Banken: Zu groß für den Untergang

Die jüngste Zwangsfusion der Schweizer UBS und Credit Suisse
hat eine neue Diskussion über too big too fail ausgelöst, also ob Banken nicht zu
groß sind und ein Staat sie überhaupt pleitegehen lassen kann. Eine aktuelle Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt,
dass dies vor allem ein Problem der Großbanken in Europa ist. Dorothea Schäfer,
Forschungsdirektorin Finanzmärkte, hat dafür die Bilanzsummen der 30 größten
systemrelevanten Banken der Welt ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung ihres
Heimatlandes gesetzt.   

Danach entspricht die Bilanzsumme der neuen UBS/Credit Suisse beeindruckenden 243 Prozent des Schweizers BIP. Die spanische Banco
Santander käme auf 127 Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung. Auf den
ersten sechs Plätzen finden sich ausschließlich europäische Banken (ING/Niederlande, BNP Paribas/Frankreich, HSBC aus Großbritannien und Credit Agricole aus Frankreich). Ihre Bilanzsummen – vereinfacht gesagt sind das die
aufaddierten Kredite, Guthaben und Vermögenswerte – sind fast genauso groß wie das Bruttoinlandsprodukt ihres jeweiligen Heimatlandes oder sogar noch größer. Entscheidend für den Ausgang einer
Bankenkrise ist, wie finanzstark die Volkswirtschaft im Hintergrund ist, die
eine Bank im Notfall retten muss. Und natürlich welche Werte sich hinter der Bilanzsumme verbergen: Sind es faule Immobilienkredite oder an sich sichere Staatsanleihen?

„Solche großen Finanzinstitute lassen sich im Fall einer schweren Schieflage nicht mehr nur mit Privatkapital retten“, sagt Schäfer. Es sei klar, dass der Staat bei diesen Großbanken als Anteilseigner mit
Steuergeldern einsteigen müsse. Die Diskussion über das Erpressungspotenzial
von Großbanken wurde jüngst angeheizt durch die Schweizer
Finanzministerin Karin Keller-Sutter
, die vor zwei Wochen die
Rettungsaktion der Credit Suisse orchestrierte. Sie warnt davor, dass die Regeln zur
Abwicklung von systemrelevanten Großbanken nicht funktionieren würden. Wäre man
nach dem offiziellen Regelwerk vorgegangen, hätte das „eine internationale
Finanzkrise ausgelöst“.

Auffällig ist, dass die amerikanischen Großbanken auf den
hinteren Plätzen des Rankings landen. Die internationale
Überwachungsbehörde, das Financial Stability Board aus der Schweiz, listet etwa
JP Morgen Chase mit einer Bilanzsumme von 3,7 Billionen US-Dollar als einzige
systemrelevante Bank in der Risikogruppe 4 von 5: Kein anderes Finanzinstitut
ist also weltweit so stark mit anderen Banken vernetzt und so
systemrelevant, dass es besonders hohe Anforderungen ans Eigenkapital erfüllen muss. Setzt man die Bilanzsumme allerdings ins Verhältnis zur
amerikanischen Wirtschaftsleistung, landet JP Morgen Chase auf
Platz 22 der systemrelevanten Banken. Die weltgrößte Bank der Welt, die
Industrial and Commercial Bank of China, kommt wegen der Größe der chinesischen
Volkswirtschaft auf Platz 17.

Nach der spektakulären Pleite der US-Bank Lehman Brothers 2008 hatte weltweit eine Diskussion begonnen, ob Großbanken nicht zerschlagen
werden müssten, damit sie im Ernstfall leichter abgewickelt werden können. „Damals
gab es den politischen Willen, dass man keine unkontrollierbaren Riesenbanken
mehr wollte“, sagt Finanzexpertin Schäfer. Tatsächlich zeigen ihre Daten,
dass die Bilanzsummen der zehn größten europäischen Finanzinstitute geschrumpft
sind – allerdings meist nur bis etwa 2014. Seitdem wurden die zehn größten
europäischen Finanzinstitute, die von der Europäischen Bankenaufsicht
kontrolliert werden, immer größer. 

Allein die Bilanzsumme der Intesa
Sanpaolo, einer der größten Banken Italiens, stieg seit 2010 um beachtliche 85 Prozent.
Französische Institute wie die Group Credit Agricole, die Group BPCE und die
Group Credit Mutuel wuchsen um mehr als 50, teilweise sogar mehr als 60
Prozent. „Die Banken standen in den vergangenen Jahren nicht mehr im Fokus, man
hat sie machen lassen und die Regulierung nicht weiter verschärft“, sagt
Schäfer. Zwar gibt es auf europäischer Ebene eine Regelung, um Banken ohne Steuergelder abzuwickeln. Sie ist allerdings noch nie angewandt worden. Auch eine europäische Einlagensicherung lässt auf sich warten –
auch weil sich deutsche Sparkassen und Volksbanken dagegen wehren. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und die Covid-Lockdowns haben nach Ansicht Schäfers ebenfalls ihre
Spuren hinterlassen: Weil die Kreditnachfrage enorm war und Banken mit Sparguthaben überschwemmt wurden, wuchsen die Bankbilanzen immer weiter an. Viele
Banken kauften Staatsanleihen und haben nun entsprechend mit dem Zinsrisiko zu
kämpfen.

Tatsächlich sind in den vergangenen Jahren nur zwei große Finanzinstitute
in der Eurozone geschrumpft: Neben der italienischen UniCredit ist das vor allem
die Deutsche Bank, deren Bilanzsumme seit 2010 um 30 Prozent geschrumpft ist.
Sie musste sich nach zahlreichen Skandalen radikal umbauen und hatte vor allem
das Investmentbanking kräftig zurechtgestutzt.