Behördendemontage in den USA: „Darf man seine Gebete verrichten, dass Trump tot umfällt?“

Der Washington Square Park gehört zu den beliebtesten Treffpunkten für Demonstrationen in New York. Vor ein paar Jahren war er Schauplatz für Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung. An diesem eisigen Nachmittag geht es um Donald Trump und Elon Musk. Der US-Präsident und der reichste Mensch der Welt, der zu einem seiner engsten Berater geworden ist, haben drastische Einschnitte im Regierungsapparat angekündigt. Das trifft auch den Forschungsbetrieb, und dagegen richtet sich der Protest. Einige Hundert Menschen versammeln sich in dem Park, viele von ihnen kommen von der nahe gelegenen New York University. „Jeder Katastrophenfilm fängt damit an, dass Wissenschaftler ignoriert werden“, steht auf dem Schild einer Mathematikerin, die an Wetterextremen forscht. Ein angehender Arzt hält ein Schild mit der Aufschrift „Fuck Elon“ hoch und schimpft: „Das ist eine feindliche Übernahme der amerikanischen Regierung.“

Thomas Hill ergreift das Wort. Er leitet ein Forschungsprogramm an der New York University, in dem es um die Bekämpfung von Gewalt geht und das von einer Menschenrechtsbehörde des Außenministeriums mitfinanziert wird. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Länder wie Kolumbien, Libyen und Sierra Leone. Die Kürzungen von Staatsmitteln seien „desaströs“ für seine Projekte, ruft er den anderen Demonstranten mit seinem Megafon zu. Zehn Mitarbeiter des Regierungsteams, mit dem er zusammengearbeitet habe, seien entlassen worden, die von ihnen betreuten Förderprogramme im Wert von mehr als 11 Millionen Dollar seien „über Nacht verschwunden“. Nach seiner Rede sagt er auf die Frage, wie er seine Arbeit ohne Geld von der Regierung fortsetzen könne, er müsse sich nun eben nach anderen Finanzquellen umsehen, zum Beispiel in Unternehmen oder Stiftungen. Aber nun, da der Staat ausfalle, werde die Konkurrenz um andere Geldgeber immer härter. Hill lässt seiner Wut freien Lauf: „Wir haben einen geisteskranken Präsidenten. Und einige sehr, sehr ignorante Menschen, die ihn beraten.“

Als Donald Trump im November zum zweiten Mal gewählt wurde, gab er das Ziel aus, „die Regierungsbürokratie zu zerlegen“. Seine ersten Wochen im Amt haben gezeigt, wie ernst es ihm damit ist. Per Dekret hat er Entlassungen im großen Stil angeordnet, im offiziellen Jargon „RIFs“ oder „Reductions in Force“. Zehntausende von Staatsangestellten haben ihren Arbeitsplatz verloren, viele weitere haben ein Abfindungsangebot angenommen. Es wurden reihenweise Regierungsprogramme gestrichen und Aufträge storniert, einige Behörden wie die Entwicklungshilfeagentur USAID sollen ganz abgewickelt werden. Die Einschnitte sorgen weit über die Behörden hinaus für Schockwellen. Sie treffen Wissenschaftler wie Thomas Hill, deren Forschungsprojekte vom Staat mitfinanziert wurden, oder Bauern, die von Hilfsprogrammen der Regierung abhängen.

„DOGE“-Teams sitzen in den einzelnen Behörden

Trumps Werkzeug für diese Demontagemission ist Elon Musk, sein wichtigster und spendabelster Wahlkampfhelfer. Für ihn hat Trump die Arbeitsgruppe „Department of Government Efficiency“ oder „DOGE“ geschaffen und sie nach und nach mit immer mehr Befugnissen ausgestattet. „DOGE“-Teams sitzen nun in den einzelnen Behörden, auch solchen, von denen Musks Unternehmen wie der Raumfahrtspezialist SpaceX und der Elektroautohersteller Tesla Aufträge bekommen haben oder reguliert werden.

Zu der Gruppe gehören langjährige Vertraute von Musk und auch eine Reihe sehr junger Mitarbeiter, darunter frühere Praktikanten in Musks Imperium. Sie gehen nun nach einem ähnlich rabiaten Muster vor, wie es Musk 2022 nach der Übernahme von Twitter tat, wo er 80 Prozent der Arbeitsplätze eliminierte. Kürzlich forderte er Regierungsangestellte unter Androhung der Kündigung auf, in E-Mails aufzuschreiben, was sie in der vergangenen Woche geleistet hätten.

Musk will „DOGE“ als disruptive Kraft verstanden wissen, das machte er deutlich, als er unlängst auf einer Konferenz mit einer Kettensäge posierte. Den Ärger über „DOGE“ bekommt er zunehmend auch mit seinen Unternehmen zu spüren, am vergangenen Wochenende gab es Demonstrationen vor Dutzenden von Tesla-Läden in den USA.

