„Autobahn tested“ gehört zur Identität deutscher Automarken

Die Rufe nach einem Tempolimit auf allen deutschen Autobahnen werden lauter. Doch gibt es immer noch legitime Gründe dagegen. Manche Argumente dafür wirken wiederum weniger überzeugend, wenn man sie in einen Referenzrahmen stellt: Das Umweltbundesamt rechnete 2020 vor, dass ein generelles Tempolimit von 130 Stundenkilometern jährlich etwa 2,2 Millionen Tonnen CO2 einsparen würde. Das wären 1,5 Prozent der CO2-Emissionen des deutschen Verkehrssektors 2021 oder 0,3 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen von 2021, die wiederum 1,76 Prozent des gesamten internationalen CO2-Ausstoßes ausmachen.
Ein Limit von 120 Stundenkilometern sollte nach der Studie von 2020 eine etwas höhere Ersparnis von 2,9 Millionen Tonnen CO2 bringen. Auch dieser Wert schien offenbar dem grün geführten Umweltbundesamt zu wenig, sodass vor Kurzem in einer umfassenderen Studie mit vielen Ideen über Verkehrsbeschränkungen und -verlagerungen das Tempolimit auf der Autobahn noch mal beleuchtet wurde. Nun soll eine Begrenzung der Geschwindigkeit auf 120 Stundenkilometer 6,7 Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen.
Dabei wurde aber angenommen, dass bisher noch schneller gefahren wird und die Autofahrer mit einer Beschränkung stärker eingebremst werden, zudem dass die Frustration über das Tempolimit zum massenweisen Umstieg auf die Bahn führt. Doch eigentlich sollte der Umstieg auf Elektroautos, eventuell auch auf klimaneutrale E-Fuels, schon in den kommenden Jahren ein Vielfaches an fossilem CO2-Ausstoß sparen und dieses Thema für den Straßenverkehr schließlich obsolet werden lassen.
900.000 gut bezahlte Arbeitsplätze in Deutschland
Wie sehr es in der Diskussion um ein Tempolimit einfach um politische Präferenzen grüner Politik geht, zeigt ein Blick auf die Diskussion um die Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke. Für den Ersatz von deren Strom durch Kohle wurden von grünen Institutionen jährliche Emissionswerte zwischen 5 und 30 Millionen Tonnen CO2 angegeben, aber in diesem Zusammenhang war CO2 offenbar weniger von Interesse.
Die Frage nach der Sicherheit auf den Autobahnen wäre ebenfalls zu beleuchten, denn jedes Verkehrsopfer ist eines zu viel. Der kühle Blick in die Unfallstatistik zeigt aber, dass aus der Perspektive der Sicherheit eher wenig Handlungsbedarf besteht: Die deutschen Autobahnen nehmen rund ein Drittel des Verkehrs auf, doch wurden dort 2021 rund 0,8 Prozent der Unfälle und 12 Prozent der Verkehrsopfer gezählt. Obwohl etwa in Italien ein Limit von 130 Stundenkilometern gilt und fast auf einem Viertel der Strecken automatisch Nummernschilder registriert sowie durchschnittliche Geschwindigkeiten errechnet werden, ist dort die Zahl der Opfer je 100 Autobahnkilometer um 46 Prozent höher.
Da ist zu vermuten, dass sich gelangweilte Autofahrer zu sehr ablenken lassen, etwa vom Mobiltelefon. Wahrscheinlich ist es für die Sicherheit nicht so effektiv, zu nächtlicher Stunde auf der leeren Autobahn Führerscheinpunkte für Fahrten mit 151 Stundenkilometern abzuziehen, als mit dem gleichen Einsatz der Polizei Handymissbrauch am Steuer oder Abstandssünder zu verfolgen.
Die Frage nach dem Tempolimit hat aber auch noch eine industriepolitische Dimension. Deutschlands Autokonzerne verkaufen jährlich mehr als 700.000 Autos mit einem Preis von mehr als 100.000 Euro. Die deutschen Marken leben nicht nur vom Ruf, dass ihre Autos auf deutschen Autobahnen gut funktionieren.
Der im Ausland benutzte Begriff „Autobahn tested“ bedeutet in der Praxis, dass solche deutschen Autos auch bei 180 Stundenkilometern sicher in der Kurve liegen und ebenso gut bremsen, im Gegensatz zu mancher weich gefederten, wackeligen SUV-Schaukel, die für ein Limit von meist 70 Meilen (113 Stundenkilometer) Höchstgeschwindigkeit auf geraden amerikanischen Highways konstruiert ist. Wegen der Qualitäten und der Faszination deutscher Autos kaufen vielen Kunden auch im Ausland beispielsweise nicht das Basismodell der Mercedes E-Klasse für 50.000 Euro, sondern die AMG-Version mit mehr als 610 PS (450 kW) für 130.000 Euro.
Die hier entstehenden Ertragsmargen helfen deutschen Autobauern, fast 900.000 gut bezahlte Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und den Wechsel auf den Elektroantrieb zu finanzieren. Falls dieser Umbau gelingt, dann wahrscheinlich nicht, weil die Deutschen künftig bessere Smartphones auf vier Rädern bauen als die Chinesen, sondern weil auch für deutsche Elektroautos weiterhin als Alleinstellungsmerkmal gelten muss: „Autobahn tested“.