Auswirkungen der Bankenkrise: Die Welt geht unter, kaufen Sie meinen Fonds

Wer am Wochenende die Messe Stuttgart besuchte, fand in Halle 4, Stand 12, die vermeintliche Rettung vor der Inflation und dem Bankencrash, hübsch verpackt in einer kleinen, schimmernden Scheibe. Die funkelnde Platte erinnert an eine Mini-Disc und besteht aus dem seltensten Edelmetall der Welt: Osmium. Für Osmium gibt es in Produktionsprozessen wenig Verwendung, es fällt meistens als Nebenprodukt ab, wenn in Minen nach den wirklich nützlichen Elementen Platin, Palladium und Nickel geschürft wird. Und doch soll es nun stetig im Wert steigen und damit die Geldsorgen seiner Besitzer lindern. Das zumindest ist die Hoffnung, die das Deutsche Osmium-Institut derzeit weckt, wenn es die Glitzerscheiben auf der größten Anlegermesse Deutschlands, der Invest, an verunsicherte Sparerinnen und Sparer vermarktet. Ob sie in Erfüllung geht? Überaus fraglich.

Potenzielle Abnehmer für solche Angebote gibt es dennoch zuhauf und das nicht nur in der Stuttgarter Messehalle. Zumindest für kurze Zeit schien es so, als manifestiere sich die Finanzkrise aus dem Jahr 2008 aufs Neue. Die Schweizer Großbank Credit Suisse ging im Notverkauf an die Konkurrentin UBS, auch die Aktien von Deutsche Bank und Commerzbank fielen, die US-Gründerszene verlor mit der Silicon Valley Bank seinen größten Finanzierer. Mittlerweile hat sich die Lage wieder beruhigt, aber das kurze Beben der Banken hat bei vielen Menschen eine alte Sorge aufgeweckt: Was, wenn mein Geld auf dem Konto nicht sicher ist?

Auf der Invest suchten mehr als 12.000 von ihnen Antworten darauf. Und sie fanden neben seriösen Ansprechpartnern wie den etablierten Börsen und Banken auch einige Anbieter, die ausnutzen wollen, dass das Vertrauen ins Finanzestablishment gerade bröckelt. Ihr derzeit bestes Mittel zur Verkaufsförderung: die Angst. Zum Beispiel bei den Osmiumverkäufern. Das Edelmetall, so das Versprechen, schütze vor der hohen Inflation, zehn Prozent Rendite seien kein Problem.

Edelmetalle sollen vor Inflation schützen

Der Verbraucherschützer Thomas Beutler besucht die Anlegermesse regelmäßig, um die neuesten Methoden der Finanzvertriebler zu beobachten. Bei solchen Versprechen wird er hellhörig: „Osmium bewerben Anbieter als das neue Gold. Tatsächlich ist das Geschäftsmodell sehr intransparent, die Gelder befinden sich auf dem grauen Kapitalmarkt“, sagt der Finanzfachmann der Verbraucherzentrale Saarland. Ein Vermarkter habe das Monopol auf dem Markt und könne die Preise setzen, zudem sei unklar, ob Osmiumkäufer Abnehmer finden, wenn sie das Edelmetall wieder loswerden möchten. 

Überhaupt sind Edelmetalle bei den Besuchern beliebt, nicht nur das angeblich neue, sondern auch das alte, das echte Gold. Die Unze hat in den vergangenen fünf Jahren gut 72 Prozent an Wert gewonnen, gerade kletterte der Preis fast auf ein Allzeithoch. Auf der Invest wollen Anbieter wie Aurimentum, Aureus oder Metallorum Kunden werben. Gold gilt als Krisenwährung und die Krise schien gewiss. Auch als im vergangenen Jahr Russland die Ukraine angriff, stieg der Wert um knapp 30 Prozent. Seitdem ist er wieder etwas gefallen. Wer jetzt kauft, mag eine relativ sichere Anlage haben. Ein gutes Investment hat aber vor allem getätigt, wer bei niedrigeren Preisen als den jetzigen eingestiegen ist.

Besonders riskant, aber dennoch mit einem eigenen Bühnenprogramm auf der Messe bedacht, ist das Trading, also das tägliche Kaufen und Verkaufen von Aktien und anderen Vermögenswerten. Dort können Besucherinnen live zuschauen, wie Trader handeln. Sie erfahren außerdem, welches Mindset sie brauchen, um erfolgreich zu handeln und wie sie dabei Hebelprodukte, sogenannte Knock-out-Zertifikate, einsetzen. Damit können Anleger darauf wetten, ob Kurse einer bestimmten Aktie steigen oder fallen und profitieren überdurchschnittlich, wenn sie recht behalten. 