Carson Reed (Name von der Redaktion geändert) erfuhr am Valentinstag von seiner Kündigung. Als er morgens in sein Büro im Landwirtschaftsministerium ging und seinen Computer anschaltete, fand er die Nachricht ganz oben im Posteingang. Darin hieß es kühl: „Auf Basis Ihrer Leistung kommt die Behörde zu dem Schluss, dass Sie nicht demonstriert haben, dass Ihre Weiterbeschäftigung im öffentlichen Interesse ist.“ Er werde deshalb von seinem Posten „entfernt“.

Auch länger etablierte Staatsangestellte hat es getroffen

Reed gehört zu den vielen entlassenen Mitarbeitern, die noch in der Probezeit und somit leicht zu kündigen waren. Er hatte seine Stelle erst im November angetreten. Wie mittlerweile bekannt geworden ist, hat es nicht nur Neueinsteiger wie ihn getroffen, sondern auch länger etablierte Staatsangestellte, die deshalb Probezeitstatus hatten, weil sie auf einen anderen Posten gewechselt oder befördert worden waren.

Reeds Kündigung kam aus der Personalabteilung des Ministeriums. Er sagt, seine direkte Chefin habe nichts davon gewusst. Aber ihn habe es nicht mehr völlig überrascht, nachdem eine Woche vorher bekannt geworden sei, es würden Listen mit Mitarbeitern in Probezeit erstellt. Trotzdem habe er „Panik“ gespürt, als er die Nachricht von seiner Entlassung dann tatsächlich vor Augen gehabt habe. Das Leistungsargument hält er für vorgeschoben. Da er erst ein paar Monate auf seinem Posten gewesen sei, habe es auch noch keine Leistungsbeurteilung für ihn gegeben.

Reeds Aufgabe im Ministerium drehte sich um Regierungsprogramme zur Unterstützung kleinerer Bauernhöfe. Er war auf Bodenschutz spezialisiert und arbeitete zum Beispiel an Projekten zur Vermeidung von Erosion. „Das macht Bauern produktiver und hilft der Umwelt“, sagt er. Reed betreibt mit seiner Frau seit ein paar Jahren selbst einen Bauernhof und baut Gemüse an, das er dann auf Wochenmärkten verkauft. Die Farm ist aber bisher nicht profitabel, der Regierungsposten bedeutete für ihn und seine Frau deshalb die willkommene Aussicht auf ein stabiles Jahreseinkommen von 55.000 Dollar und gute Sozialleistungen. Das fällt nun weg, und Reed hat Arbeitslosengeld beantragt. Er will sich nach einem neuen Job in der Landwirtschaftsbranche außerhalb der Regierung umsehen. Und er will schnellstmöglich zum Zahnarzt gehen, solange seine staatliche Krankenversicherung noch greift.

Von ihrem Geschäftsfeld ist nicht mehr viel übrig

Auch die Karriere von Laura Wigglesworth liegt im Moment in Trümmern. Dafür wirkt sie bei einem Besuch überraschend agil. Sie hat gerade eine Videokonferenz mit sieben anderen Frauen beendet, die so wie sie in der Entwicklungshilfe aktiv waren – die meisten in Organisationen, die mit Projekten für USAID betraut wurden. Von ihnen hat noch eine einzige Arbeit. Wigglesworth war einst Headhunterin für die Hilfsorganisation Care, die Deutschland in der Nachkriegszeit mit Hilfsgütern versorgt hat. Vor einigen Monaten hat sie sich als Personalberaterin selbständig gemacht. Sie hat Spezialisten vermittelt, die in Entwicklungsländern schwere ansteckende Krankheiten bekämpfen.

Jetzt ist von ihrem Geschäftsfeld nicht mehr viel übrig, viele Organisationen werden aufgelöst. Sie versucht nun, beim Pentagon einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das Militär könnte solche Infektionsexperten in seinen ausländischen Einsatzgebieten gebrauchen, hofft sie, auch wenn dies nicht das Gleiche wäre, wie armen Ländern zu helfen. Und ihr Mann Henry, ein kerniger 67 Jahre alter Pensionär, sucht wieder Arbeit, weil die Familie das Geld braucht. Das Paar hat zwei Töchter, die sich nach Abschlüssen an sehr renommierten Hochschulen selbst mit dem Mindestlohn durchschlagen. Dazu kommt Sohn Bekalu, den die Familie aus einem Waisenhaus in Äthiopien adoptiert hat. In diesem Jahr hat Wigglesworth ein nach ihm benanntes Kinderbuch herausgebracht, die Erlöse fließen an das Waisenhaus.

Wigglesworth findet, dass sie und viele ihrer nun arbeitslosen Freunde „Gottes Werk“ verrichtet haben. Sie ist offenbar nicht der Ansicht, dass Trump dies tut: „Ich habe neulich eine befreundete Pfarrerin der Episkopal-Kirche gefragt: ‚Darf man beten, dass Trump tot umfällt?‘ Sie hat geantwortet, dafür seien Gebete nicht gedacht.“ Verärgert ist Wigglesworth über fromme Trump-Wähler im Mittleren Westen, die selbst Kinder aus Äthiopien adoptiert haben. Sie hätten offenbar nicht darüber nachgedacht, dass ihre Kinder nicht zuletzt dank Entwicklungshilfe einigermaßen gesund und gut genährt nach Amerika gekommen seien.

