Bitkom-Studie: Datacenter fürchten strengere Regulierung
Es ist wohl ein Zufall gewesen, aber er hat gut gepasst: Just an dem Tag, an dem der Bundestag den Entwurf für das Energieeffizienzgesetz und damit strengere Vorgaben für Datacenter diskutierte, hat der Branchenverband Bitkom eine neue Studie zu den Entwicklungen des Rechenzentrumsmarktes vorgestellt und die Gelegenheit für eine Mahnung genutzt: Die Bundesrepublik dürfe es mit der Regulation nicht übertreiben, wolle sie nicht riskieren, dass die Betreiberfirmen und mit ihnen die Speicherung und Verarbeitung der Daten in andere Länder abwanderten.
„Das ist auch eine Frage der Datensicherheit“, sagte Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Noch habe kein Anbieter Deutschland verlassen, aber vor allem diejenigen, die ihre Spezialimmobilien vor allem für die Server von Cloudbetreibern und Streamingdiensten bauen, hätten Projekte „auf Eis liegen“. Sie warteten ab, in welchem regulatorischen Rahmen sie künftig arbeiten könnten.
Davon abgesehen stehen die Zeichen für die Branche, die in der Rhein-Main-Region nach wie vor ihren Schwerpunkt hat, auf Wachstum. Die Digitalisierung und die Zunahme von Cloud-Dienstleistungen verlangen nach weiterer Kapazität. Aktuell gibt es im Land 47.000 kleine, meist unternehmenseigene und 3000 große Rechenzentren, deren installierte Stromleistung teilweise mehrere Hundert Kilowatt beträgt. Die Zahlen hat das Borderstep Institut zusammengetragen, das für den Bitkom-Verband schon einige Berichte erstellt hat und von dem auch die in Frankfurt wohlbekannte Berechnung stammt, wonach man theoretisch die Wärmeversorgung aller Haushalte in der Stadt mit der Abwärme aus Rechenzentren bewältigen könnte.
Effizientere Kühlung
Für die aktuelle Studie wurde auch die Gesamtzahl aller Server weltweit ermittelt: 85,6 Millionen Rechner sollen es im vergangenen Jahr gewesen sein und damit fast 27 Millionen mehr als noch 2015. Drei Prozent davon, also fast 2,6 Millionen Computer, stehen in Deutschland. Unangefochtener Datenverarbeitungsweltmeister sind die Vereinigten Staaten, wo 40 Prozent aller Server installiert sind, der Anteil Chinas liegt bei 15 Prozent.
Am deutschen Markt schätzen die Unternehmen die zuverlässige Stromversorgung, Rechtssicherheit und die Sorgfalt beim Datenschutz. Als die größten Standortnachteile benennen sie die Dauer von Genehmigungsprozessen und die hohen Strompreise. Letzteres wog im vergangenen Jahr besonders schwer: Statt durchschnittlicher 14,8 Cent mussten die Betreiber 24,6 Cent pro Kilowattstunde Strom bezahlen. Das blieb der Spitzenpreis in Europa.
Auch deshalb sind die Anstrengungen groß, den Energieverbrauch der Datenverarbeitung zu senken. Im Zuge der Auflagen zum Klimaschutz ist das Thema umso drängender. Immerhin ist in den zurückliegenden Jahren der Stromverbrauch nicht im gleichen Maße gestiegen wie die Rechenkapazität. Sowohl die Servertechnik als auch die Gebäudetechnik, allen voran die Kühlung, ist effizienter geworden. So ist der Gesamtenergieverbrauch seit 2012 von elf auf 18 Terawatt gestiegen, während sich die Zahl der abgearbeiteten Rechenleistungen (Workloads) von zwei auf 23 Millionen verzehnfacht hat. Wie viel Strom für die digitale Infrastruktur zum Ende des Jahrzehnts gebraucht wird, hängt also sehr davon ab, wie viel Effizienzsteigerung noch möglich ist. Die Borderstep-Studie hat mehrere Szenarien durchgerechnet, im schlechtesten Fall verdoppelt sich der Bedarf bis 2030 nahezu, im klimafreundlichsten steigt er trotz des Ausbaus nur moderat.
Nutzung von Abwärme
Diese Szenarien haben natürlich auch einen großen Einfluss auf den künftigen Kohlendioxidausstoß der Rechenzentren. Der war trotz des massiven Ausbaus in den Jahren 2019 und 2020 deutlich gesunken. Die Begründung dafür liegt zum einen am steigenden Anteil von erneuerbaren Energien am deutschen Strommix und zum anderen an den Grünstrommengen, die sich die Betreiber meist durch den Kauf von Zertifikaten gesichert haben. Nun hat Deutschland in den vergangenen zwei Jahren wieder deutlich mehr Strom aus Kohle gewonnen, in der Folge sind die Klimawerte wieder schlechter geworden.
An dieser Stelle hänge die Branche von der Gesamtentwicklung ab, sagt Rohleder. Erreicht die Bundesrepublik ihr Ziel, in sieben Jahren 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen, sieht sich die Branche in der Lage, ihren Kohlendioxidausstoß in der gleichen Zeit zu halbieren. Dazu soll auch die Nutzung von Abwärme beitragen, die laut Bitkom viele Betreiber lieber heute als morgen abgeben würden. „Die meisten würden sie verschenken, wenn es denn Infrastruktur und Abnehmer gebe“, so Rohleder. Solange es daran mangelt, sei es wenig sinnvoll, den Datacenter-Betreibern feste Abgabequoten vorzuschreiben, sagte der Branchenvertreter mit Blick auf die laufende Debatte in Berlin.