BASF wappnet sich mit Spezialschiffen gegen die nächste Trockenheit

Wenn der Fluss kein Wasser trägt, hat der Konzern ein Problem. Als der Rhein an seiner Engstelle bei Kaub unterhalb der Loreley sogar mehrfach ge­sperrt werden musste, kostete das den Chemieriesen BASF eine Viertelmilliarde Euro an Gewinn.

Bernd Freytag

Wirtschaftskorrespondent Rhein-Neckar-Saar mit Sitz in Mainz.

2018 war das. Damals hat das größte Chemieunternehmen der Welt ein Programm gestartet, damit sich solche Verluste nicht wiederholen: Es hat ein Frühwarnsystem installiert und die Zahl der angemieteten Niedrigwasserschiffe mehr als verdoppelt. Und es ließ ein eigenes neues Schiff entwickeln, das bei Niedrigwasser deutlich mehr transportieren kann als die herkömmlichen Modelle.

An diesem Freitag hat er das erste Exemplar offiziell vorgestellt: die „Stolt Ludwigshafen“. Eigens gebaut, um den existenziellen Transportweg zwischen dem Stammwerk in Ludwigshafen und dem Nordseehafen Rotterdam selbst bei Niedrigwasser offen zu halten. 135 Meter lang ist es und 17,5 Meter breit – länger und breiter als übliche Binnenschiffe. Dank der Leichtbauweise kann es nach Angaben des Konzerns selbst bei einer Wassertiefe von 1,60 Meter – entspricht dem Niedrigpegel 30 bei Kaub – noch 800 Tonnen transportieren.

Rumpf aus China, Kooperation mit Reederei Stolt

Bei „moderatem Niedrigwasser“ sind es nach Angaben der BASF 2300 Tonnen und damit doppelt so viel wie ein konventionelles Binnenschiff. Der Rumpf wurde in China gebaut, entwickelt und fertig­gestellt hat es der Konzern zusammen mit der Großreederei Stolt. Zu den Kosten hält sich BASF bedeckt.

Klar ist, der Konzern lässt sich seine Widerstandskraft gegen Starkwetterereignisse einiges kosten. „Unsere Klimaanalysen für den Standort zeigen, dass es zu einer deutlichen Zunahme von Hitzewellen kommen wird, die Niederschläge im Winter zunehmen und speziell im Sommer abnehmen. Eine direkte Folge davon ist ein zunehmendes Niedrigwasserrisiko gerade im Spätsommer“, sagte BASF-Meteorologe Max Bangert im Sommer 2021 der F.A.Z.

Der Rhein hat nach wie vor existenzielle Bedeutung für den Konzern, dessen riesiges Betriebsgelände sich zwischen „Rheinkilometer 426 und 433“ am Fluss entlangschlängelt. Drei eigene Häfen betreibt der Konzern, rund 40 Prozent aller Transporte kommen über das Wasser. Vor allem Rohstoffe von der Nordsee gelangen so in das Werk.

Wasser ist wichtiger Rohstoff für die Produktion

Neben dem Transport kommt dem Rhein eine weitere wichtige Funktion zu: Sein Wasser benötigen die Chemiekonzerne zum Kühlen der Anlagen, einen weiteren kleineren Teil als „Prozesswasser“, etwa als Lösemittel oder Reaktionsmedium. Nach Angaben des Branchenverbands VCI ist die chemische Industrie deshalb der mit Abstand größte indus­trielle Wasserverbraucher. Er verweist darauf, dass die Branche den Wasserverbrauch in den letzten Jahren an­nähernd konstant gehalten habe, obwohl die Produktion seit 1995 um gute 40 Prozent gestiegen sei.

Zum möglichen Niedrigwasser kommt das Problem der „Wärmelast“. Wenn die Sauerstoffkonzentration im Fluss sinkt, bekommen auch die Unternehmen ein Problem. Sie dürfen Kühlwasser nämlich nur mit einer festgesetzt leicht höheren Temperatur wieder zurück in den Fluss leiten. Im Zweifel können Behörden die Einleitung begrenzen.

Heute wird nicht nur die Temperatur gemessen, auch die Schadstoffe im Ab­wasser werden stark kontrolliert. Die Zeiten als sich der Rhein von Basel bis nach Ludwigshafen rot färbte, alles Leben da­rin starb, weil die Feuerwehr in Basel das Löschwasser eines Chemiebrandes in den Fluss leitete, sind vorbei. Die Wasserqualität hat sich deutlich verbessert, von Kloake spricht heute niemand mehr. Al­lerdings beanstandete etwa Greenpeace zuletzt eine wachsende Belastung des Flusses mit Mikroplastik.

Industrie braucht Flüsse

Die europäische Chemieindustrie wäre ohne den Rhein nicht denkbar. Roche, Novartis und Lonza in Basel, danach Clariant in Muttenz, in Deutschland BASF , Bayer, Evonik, Lanxess, Covestro – das Who’s who der Chemie- und Pharmakonzerne produziert bis heute am Fluss. Als diese Unternehmen vor hundert und mehr Jahren gegründet wurden, war ein Standort weg vom Wasser schlicht nicht möglich, und daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Ein Binnenschiff transportiert mehr Güter als ein Zug.

In seinem Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“ hat das Bundesverkehrsminis­teriums deshalb schon 2019 eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, um den Transportweg zu sichern. Am wichtigsten, zugleich aber auch am meisten umstritten ist eine weitere Vertiefung der Fahrrinne zwischen St. Goar und Mainz.

Bis Bagger anrücken, dürfte es aber noch eine ganze Weile dauern. Frühestens Ende des Jahrzehnts, hieß es zuletzt von Beteiligten. Man sei froh, dass die Bundes- und Landesregierung die Themen Schiffbarkeit des Rheins erkannt hätten, lässt BASF wissen. „Jetzt wünschen wir uns eine zügige Umsetzung des Großprojekts ohne weitere Verzöge­rungen.“