Zu den Gruppen, die sich von Trump derzeit besonders ins Visier genommen fühlen, gehören Forscher. Die Entlassungen in Behörden haben auch wissenschaftliche Mitarbeiter getroffen, und Ausgabenstopps lassen weniger staatliche Finanzhilfen an die Universitäten fließen. Zum Teil haben angekündigte oder angedrohte Kürzungen mit Trumps Vorgehen gegen Diversitätsprogramme („DEI“) zu tun. Richter haben zwar einige der Sparpläne aus dem Weißen Haus vorerst ausgesetzt, aber die Forschergemeinde bleibt alarmiert.

Forschung ist zum „Kollateralschaden“ geworden

„Es gibt im Moment viel Unsicherheit,“ sagt Joanne Carney, die in der Wissenschaftsorganisation „American Association for the Advancement of Science“ für Regierungsbeziehungen zuständig ist. Forschung sei inmitten veränderter Prioritäten der politischen Führung zum „Kollateralschaden“ geworden, und die Folgen könnten fatal sein. „Wissenschaftler stellen jetzt ihre eigene Zukunft infrage und überlegen sich, ob sie vielleicht einen ganz anderen Karriereweg einschlagen sollten.“ Es sei auch denkbar, dass Amerika für ausländische Forscher an Attraktivität verliere.

Carney zufolge gefährdet das Streichen öffentlicher Mittel ein lange eingespieltes System, von dem die amerikanische Wirtschaft immer profitiert habe: Der Staat investiere in Grundlagenforschung, auf deren Basis Unternehmen später Produkte hätten entwickeln können. Carney bestreitet nicht, dass es Einsparpotentiale gibt: „Kein System ist perfekt, und ich bin sicher, es lassen sich leicht ein paar Finanzhilfen finden, die es vielleicht besser nicht gegeben hätte.“ Andererseits sei der Nutzen von Forschung nicht immer vorhersehbar. Ihre Organisation mache dies mit einem jährlich ausgeschriebenen „Golden Goose“-Preis deutlich. Er werde für Forschungsprojekte vergeben, die sich anfangs „albern oder dumm“ angehört, dann aber „unerwartet positiven gesellschaftlichen Wert“ gebracht hätten.

Trump sagt oft, „DOGE“ sei dazu da, „Verschwendung, Betrug und Missbrauch“ im Regierungshaushalt zu stoppen. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite für „DOGE“ wird reklamiert, es seien bislang 65 Milliarden Dollar eingespart worden, eine „Wand der Belege“ schlüsselt dies nach einzelnen Aufträgen auf. Medien haben allerdings von etlichen Fehlern in diesen Angaben berichtet. In einem Fall sei der Wert eines Auftrags auf 8 Milliarden Dollar beziffert worden, obwohl es nur 8 Millionen Dollar gewesen seien.

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Laura Beth Resnick war kürzlich in Washington, um gegen Einschnitte zu protestieren, die sie persönlich treffen. Zusammen mit rund einem Dutzend anderer Bauern kam sie zu einer Anhörung eines Landwirtschaftsausschusses im Kongress. Resnick und ihr Mann betreiben eine knapp zwei Hektar große Blumenfarm, mit der sie Floristen in Baltimore und Washington beliefern. Sie haben ein Förderprogramm in Anspruch genommen, das zum „Inflation Reduction Act“ gehört, einem umfangreichen Subventionspaket, das unter Trumps Vorgänger Joe Biden verabschiedet wurde. Es sieht unter anderem vor, kleinere Bauernhöfe zu unterstützen, die mehr erneuerbare Energien einsetzen wollen.

Resnick hat eine knapp 73.000 Dollar teure Solaranlage installieren lassen und einen Vertrag mit dem Landwirtschaftsministerium geschlossen, wonach die Regierung die Hälfte des Betrages übernimmt. Ohne Aussicht auf Staatshilfe hätte sie die Anlage nicht gekauft, sagt sie. Eigentlich sollte das Geld Ende Januar überwiesen werden. Nur wenige Tage vorher ordnete Trump aber per Dekret eine Ausgabensperre an, die unter anderem den Inflation Reduction Act trifft. Sie wurde zwar von einem Gericht vorerst wieder aufgehoben, aber das Geld an Resnick ist noch immer nicht geflossen.

Die Farmerin sagt, sie hätte nicht damit gerechnet, dass Trump etwas tun würde, das Bauern schade. Schließlich sei er mit überwältigender Mehrheit von ihnen gewählt worden, wenn auch nicht von ihr selbst: „Im Nachhinein sehe ich ein, das war extrem ignorant.“ Sollte sie die Subventionen am Ende wirklich nicht bekommen, werde sie womöglich noch einen Kredit aufnehmen müssen – zusätzlich zu den Krediten, die sie schon habe. Aber selbst wenn die Ausgabensperre noch falle, habe Trump Schaden angerichtet, der nicht wiedergutzumachen sei: „Die Regierung zeigt uns gerade, dass man sich nicht auf sie verlassen kann.“