Belarus: Gericht verurteilt zwei Kritikerinnen von Lukaschenko zu Straflager
In Belarus hat das Stadtgericht in Minsk zwei Kritikerinnen von Machthaber Alexander Lukaschenko zu je zwölf Jahren Straflager verurteilt. Die umstrittenen Urteile richteten sich gegen die Chefredakteurin Marina Solotowa und die Direktorin Ljudmila Tschekina des inzwischen geschlossenen Internet-Nachrichtenportals tut.by. Das bis 2020 bekannte unabhängige Medium hatte damals über die Massenproteste berichtet.
Die 45 Jahre alte Solotowa wurde für schuldig befunden, weil sie mithilfe des Internets „Material mit öffentlichen Aufrufen zur Ergreifung der Staatsmacht, zum gewaltsamen Umsturz der Verfassungsordnung“ verbreitet haben soll. Sie habe der nationalen Sicherheit geschadet. Die 49 Jahre alte Tschekina wurde neben diesen Vorwürfen zusätzlich wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Die Urteile lösten unter Menschenrechtlern und Gegnern Lukaschenkos großes Entsetzen aus.
„Persönliche Rache Lukaschenkos“
In ihrem Exil im Ausland kritisierte die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja die Urteile als „persönliche Rache Lukaschenkos“ an diesen Frauen und als Versuch, „ehrlichen Journalismus auszulöschen“. „Ich habe absolut keinen Zweifel, dass die Werte von Mila und Marina gewinnen werden und beide am Ende in Freiheit kommen“, sagte Tichanowskaja, die viele als Siegerin der Wahl gegen Lukaschenko im August 2020 sahen.
Lukaschenko hatte nicht nur die Proteste gegen seinen selbst erklärten Wahlsieg gewaltsam auflösen lassen. Er ließ auch Hunderte Kritiker einsperren. Seither werden viele in nicht öffentlichen Verfahren und ohne Beweise zu langen Haftstrafen verurteilt.
„Kampagne der Gewalt und Unterdrückung“
Nach einem Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte begingen belarussische Behörden möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Kritikern. Die Menschenrechtsverletzungen „scheinen Teil einer Kampagne der Gewalt und Unterdrückung gewesen zu sein“, heißt es in einem Bericht. Die Kampagne habe sich gegen Menschen gerichtet, die sich der Regierung widersetzten oder kritische Meinungen geäußert hätten. „Einige dieser Verstöße können Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“, hieß es weiter.
Der Bericht bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. Mai bis zum Ende 2022 und stützt sich auf Gespräche mit 207 Opfern und Zeugen. Zudem sind mehr als 2.500 Beweisstücke untersucht worden – darunter Fotos, Videos sowie medizinische und juristische Aufzeichnungen.
UN fordern transparente Untersuchung
Der Bericht dokumentiere unter anderem „weit verbreitete und systematische Verletzungen der internationalen Menschenrechtsgesetze, darunter der rechtswidrige Entzug des Lebens und zahlreiche Fälle von willkürlichem Freiheitsentzug, Folter und Misshandlung“, sagte eine Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats. Auch „sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt sowie Verletzungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigung“ seien dokumentiert worden.
Der Bericht zeichne ein inakzeptables Bild der Straflosigkeit und der fast vollständigen Zerstörung des zivilgesellschaftlichen Raums und der Grundfreiheiten in Belarus, sagte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk. Die Regierung in Minsk schulde es ihrem Volk, die Massenunterdrückung zu beenden. Zudem müssten unparteiische und transparente Untersuchungen vorgenommen werden, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen für die schweren Verstöße zur Rechenschaft gezogen werden.