Die Botschaft, die in der Krise hier durchscheint: Auf Staat und Zentralbanken ist kein Verlass. Wer selbstständig mit Wertpapieren handelt, nimmt sein finanzielles Glück in die eigenen Hände. Was meist nur in einem Halbsatz erwähnt wird: Liegen sie falsch mit ihren Wetten, sind Trader ihr gesamtes Geld los. Ein Besucher, der Trading eher als Hobby betrachtet, erzählt von seinen Erfahrungen. Er hatte mit Knock-out-Zertifikaten auf die Telekom und Rheinmetall gewettet, so habe er sich schon den einen oder anderen Urlaub finanziert. Vergangenes Jahr ging er allerdings leer aus. Thomas Beutler wundert das nicht: „Hektisches Traden ist für die allermeisten Verbraucher keine gute Idee. Ihnen fehlen die Kenntnisse, es drohen hohe Verluste.“

Angst ist ein schlechter Ratgeber

Das Spiel mit der Sorge der Sparer lässt sich auch bei einem an die Messe angehängten Event namens Rohstoffnacht beobachten. Da beschwört der Crashprophet Marc Friedrich das Ende. Nach der „Corona-Diktatur“ wäre nun mit der Bankenkrise Zeit, das System zu stürzen. Das Muster ist nicht neu. „Crashpropheten profitieren von Zeiten wie diesen. Mit Angst erzeugt man Aufmerksamkeit und steigert den Verkauf“, sagt Thomas Beutler von der Verbraucherzentrale Saarland. Die Wirtschaft breche zusammen, dagegen helfen nur Sachwerte, so das Motto. Die verkaufen die Crashpropheten zufällig meist selbst, nach dem Motto: Die Welt geht unter, kaufen sie meinen Fonds. 

Ein besonders anschauliches Beispiel dazu liefert der als Mr. Dax bekannte Fernsehmoderator Dirk Müller, der in diesem Jahr nicht auf der Invest zu sehen ist. Er beschwört in schöner Regelmäßigkeit das Ende des Euros, im Notverkauf der Credit Suisse sah er einen „Lehman-Moment“. Der von ihm gemanagte Aktienfonds soll das Vermögen der Anleger genau vor solchen Crashs retten. Allerdings sank dessen Wert in den vergangenen fünf Jahren, in denen von Pandemie bis Krieg so einige Krisen passierten, um 13,2 Prozent. Zum Vergleich: Der MSCI World bildet die Weltwirtschaft ab, der Aktienindex gewann in derselben Zeit 60,4 Prozent an Wert. 

Und noch aus einer anderen Nische der Finanzwelt wird die Sorge vor dem Crash zum Verkaufsargument: Kryptowährungen und andere Investments auf Blockchain-Basis sollen in der Krise Stabilität garantieren. Seit Jahren zieht es immer mehr Kryptofirmen auf die Invest. Es ist bloß schwer zu sagen, welche davon Firmen auch in fünf oder zehn Jahre noch dort sein wird, geschweige denn, ob und wie sich die jeweilige Vision der Technologie durchsetzt. Ulli Spankowski weiß das. „Kryptowährungen sind hochriskant und können zum Totalverlust führen“, sagt Spankowski. Das zeigte zuletzt die Pleite der Kryptobörse FTX. Allerdings sieht auch der Digitalchef der Börse Stuttgart die große Nachfrage von Anlegern. Mit der von ihm verantworteten App Bison sollen sie deshalb im regulierten Rahmen der Stuttgarter Börse mit Kryptowährungen handeln können. 

Nach einem Rundgang über die Invest zeigt sich eine Wahrheit, die auch außerhalb der Messehallen für Sparerinnen und Sparer gilt: Angst mag das beste Argument von Crashpropheten und Edelmetallverkäufern sein. Für Verbraucher ist sie der schlechteste Ratgeber. Deshalb rät der Verbraucherschützer Thomas Beutler jedem, für sich eine krisenunabhängige Anlagestrategie zu finden. „Dazu gehören etwa drei Nettogehälter für die kurze Frist, aber auch Festgeld oder ETFs, die ich liegen lasse und nicht in einer Situation wie jetzt panisch auflöse.“ Was der Experte nicht als Schutz vor der Krise sieht: Kleine, schimmernde Scheiben, selbst wenn sie aus dem seltensten Edelmetall der Welt gemacht sind.