Bundesstaat Florida gilt ein komplettes Verbot für Kinder unter 13 Jahren. Gegen dieses Gesetz läuft allerdings eine Klage, weil es Kritikern zufolge das Recht auf freie Meinungsäußerung beeinträchtigt.

Der Verabschiedung des Gesetzes in Australien waren hitzige Debatten vorausgegangen. Befeuert wurden sie unter anderem von einer parlamentarischen Anhörung, in deren Rahmen Eltern zu Wort kamen, deren Kinder sich nach Cyber-Mobbing etwas angetan hatten. Australische Medien, angeführt von Rupert Murdochs News Corp, unterstützten die Verschärfung des Jugendschutzes mit der Kampagne „Let Them Be Kids“ („Lasst sie Kinder sein“).

Der Aktivist Ali Halkic, dessen damals 17-jähriger Sohn sich 2009 wegen Mobbing das Leben genommen hatte, bezeichnete das Gesetz als ersten Schritt, Eltern die Kontrolle zurückzugeben. „Für die zehn- bis 15-Jährigen wird das Verbot hart sein.“ Für die folgende Generation spiele es dagegen keine Rolle mehr, weil sie es nicht anders kennenlernen würden.