„Bear Hunt – Die Promi-Jagd“: Im Dschungel mit Boris
In Costa Rica gibt es zahlreiche Bärenarten. Die zwei größten sind der Nordamerikanische Waschbär und der sogenannte Wickelbär. Beide Gattungen werden selten größer als 60 Zentimeter. Sie klettern gerne auf Bäume und ernähren sich von Früchten oder Insekten. Vor allem fallen die Tierchen aber durch ihre außerordentliche Niedlichkeit auf. Wer also darauf hofft, dass in der Netflix-Produktion Bear Hunt – Die Promi-Jagd die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Realityshow tatsächlich von einem bösen und gefährlich wirkenden Grizzly verfolgt werden, der dürfte schnell enttäuscht werden.
In der Show ziehen zwölf prominente Teilnehmer für mehrere Wochen in ein Basecamp in Costa Rica ein. Über insgesamt acht Folgen hinweg müssen sie verschiedene Challenges absolvieren, man kennt das. Tiefe Schluchten sollen überquert, Sümpfe überwunden oder Rettungsinseln aus dem Ozean gefischt werden. Ein Vergleich mit dem gerade laufenden deutschen Dschungelcamp bietet sich an – vor allem, weil an dem Netflix-Format neben dem ehemaligen Spice Girl Mel B und dem Model Lottie Moss auch Ex-Tennisprofi Boris Becker teilnimmt. Seine Ex-Frau Lilly Becker schlägt sich bekanntermaßen aktuell durch den australischen Dschungel und muss auf RTL zur besten Sendezeit gequirlten Schafbockhoden schlürfen oder ein Auto durch allerlei Unappetitliches manövrieren.
Bear Hunt ist allerdings deutlich gefährlicher inszeniert als die Schwestersendung. Die Realityshow startet damit, dass sich der titelgebende Bär, der in Wahrheit niemand anderes ist als der britische Abenteurer und Fernsehmoderator Bear Grylls, mit einem Fallschirm aus einem Helikopter stürzt. Bedrohliche Nahaufnahmen von Krokodilen und Schlangen untermalen, welche exotischen Gefahren die Teilnehmenden im Netflix-Dschungel angeblich erwarten.
Verfolgungsjagd durchs Unterholz
Gemessen daran wirkt die Unterkunft am costa-ricanischen Strand dann aber durchaus ansprechend. Während Lilly und ihre Mitstreiter auf rudimentären Pritschen und Campingmatten schlafen, haben Boris und seine Crew richtige Betten und ein Yogastudio zur Verfügung. Auf den Tischen stehen prall gefüllte Obstschalen, der britische Rapper Big Zuu frittiert zum Abendessen Hühnchen, und der Sonnenuntergang über dem Meer ist auch ganz hübsch. Fast könnte man meinen, das Ganze sei bloß ein netter kleiner Badeurlaub.
Doch dann kommen die Challenges, und wer bei den Challenges versagt, der kommt in den „Bear Pit“: einen umzäunten Dschungelabschnitt, in dem sie dann von Bear Grylls „gejagt“ werden. Model Leomie Anderson denkt, sie könnte eine seiner Fallen überlisten – und landet prompt in einem Netz unter den Baumwipfeln, wo sie dann auch erst mal hängen bleibt. TV-Star Laurence Llewelyn-Bowen treibt ein menschliches Bedürfnis aus der Deckung, ein Moment der Schwäche, den der Bär beobachtet und direkt ausnutzt. Es gibt schwarze Outdooruniformen, Flechtfrisuren und Verfolgungsjagden durch das Unterholz. Wer gefangen wird, muss eventuell gehen. Die Szenen erinnern sehr an eine weniger tödliche Version der Hunger Games aus Suzanne Collins‘ Die Tribute von Panem, leicht dystopisches Gefühl inklusive. Es ist schon sehr gruselig, wenn Menschen mit Fallen und Kameras „gejagt“ werden und ihre Niederlage mit Pistolenschüssen bekannt gegeben wird. Auch wenn es sich nur um eine aufwendige Inszenierung handelt.
Wer sich daran nicht stört, dürfte Bear Hunt durchaus unterhaltsam finden. Der britische Akzent der Teilnehmer – und selbst Boris‘ leicht fehlerhaftes, aber grundsympathisches Englisch – lässt alles gleich dreimal so niveauvoll klingen wie im deutschen Reality-TV. Drama gibt es zwar auch hier, aber immerhin muss man einige Folgen darauf warten. Menschen fühlen sich vom Team hintergangen und ausgeschlossen. Man kennt es, ansonsten bleibt das meiste sehr friedlich. Bisweilen können Zuschauer außerdem etwas lernen. Von Bear Grylls zum Beispiel, der neben seinem Job als Jäger mehr oder weniger auch eine Rolle zwischen Lifecoach und Abreißkalender einnimmt, mit Sprüchen wie „Wenn man unaufmerksam wird, kriegt man Probleme“ oder „Ohne Risiko lässt sich nichts gewinnen“. Und das stimmt ja auch irgendwie.
Wer allerdings erst mal kein Risiko eingehen muss, ist Boris Becker. Er hat sich direkt bei der ersten Prüfung, bei der die Promis aus einem schlammigen Tal entkommen mussten, den Meniskus gerissen und darf die Challenges zunächst aussitzen. Wie ein bequemer Hausherr lauscht er den Jungen und Wilden, wenn sie von ihren Abenteuern im Dschungel sprechen. Auch er spart nicht an Lebensweisheiten, die er aus alten Tennistagen reichlich hat: Der härteste Gegner sei der Mann im Spiegel; das Einzige, was man kontrollieren könne, sind die eigenen Gedanken. Und so was muss man einfach mal hören, wenn man gerade für 60 Minuten von einem halbwilden TV-Moderator durch den Dschungel gejagt wurde. Toll finden es auf jeden Fall alle.
Auch von seiner Zeit im Gefängnis erzählt Becker, allerdings nur kurz. Dort müsse man auch überleben, genau wie im Dschungel. Mehr möchte er von seiner Zeit in britischen Justizvollzugsanstalten aber nicht erzählen, zu intim sei das alles.
Die spannendere Frage ist ja auch, ob der pensionierte Tennisprofi ab jetzt häufiger in Realityformaten auftreten möchte. Gegenüber der Bild am Sonntag sagte er bereits, dass er sich das Dschungelcamp eigentlich nicht vorstellen könne. Lilly Becker hingegen hätte nach all dem Büffelpenis und Ziegenanus sicher nichts gegen etwas Urlaub in Costa Rica einzuwenden. Sollte Die Promi-Jagd eine zweite Staffel bekommen, könnte man sie ja mal fragen.
Alle acht Episoden von „The Bear Hunt – Die Promi-Jagd“ sind auf Netflix verfügbar.